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In vielen Gemeinden steigen die Mieten und Kaufpreise stärker als die Löhne – und das schon seit Jahren. Wie soll man sich Wohnraum da noch leisten können? Unternimmt die Landesregierung genug, damit Wohnen erschwinglich bleibt? Und welche Möglichkeiten haben junge Menschen, die vom Eigenheim träumen? Leonhard Resch, Experte für Wohnbau in Südtirol und Referatsleiter der Arche beim KVW, gibt Antworten.
Herr Resch, Sie sind 48 Jahre alt. Gehört Ihnen schon eine Wohnung?
Ja, wir haben im Rahmen einer Wohnbaugenossenschaft eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus gebaut.
Sie haben also eine jener Möglichkeiten, die Wohnen leistbarer machen soll, in Anspruch genommen.
Genau, zum einen das gemeinsame Bauen statt Einfamilienhaus, zum anderen das Bauen auf gefördertem Bauland, das uns von der Gemeinde zugewiesen wurde.
Wer auf dem freien Markt auf Wohnungssuche geht, muss in Bozen durchschnittlich über 5000 Euro pro Quadratmeter berappen, bei einer 100 Quadratmeter-Wohnung mit zwei bis drei Schlafzimmern macht das bereits eine halbe Million Euro. Wer kann sich das leisten?
Nur die Gutverdienenden. Heute ist es nur noch für den Mittelstand und die Oberschicht möglich, sich eine solche Wohnung zu leisten. Für Familien mit niedrigem Einkommen oder Alleinstehende ist es sehr schwierig.
Ist leistbares Wohnen nicht ein Recht, das allen zusteht?
Wohnen ist ein Menschenrecht, aber eine Eigentumswohnung ist es nicht unbedingt und eine Wohnung im Reihenhaus sowieso nicht. Das hat es früher auch nicht gegeben, dass jemand als Berufseinsteiger mit minimalem Ersparten, das weniger als 50.000 Euro beträgt, schon an eine Eigentumswohnung kommt. Anders sieht es aus, wenn man sich fürs Erste mit einer 50 Quadratmeter-Wohnung in mittelmäßiger Lage zufriedenstellt.
Aber auch da ist es schwieriger geworden, sich das zu leisten.
Das steht außer Frage. Wobei auch hier mehrere Faktoren mitspielen, nicht nur die steigenden Preise, sondern auch die Sparfähigkeit. Der Lebensstandard ist um Einiges höher als vor etwa 50 Jahren. Man muss sich ein bis zwei Urlaube leisten, ein Handy, einen Laptop, Netflix-Abos, Restaurantbesuche… Diese Kosten hat es früher nicht gegeben.
Eines ist wohl klar: Mit einer einzigen Maßnahme wird das Problem nicht zu beheben sein. Womit hat man in den letzten Jahren versucht, die Wohnungsnot zu bekämpfen?
Eines ist der geförderte Wohnbau, von der Grundförderung bis hin zur Förderung der Infrastrukturen. Zum anderen gibt es einen Beitrag für Bauwillige. Indem Baugrund für Ansässige reserviert wurde, hat man außerdem versucht, Bauflächen dem freien Markt zu entziehen und diese erschwinglicher zur Verfügung zu stellen. Das alles hat dazu beigetragen, dass die Preise zumindest nicht so stark gestiegen sind, wie es sonst der Fall gewesen wäre, aber steigen tun sie trotzdem.
Deswegen hat die Landesregierung kürzlich ein Gesetz mit neuen Maßnahmen verabschiedet. Was steht auf dem Plan?
Das Gesetz für Raum und Landschaft wurde 2018 im Landtag genehmigt und trat 2020 in Kraft. Darin sind eine Reihe von Maßnahmen verankert, die den Wohnraum für Ansässige sichern sollen. Es gab und gibt zu diesem Gesetz negative Stimmen. Die Grundpfeiler finde ich aber gut, zum Beispiel, dass Gemeinden verpflichtet werden, mittel- und langfristig zu planen, welche Bauflächen wo und wie ausgewiesen werden. Kurzsichtige, unüberlegte Bauleitplanänderungen sollten damit ausgeschlossen werden.
Leerstand können wir uns nicht leisten.
Es gab auch Diskussionen darüber, ob man unvermietete Zweit- und Ferienwohnungen stärker besteuern soll. Der Vorschlag hat viel Kritiker auf den Plan gerufen und wird voraussichtlich nicht umgesetzt.
Ich wäre absolut dafür. Wenn Wohnen leistbar bleiben soll, müssen wir mit Grund und Boden sparsam umgehen und den Bestand optimal nutzen. Leerstand können wir uns nicht leisten. Politisch ist eine solche Maßnahme aber bei vielen Zweitwohnungsbesitzern unbeliebt. Wenn jemand seine Zweitwohnung nicht vermietet, beispielsweise, weil in fünf Jahren die Kinder einziehen sollen, dann ist das für mich schon nachvollziehbar. Richtig ist es aber nicht.
Was im neuen Gesetz vorgesehen ist: Bauen mit Preisbindung. Dafür haben auch Sie sich stark eingesetzt. Was ist das?
Das ist ein Zusatzangebot zu den geförderten Wohnungen. Viele Gemeinden haben Zonen, die bebaut werden können, wo es aber schwierig ist, Interessenten für ein gemeinsames Bauprojekt zu finden. Das Bauen mit Preisbindung gibt zusätzlich zum Baugrund, der 50% Prozent weniger als auf dem freien Markt kostet, mehr Preissicherheit beim Bauen. Durchschnittlich werden Wohnungen mit Preisbindung rund 25-30% günstiger sein als Wohnungen für Ansässige auf dem freien Markt. Dadurch sollen mehrere Bauprojekte, die schon jetzt möglich wären, endlich realisiert werden. Zugute kommt das Bauen mit Preisbindung auch jenen, die nicht die Voraussetzungen für den klassisch geförderten Wohnbau erfüllen, wenngleich diese den Vorrang haben.
Bisher trug geförderter Wohnbau in Südtirol hauptsächlich zur privaten Vermögensbildung bei, denn die geförderte Wohnung durfte nach 20 Jahren wieder zu normalen Marktpreisen weiterverkauft werden. In Wien bleiben die Gemeindebauten mit mehr als 400.000 Wohnungen in öffentlicher Hand, rund 60 Prozent der Wiener und Wienerinnen kommen dadurch in den Genuss der gedeckelten Mieten. Das zieht auch die Mieten und Preise auf dem freien Markt nach unten. Warum wird so ein Konzept nicht auch in Südtirol realisiert?
Die Wohnungen mit Preisbindung gehen zwar in Privatbesitz über, dürfen aber auch dann nur an Ansässige weiterverkauft werden. Dem freien Markt bleiben sie daher entzogen. Aber auch das Wiener Modell ist in ähnlicher Weise in Südtirol schon geplant. Das ist eine der meiner Meinung nach wichtigsten Änderungen, die nun anstehen: Die Wohnungen im Besitz der Gemeinden und des Wohnbauinstituts sollen in Zukunft auch für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen zugänglich sein. So werden die Einkommensschichten besser durchmischt und Gemeinden werden weniger Vorbehalte haben, neue Wohnflächen für den sozialen Wohnbau auszuweisen.
Es lohnt sich, sich im Vorfeld eines Wohnungskaufs viel Zeit zu nehmen.
Kürzlich stimmte Berlin in einem rechtlich nicht bindenden Volksentscheid dafür, große Immobilienkonzerne, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen, zu enteignen. Geht leistbarer Wohnraum auch auf diesem Weg?
In den 90er Jahren hat Berlin einen Großteil der Gemeindebauten geradezu verscherbelt. Das war völlig irrsinnig. Profitiert haben davon insbesondere große Immobilienkonzerne. Man sieht, wohin solche Extremfälle führen. Enteignung ist ein sehr drastisches Mittel, um für leistbaren Wohnraum zu sorgen. Aber wenn solche gravierenden Fehler gemacht werden, wie in Berlin, ist es eine verständliche Forderung.
Welche Tipps geben Sie Menschen, die in Südtirol auf der Suche nach erschwinglichem Wohnraum sind?
Bei einem Wohnungskauf geht es um große Summen und folgenschwere Entscheidungen, es lohnt sich also, sich im Vorfeld viel Zeit zu nehmen, um sich gut zu informieren, dass man zur Gemeinde geht, dass man sich beraten lässt. Es gibt viele Möglichkeiten, um Geld zu sparen. Ratsam ist auch, mit Eltern und Verwandten zu sprechen, denn die Nutzung des Bestandes, der Ausbau von bereits vorhandenen Wohnungen, birgt noch sehr viel Potential. Sehr wichtig ist auch, mit sich selbst zu klären, wie weit man den eigenen Lebensstandard zu reduzieren bereit ist, um in den Besitz einer Wohnung zu kommen, und ob Eigentum überhaupt das Richtige ist, vor allem, wenn man mobil sein will. Bei einer einmaligen Gelegenheit kann man natürlich zupacken, aber grundsätzlich sollte man sich nicht zu allzu schnellen Entscheidungen verleiten lassen.
Die Arche im KVW bietet Beratungen zum Thema Wohnbauförderung, beim Abbau architektonischer Barrieren, Wohnen für Senioren und betreut Wohnbaugenossenschaften. Dies beginnt mit der Zusammenführung der Interessenten in einer Gruppe, der Gründung der Wohnbau-Genossenschaft, der Unterstützung beim Ansuchen bei der Gemeinde um gefördertes Bauland, der Unterstützung bei den Ansuchen um Landesförderung, der Genossenschaftsverwaltung, der Bauprojektleitung bis hin zur Auflösung der Genossenschaft.
Mehr Infos gibt es hier.
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