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Bei der derzeitigen Tendenz wird die Weltgemeinschaft, das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wohl krachend verfehlen. Letzten Freitag gingen 2.000 bis 3.000 junge Südtiroler auf die Straße, um ein Zeichen gegen die klimapolitische Lethargie zu setzen. Doch welche Auswirkungen würden sich überhaupt zeigen, wenn wir weitermachen wie bisher? Marc Zebisch leitet das Institut für Erdbeobachtung an der EURAC Bozen und forscht zu den Folgen des Klimawandels. Gemeinsam mit anderen Autoren der EURAC hat er den Klimareport Südtirol verfasst. Im Gespräch mit BARFUSS gibt Zebisch Antworten auf drängende Fragen.
Beschäftigt man sich zurzeit in Südtirol mit Klimawandel, dann fallen besonders in den Online-Medien viele klimaskeptische Argumente auf, die auf den ersten Blick auch plausibel klingen. Herr Zebisch, gibt es den Klimawandel?
Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir nicht in die Zukunft schauen: Die Temperaturen sind in Bozen seit 1950 um 1,7 Grad gestiegen. Das hat niemand erfunden, das sagt Dieter Peterlin vom Wetterdienst. Auch, dass die Gletscher schmelzen, ist keine Erfindung. Und man muss dazu sagen: Die Mehrheit der Bevölkerung ist von den Forschungsergebnissen auch überzeugt. Es war leider immer schon so, dass Kommentatoren in Onlineforen oder Leserbriefschreiber nicht die Mehrheit repräsentieren.
Ein häufig genanntes Argument lautet, dass sich das Klima ja schon immer gewandelt habe.
Das stimmt, meist wird auch damit argumentiert, dass Grönland im Mittelalter grün war und es dort Ackerbau gab. Dabei handelte es sich aber immer um natürliche Zyklen mit Eiszeiten. In den 8.000 Jahren seit es menschliche Hochkulturen gibt, wurde es aber noch nie so schnell so warm. Das ist keine Hypothese, den Wandel kann man belegen.
Was angezweifelt wird, ist, dass der Klimawandel von Menschen gemacht ist.
Genau – und die Frage, ob CO2 der Verursacher ist. CO2 ist in den letzten Jahrzehnten um circa 35 Prozent angestiegen. Gemessen hat man das in Hawaii im Mauna Loa Observatory. Da hat ein Forscher angefangen, den CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu messen, da er eigentlich die jährlichen Schwankungen untersuchen wollte. Was er aber entdeckt hat, ist, dass die CO2-Konzentration stark ansteigt. In vorindustriellen Zeiten um 1850 gab es 280, heute gibt es 400 Parz per Million CO2. Dass die CO2-Konzetration ansteigt, ist also gesichert. Die Verknüpfung zwischen dem Anstieg der CO2-Konzentration und dem Verbrennen von fossilen Brennstoffen ist nun keine Hexerei und eine chemische Schulgleichung: Der Anstieg an CO2 in der Atmosphäre stimmt 1:1 mit der Menge an verbrennten fossilen Brennstoffen überein.
Die CO2-Konzentration in der Luft hängt also mit dem Ausstoß der fossilen Brennstoffe zusammen. Die Frage ist also, ob die CO2-Konzentration in der Atmosphäre den Temperaturanstieg verursacht.
Genau – und das passiert beim Treibhauseffekt. Das Licht der Sonne trifft auf die relativ dunkle Erde. Die Energie des Lichts wird in Wärmestrahlung umgewandelt, darum wird alles, was dunkel ist, warm. Die Wärmestrahlung wird auch zurückgestrahlt, aber das CO2 lässt die Strahlen nicht mehr durch die Atmosphäre. Deshalb bleibt die Wärme auf der Erde gefangen und die Temperatur steigt – wie in einem Treibhaus. 1890 hat das ein Physiker bereits vorhergesagt: Wenn sich die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre verdoppelt, müsste sich die Erde um ungefähr 4 Grad erwärmen. Genau das ist eingetreten.
Worauf beruhen denn dann nun die Argumente der Skeptiker?
Skeptiker zweifeln oft die Zahlen an, berufen sich darauf, dass eigentlich eine Eiszeit kommen müsste – aber im Endeffekt ist das alles hanebüchen. Stefan Rahmsdorf, ein ehemaliger Kollege am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, hat sich mal die Mühe gemacht, alle Klimawandelgegener-Argumente zu sammeln und zu besprechen. Von den Wissenschaftlern sind so gut wie alle davon überzeugt, dass es den Klimawandel gibt und dass er menschengemacht ist. Aber es gibt natürlich auch Forscher, die dagegen argumentieren. Viele von ihnen arbeiten aber nachgewiesenermaßen für die Erdölindustrie. Die glauben dann oft selbst nicht daran, werden aber dafür bezahlt, dass sie vor dem amerikanischen Senat sagen, dass es den menschengemachten Klimawandel nicht gibt.
Ein gängiges Argument dieser Skeptiker, welches auf Facebook und Instagram zur Zeit viel geteilt wird, ist, dass der CO2-Anteil in der Atmosphäre zu klein ist, als dass Menschen etwas gegen den Klimawandel unternehmen könnten. Konkret funktioniert die Rechnung so, dass drei bis vier Prozent des CO2-Ausstoßes von Menschen stammen, der Anteil von CO2 in der Luft beträgt 0,038 Prozent und wenn man das aufrechnet, dann hat der Mensch einen Anteil an der CO2-Konzentration von 0,00152 Prozent. Wie soll da eine Reduktion am CO2-Ausstoß etwas daran ändern?
Derartige Berechnungen werden meist von genau solchen Wissenschaftlern erstellt – Zahlen vermitteln Plausibilität. Aber diese Rechnung entbehrt jeder Grundlage: Natürlich hat CO2 einen geringen Anteil an der Luft, aber es ist ein starkes Treibstoffgas. Und der Effekt auf den Treibhauseffekt ist ja das, was die Erderwärmung beeinflusst. Oft wird dann gesagt, dass Wasserdampf einen noch stärkeren Treibhauseffekt hat – das stimmt, aber dessen Konzentration in der Atmosphäre hat sich nun mal nicht verändert. Oder andersrum: Der Treibhauseffekt per se ist nicht vom Menschen verursacht, da es Wasserdampf und CO2 schon immer in der Atmosphäre gegeben hat. Wenn es ihn nicht gäbe, hätten wir -15 Grad auf der Erde. Es geht aber ja nicht darum, wie viel Prozent CO2 in der Atmosphäre ausmacht, sondern dass der Anteil ansteigt. Der Mensch hat zum natürlichen Anteil an CO2 seit 1850 35 Prozent dazugegeben. Das ist wie wenn man sagen würde, wenn ich einen Liter Plutonium in den Bodensee kippe, dass dann pro Tonne Wasser nur ein Tropfen Plutonium drinnen ist und dass das dann nichts ausmacht – leider macht es das nun mal.
Was muss passieren, damit wir die Klimaziele des Pariser Klimaabkommens erreichen?
Das Ziel ist es, auf Maximum 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu kommen. Wir sind jetzt weltweit bei einem Grad. Je nachdem, wie sehr wir den CO2-Ausstoß reglementieren, erwärmt sich die Erde unterschiedlich: Machen wir so weiter wie bisher, dann landen wir bei etwa drei bis sechs Grad Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Wenn wir die 1,5 schaffen wollen, darf es nur mehr 0,5 Grad wärmer werden. Dafür müssten wir sofort den CO2-Ausstoß drastisch verringern – auch wenn wir nur weiterhin so viel verbrauchen, wie bisher, wäre das nicht ausreichend.
Warum das?
Das Problem ist in erster Linie ja die CO2-Konzentration. Also auch wenn wir jetzt aufhören würden, CO2 zu produzieren und somit emittieren, dann hätten wir ja immer noch eine erhöhte CO2-Konzentration. Die würde sich zwar abbauen, aber über Jahrhunderte hinweg.
Um die 1,5 Grad zu erreichen, müssten die Emissionen also drastisch gesenkt werden.
Genau. Man muss dazu sagen: Die 1,5 Grad sind ein politisches Ziel. Die hat man sich im Prinzip gegeben, weil klar ist, dass die Inseln in Ozeanien wie Kiribati, Indonesien bei 1,5 Grad Erwärmung überschwemmt würden. Zwei Grad Erwärmung sind bereits zu viel, um diese Inselstaaten zu retten. Deshalb hat man gesagt: Ok, dann streben wir halt mal 1,5 Grad an. Das heißt nicht, dass wir bei 1,5 Grad Erwärmung keine Folgen spüren werden, aber es ist ein Kompromiss.
Je nachdem, wie viel CO2 in Zukunft ausgestoßen werden wird, wird die Temperatur unterschiedlich stark steigen. Die rote Linie zeigt den Anstieg der Temperaturen auf sechs Grad an, falls wir weiterhin so viel CO2 ausstoßen wie bisher. Die violette Linie zeigt die Temperaturentwicklung an, falls ab 2020 die CO2-Emissionen drastisch reduziert werden.
Mit welchen Folgen muss man rechnen, wenn wir weiterhin so viel CO2 ausstoßen?
Es trifft zuallererst diejenigen, die jetzt schon arm sind: Alle Gebiete, die jetzt schon unter Hitze leiden, wie die Sahel-Zone, große Teile Afrikas, Südamerikas und Zentralasien werden von massiver Hitze und Wassermangel betroffen sein. Das hat Folgen auf die Landwirtschaft, was wiederum Klimaflüchtlinge hervorbringen wird. Bei einer Erwärmung von sechs Grad wird das Meer zudem um 1,5 Meter ansteigen. Das klingt im ersten Moment nach nicht viel, aber damit sind Länder wie Bangladesch, Niederlande oder Indonesien größtenteils unter Wasser. Besonders viele große Städte werden betroffen sein, weil große Städte oft an der Küste stehen. Auch wenn ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einer Klimakatastrophe sprechen würde – wenn wir so weitermachen, dann wird das aber auf jeden Fall eine Katastrophe werden. Es werden weltweit so viele Menschen betroffen sein, denen die Lebensgrundlage entzogen wird, dass das nicht friedlich ausgehen kann.
Aus dem Klimareport geht hervor, dass sich Südtirol bereits um 1,5 Grad erwärmt hat – wir sind also bereits an der Stelle, welche sich das Pariser Klimaabkommen als Ziel für 2100 gesetzt hat.
Je nach Region hat die Erwärmung unterschiedliche Folgen. Südtirol wird aufgrund seiner Lage auch bei Erhitzung weniger konkrete Folgen spüren. Wenn wir aber so weitermachen wie bisher, wird Südtirol in achtzig Jahren das Klima von Sizilien haben.
Was würde das konkret bedeuten?
Die Gletscher werden schmelzen, das Wasser wird im Sommer knapp sein, es wird mehr Hitzeschäden im Sommer geben und Kiefern in den Wäldern werden absterben. Der Wintertourismus ist langfristig in Gefahr, aber das ist nicht so schlimm, da zurzeit ja auch Touristen im Herbst zum Wandern kommen – dann können sie irgendwann auch im Winter wandern. Es wird auch vermutet, dass es extremere Wetterereignisse geben wird. Wenn es heißer ist, verdampft nämlich mehr Wasser im Mittelmeer, welches die Atmosphäre aufnimmt. Deshalb regnet es dann stärker. Das große Problem wird sich aber erst im globalen Zusammenhang zeigen: Die Frage ist, ob es in Südtirol dann noch so friedlich ist, dass man hier weiterhin gut leben kann.
Wie steht Südtirol eigentlich im Bezug auf den CO2-Ausstoß da?
Schaut man sich die Emissionen an, die auf dem Territorium von Südtirol verursacht werden, dann sind wir bei 5,3 Tonnen CO2 pro Kopf im Durchschnitt. Das ist wenig im Verhältnis zu Italien, da sind es 7 Tonnen, in Deutschland 10 Tonnen. Um jetzt auf die 1,5 Grad zu kommen, dürften wir im Schnitt aber nur mehr 2 Tonnen CO2 pro Person ausstoßen. Mehr dürfen es im globalen Schnitt auf keinem Fall sein, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen.
Warum ist diese Kennziffer in Südtirol so niedrig?
Das liegt nicht daran, dass wir gut im Klimaschutz sind, sondern dass Südtirol keine Industrie und viel erneuerbare Energien hat. Die erneuerbaren Energien haben wir Italien zu verdanken – die Wasserkraft ist in Südtirol nämlich während des Faschismus entstanden, um die Industrie in der Poebene zu stärken. Der Widerstand gegen die Wasserkraft war ja eigentlich auch Teil des Kampfes um die Autonomie.
Diese Kennziffer gibt zudem nur die Emissionen an, die auf dem Territorium von Südtirol ausgestoßen wurden – und steht nicht dafür, für wie viele Emissionen der durchschnittliche Südtiroler verantwortlich ist: Wenn ich ein billiges T-Shirt aus China kaufe, dann werden die Emissionen ja nicht in Südtirol verursacht. Oder wenn wir von München, Verona oder Mailand aus in den Urlaub mit dem Flugzeug fliegen. Rechnen wir das dazu, dann kommen wir statt 5,3 auf mehr als 7 Tonnen pro Kopf. Unser Konsumverhalten ist nicht besser als in anderen Ländern.
Wo könnte Südtirol ansetzen?
Na gut, da gibt es bereits gute Aktionen. Verkehr auf die Schiene, Förderung von öffentlichem Nahverkehr, Elektromobilität, bessere Isolierungen beim Wohnen und nicht zuletzt die Landwirtschaft. Die Viehhaltung ist der drittgrößte Emissionsfaktor in Südtirol: Rinder erzeugen Methan und das ist ein 16-mal schlimmeres Treibhausgas als CO2 – auch wenn ich jetzt nicht an der heiligen Kuh rütteln will. Aber eigentlich sollte da etwas unternommen werden. Außerdem kann jeder einzelne was tun: Weniger fliegen, denn das haut am meisten rein. Eine Flugreise nach Sri Lanka und zurück verursacht Treibhausemissionen von 4 Tonnen – im Vergleich zum durchschnittlichen Jahresverbrauch eines Südtirolers von 5,3 Tonnen ist das schon ein ordentlicher Batzen.
Und strukturell?
Selbst wenn jeder so klimaneutral lebt wie möglich, kommen wir niemals auf zwei Tonnen. Es gab in Berlin ein Projekt, bei dem Haushalte beraten wurden, wie sie ihre Emissionen reduzieren können. Die haben wirklich alles getan, was sie konnten, und haben die Emissionen von ungefähr 11 Tonnen auf maximal auf 7 bis 8 Tonnen gedrückt. Deshalb ist aus meiner Sicht die Politik gefragt – und zwar nicht die Landespolitik (auch wenn die sich dafür einsetzten sollte), sondern die weltweite. Es geht darum, dass CO2-Emissionen teurer gemacht werden, also um die Einführung einer CO2-Steuer. Das bedeutet konkret, dass jede Tonne CO2, die emittiert wird, deutlich mehr kostet. Und dass in Folge eine Flugreise von Verona nach London eben nicht mehr 39 Euro kostet, sondern 930 Euro. Mit diesen eingenommenen Steuern sollten dann die öffentlichen Verkehrsmittel wie Züge subventioniert und günstiger gemacht werden.
Eine CO2-Steuer ist aber nur effektiv, wenn sie weltweit eingeführt wird.
Ja – und deshalb ist es richtig, wenn die Demos sich an die Politik wenden. Es gab bereits Momente, in denen die Weltgemeinschaft gemeinsam Dinge umgesetzt hat, z. B. beim Verbot der Inhaltsstoffe von Spraydosen, die das Ozonloch vergrößert haben. Die Stoffe waren innerhalb von sechs Jahren, nachdem das klar wurde, weltweit verboten. Eine solche Dynamik muss sich auch jetzt entwickeln.
Vielen Dank für das Gespräch!
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