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Der Geruch von Wolle liegt in der kleinen Wollmanufaktur in St. Walburg in Ulten in der Luft. Heute ist das Geschäft für die Kunden geschlossen, es wird gearbeitet. Zwei große, laut ratternde Maschinen nehmen den Raum fast gänzlich ein. Im Eingangsbereich steht ein Regal mit Hausschuhen, Taschen und Deko-Artikeln. Daneben hängen Jacken und Taschen. Alles aus gefilzter und vernähter Wolle. Etwas sticht neben all den Kleidungsstücken besonders hervor: Schuhe in einem kräftigen, dunklen Blau. „Sie sind völlig abbaubar“, erklärt Traudi Schwienbacher, die Initiatorin vom Wollstübele, aus dem vor einem Jahr die Marke Bergauf entstanden ist.
Hier in der Wollmanufaktur arbeitet eine kleinen Gruppe von Menschen daran, den heimischen Rohstoff Wolle zu veredeln. Da Bergauf eine Sozialgenossenschaft ist, arbeiten neben einer Vollzeitbeschäftigten weitere sechs Frauen in Teilzeit oder über Projekte mit. Auch eine Frau mit Beeinträchtigung hat bei Bergauf Arbeit gefunden.
Traudi Schwienbacher holt die blauen Schuhe aus der Auslage. Bei näherer Betrachtung erkennt man das Material, aus dem sie bestehen: Filz. Die Sohlen seien aus Zuckerrohr oder Kautschuk, erklärt die Wollexpertin: „Schuhe waren mir immer schon ein ganz großes Anliegen. Wir gehen und stehen den ganzen Tag, aber was haben wir oft für ein Glump an?“ Deshalb kam die 70-Jährige mit ihren Mitarbeiterinnen auf die Idee, gesunde Schuhe zu fertigen. Die Wolle wird an eine Firma in Italien geschickt, denn noch sei es nicht möglich, sie alleine zu produzieren. Irgendwann sollen weitere Modelle den grauen und blauen folgen.
Vorteil von Wollschuhen ist, dass Wolle von allen Fasern die höchste Saugfähigkeit hat. Bis zu 40 Prozent Feuchtigkeit und somit auch Schweiß wird nachweislich aufgesaugt und an die Luft weitergegeben. „Und danach kann man die Schuhe ganz einfach auf den Kompost werfen“, sagt Schwienbacher. Für die kalte Jahreszeit gibt es Stiefel, die aus den selben Materialien hergestellt werden.
Bergauf steht zurzeit in Verhandlungen mit einer Südtiroler Firma, die Leder aus dem Produktionsabfall von Apfelsaft herstellt. In Zukunft sollen die Sohlen daraus entstehen. „Unser Ziel sind null gefahrene Kilometer. Es würde alles verwertet werden, was ansonsten im Müll landet“, sagt Schwienbacher. Über 100 Tonnen Wolle landen dort jährlich. Bereits vor über zwanzig Jahren entstand deshalb die Idee zum Wollstübele, denn schon damals fanden die Bauern aus dem Tal nicht genügend Abnehmer für ihre Wolle. Zweimal im Jahr wird der Rohstoff seitdem bei den Bauern eingesammelt. Sie bekommen im Gegenzug Gutscheine, um bei Bergauf einzukaufen.
Während Schwienbacher die Schuhe wieder zurückstellt, arbeiten die Frauen fleißig weiter. Immer noch sind die Maschinen laut im Einsatz. Ein dünnes, dunkelbraunes Wollvlies läuft über die Filzmaschine, die mit rund 6.000 Nadeln mit Widerhaken den Filz formt.
Klara sorgt dafür, dass alles reibungslos verläuft. Sie ist seit der Gründung von Bergauf mit Begeisterung dabei und arbeitet immer vormittags an der Herstellung der Filzstoffe, aus denen die Kleidungsstücke in Handarbeit genäht werden. In der hinteren Ecke stehen mehrere Färbekessel, in denen die gewaschene Wolle mit Birkenblättern, Goldrute oder Krappwurzeln eingelegt wird. Dadurch bekommt sie nach einigen Tagen eine knallgrüne, violette oder gelbe Farbe – und zwar ganz ohne Chemie. Chemisch gefärbte Stoffe würden mindestens zehn Nanogramm Gifte enthalten, was auf Dauer eine leicht negative Auswirkung auf unseren Körper habe, weiß Schwienbacher.
„Ich lege die Birkenblätter eine Woche im Wasser ein, beize die Wolle und lege sie dann eine Stunde in den Kessel mit dem Birkenwasser”, erklärt eine Mitarbeiterin. Jeder Arbeitsschritt erfolgt im kleinen Wollstübele von Bergauf. Ist die Wolle fertig gefärbt, kommt sie durch den Reißwolf und wird auf die sogenannten Kargen geblasen, wo sie gekämmt wird. Dann kommt sie in die Filzmaschine und wird schließlich zu einem der vielseitigen Kleidungsstücke.
Vielen sei nicht bewusst, wie wichtig das Material der Kleidung ist: „Sie ist wie unsere zweite Haut, wir tragen schließlich Tag und Nacht Kleidung“, sagt Schwienbacher. Sie habe einen großen Einfluss auf uns, denn wir schwitzen Wasser, Salze und Giftstoffe aus. Die Universitäten Zürich und Aachen haben festgestellt, dass durch die Wolle neben den genannten Stoffen auch Umweltgifte aufgenommen, neutralisiert, gereinigt und an die Luft abgegeben werden. Auch im Schlafzimmer empfiehlt die Ultnerin deshalb Wolle, schließlich schwitzt man pro Nacht einen viertel bis einen Liter.
Mitarbeiterin Martina fertigt seit eineinhalb Jahren in reiner Handarbeit Wollmatratzen und sagt darüber mit voller Überzeugung: „Auf einer Wollmatratze schläft es sich wie auf Wolken.” Ihr sei schon lange bewusst, dass Wolle ein wertvolles Material ist. Sie trägt gerne Bergauf-Produkte, so wie die Kunden, von denen es langsam immer mehr gibt. Eine Kundin erzählt, dass es ihr nach dem vielen Tragen der Wollprodukte besser gehe und sie sich wohler fühle. Schwienbacher hat eine Erklärung dafür: „Wolle enthält Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel. Das ist gut für die Haut, die Knochen, die Muskeln und für den Zellaufbau. Sie reguliert sogar den Kreislauf.“
Jeden Tag arbeiten die Frauen von Bergauf daran, aus einem Abfallprodukt Neues zu machen und Arbeitsplätze zu schaffen: „Wir machen nur gesunde Sachen und so langsam geht es bergauf“, sind sich die Mitarbeiterinnen einig.
Geöffnet ist Bergauf zurzeit am Dienstag, Donnerstag und Samstag von 15 bis 18 Uhr. Die übrige Zeit wird gearbeitet, denn einen eigenen Verkaufsraum gibt es noch keinen.
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