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Eine Woche lang lagen die Weidenäste im Wasser. Jetzt lassen sie sich mühelos biegen. Konzentriert legen die Frauen Ast um Ast um die Holzstäbe – einmal nach außen, einmal nach innen. Kursleiter Erhard Paris schaut ihnen über die Schulter. In seinem Kurs an der Ultner Winterschule lernen die Frauen, einen Korb zu flechten. Ihre Mühe lohnt sich, denn so ein Weidenkorb hält einige Jahrzehnte. Mit einem Hammer klopfen die Frauen jede geflochtene Reihe nach unten, sodass die Zweige eng aneinander liegen. Erhard Paris ist zufrieden mit ihrer Arbeit. Auch er lernte das Flechten an der Winterschule. Heute hält er selbst Kurse für Erwachsene und Kinder.
Altes Wissen weiterzugeben motivierte auch Waltraud Schwienbacher 1993, die Winterschule in Ulten bei Meran zu gründen. Als Gemeindereferentin erfuhr sie damals von den Ultner Bauern, dass die ihre Schafwolle entsorgten, weil sie keine Verwendung dafür hatten. Schwienbacher war entsetzt. Schafwolle ist ein wertvoller Rohstoff. Seine Inhaltsstoffe sollen etwa gut für Haare, Haut, Muskeln, Knochen und den Zellaufbau sein. Und Wollwachs oder Lanolin, das bei der Wäsche von Schafwolle gewonnen wird, wirkt entzündungshemmend.
An der Winterschule lernen die Teilnehmer, die Schafwolle weiterzuverarbeiten. Sie stricken, weben und filzen damit. Doch damit nicht genug. Die dreijährige Fachausbildung vermittelt alte Handwerke wie Klöppeln, Drechseln, Wildblumenfloristik oder Lederverarbeitung. Auch die alpine Kräuterkunde oder Milchveredelung stehen auf dem Lehrprogramm. Die Kurse finden meist am Wochenende statt. Für Waltraud Schwienbacher ist die Natur die höchste Hochschule. Nach dieser Überzeugung ist auch das Lehrprogramm gestaltet.
Und das kommt an. Hatte die Winterschule in ihrem ersten Jahr nur zwanzig Teilnehmer, sind es heute knapp 500. Dabei könnten es doppelt so viele sein. Denn das Interesse ist groß, doch nicht für alle ist Platz. Die Schüler kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen. Da gibt es Teilnehmer, die selbst einen Hof haben und lernen wollen, die hofeigenen Ressourcen für einen Zuerwerb zu nutzen. Unter den Schülern sind aber auch Ärzte, Journalisten, Krankenschwestern oder Architekten. Viele von ihnen sitzen oft vor dem Bildschirm. Sie alle schätzen es, an der Winterschule mit den Händen zu arbeiten.
Im Kurs Waldfärbung wickelt eine Teilnehmerin ihr frisch gefärbtes Tuch von einem Metallrohr. Vorsichtig nimmt sie die darauf abgelegten Blüten und Blätter ab. Sie hinterlassen ein Muster auf dem Tuch. Inmitten von Blättern, Blumen und den Ästen einer Kiefer wuselt Waltraud Reiterer durch den Raum. Die Kursreferentin liebt es, in ihrer Farbküche zu stehen und mit Naturmaterialien wie Zwiebelschalen oder Farn zu experimentieren. Kurz wechselt sie ein paar Worte mit Franziska Schwienbacher, die vorbei gekomen ist. Schwienbacher, studierte Biologin, führt die Winterschule heute. Die Tochter der Gründerin freut sich, das Lebenswerk ihrer Mutter weiterzuführen. Für sie ist es wichtig, dass die Lehrgänge der Winterschule Raum für das eigene Interesse lassen. Und dass sie für jeden zugänglich ist. Als öffentliche Einrichtung sind die Kursgebühren moderat und damit auch für Geringverdiener leistbar.
Das ursprüngliche Problem der Ultner Bauern, die nicht wussten, was sie mit ihrer Schafwolle anfangen sollten, ist mittlerweile gelöst. Die Bauern beliefern die Wollmanufaktur in St. Walburg damit. Die Sozialgenossenschaft wurde auch auf Initiative von Waltraud Schwienbacher gegründet, um den Rohstoff Schafwolle weiterzuverarbeiten. Im Gegenzug bekommen die Bauern Gutscheine, die sie im Geschäft von Bergauf einlösen können. Socken, Tischsets oder Jacken aus Schafwolle finden sich hier, gemacht von einigen Frauen aus dem Tal. Heute bietet Bergauf sechs Menschen einen Arbeitsplatz. Anstatt im Containerschiff rund um die Welt zu reisen, wird die Wolle verarbeitet und direkt im hauseigenen Geschäft oder online verkauft. Eine ökologische und faire Produktion made in Südtirol.
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