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In Zeiten des Klimawandels dreht sich der öffentliche Diskurs zunehmend um die Frage, wie wir unser Leben nachhaltiger gestalten können. Damit beschäftigt sich auch Elisabeth Präauer. Sie hat Strategisches Management mit Fokus auf Nachhaltigkeit studiert und arbeitet beim Terra Institute als Beraterin für Unternehmen, die nachhaltiger wirtschaften wollen. BARFUSS hat sie zum Interview getroffen.
Was bedeutet es, im ökologischen Sinne nachhaltig zu wirtschaften?
Im ökologischen Sinne nachhaltig zu wirtschaften bedeutet, dass man mit dem, was man produziert, die Umwelt und die Menschen im Allgemeinen so wenig wie möglich beeinflusst. Nachhaltig bzw. ökologisch positiv wäre, etwas zurückzugeben statt etwas zu nehmen.
Wird das derzeit schon umgesetzt?
Es gibt schon Unternehmen, die das seit einigen Jahren praktizieren. In den letzten Jahren haben sich immer mehr Unternehmen darum bemüht, nachhaltiger zu produzieren, weil das Thema zurzeit einfach immer stärker bei den Konsumenten präsent ist.
Das Wichtigste für Unternehmen ist einmal, dass man einen Grund hat, warum man als Unternehmen existiert und welchen Mehrwert für die Gesellschaft man hat. Das muss ich dann aber auch an die Mitarbeiter weitergeben, damit diese dann auch diesen Grund als Motivation für ihre Arbeit sehen. Letztendlich ist es natürlich auch wichtig, diesen Gedanken in die Produkte hineinzubringen.
Wie kann man einen Betrieb dazu animieren, nachhaltig zu wirtschaften?
Das kommt extrem auf den Betrieb an. Es gibt manche Unternehmen, welche nie 100 Prozent nachhaltig sein werden. Nachhaltigkeit hat drei Säulen, nämlich die ökologische Nachhaltigkeit, die ökonomische Nachhaltigkeit und die soziale Nachhaltigkeit. Es ist sehr wichtig, dass alle drei Säulen bespielt werden. Wenn man als Betrieb ökologisch und sozial nachhaltig agiert, muss man natürlich auch schauen, dass das ganze auch wirtschaftlich einen positiven Einfluss auf den Betrieb hat. Unternehmen können das machen, indem sie das Konzept der Nachhaltigkeit in ihre Strategie aufnehmen, was ein relativ langwieriger Prozess ist. Denn es muss sich klarerweise auch der Wert des Unternehmens verändern.
Wie genau werden die drei Säulen der Nachhaltigkeit definiert?
Die soziale Nachhaltigkeit fokussiert sich auf den Menschen. Hier geht es darum, dass der Mensch sich wohlfühlt. Das heißt, dass der Mensch dort, wo er lebt und arbeitet, gut leben kann. Sozial nachhaltig zu wirtschaften, heißt aber auch, dass man mit den eigenen Produkten einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft nimmt, indem man etwa niemandem seine Rohstoffe wegnimmt.
Ökologisch nachhaltig bedeutet, dass man die Natur nicht ausraubt. Kurz gefasst: Das, was für den Menschen gilt, gilt auch für die Natur.
Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit bedeutet, dass man weiterhin langfristig überleben kann. Das ist auch wichtig für die Mitarbeiter, weil wenn das Unternehmen in zwei Jahren nicht mehr existiert, haben die Mitarbeiter auch nicht viel davon.
„Wir sind mit der wachstumsorientierten Wirtschaft jetzt bis zum Limit gekommen und das wird in einer Welt, die nicht unendlich viele Ressourcen hat, nicht mehr weiter funktionieren.”
Bedeutet nachhaltiges Wirtschaften auch, sich vom wachstumsorientierten Wirtschaften zu verabschieden?
Nachhaltige Wirtschaft bedeutet nicht, dass es wie früher rein nur um Wachstum geht. Wir sind mit der wachstumsorientierten Wirtschaft jetzt bis zum Limit gekommen und das wird in einer Welt, die nicht unendlich viele Ressourcen hat, nicht mehr weiter funktionieren. Das Ziel sollte sein, dass es der gesamten Weltbevölkerung gut geht und nicht, dass es nur ein paar Prozent gut geht und der Rest darunter leidet.
Kann man also sagen, dass nachhaltiges Wirtschaften im Prinzip Produzieren auf Nachfrage bedeutet?
Nein, nicht unbedingt. Natürlich wird Massenproduktion im Rahmen einer nachhaltigen Produktion nie funktionieren. Produktion nur auf Nachfrage wird meiner Meinung nach aber gar nicht funktionieren, weil der Mensch nie wirklich weiß, was er am Ende alles braucht oder haben will. Um nachhaltig zu wirtschaften, ist es auch wichtig, zum Beispiel Materialien wieder zu verwenden, statt ständig neue Rohstoffe abzubauen. Meiner Meinung nach ist eine Kreislaufwirtschaft das Zukunftsmodell.
Wie sieht die aus?
Die Kreislaufwirtschaft muss man sich so vorstellen: Das Prinzip von Abfall und Emissionen gibt es nicht mehr. Alles was in einem Wirtschaftskreislauf drinnen ist, bleibt auch da drinnen. Bei der Kreislaufwirtschaft werden gebrauchte Dinge wiederverwendet und beschädigte Produkte repariert oder anderweitig gebraucht. Wenn man zum Beispiel bei einer Waschmaschine einen Schlauch wechselt und sie so wieder zum Laufen bringt oder sie komplett demontiert und ihre Einzelteile anderweitig verwendet, dann ist das nachhaltig. Auch Recycling spielt in der Kreislaufwirtschaft eine Rolle aber vorher soll das Produkt wirklich so lange wie möglich wiederverwendet werden. Fossile Brennstoffe haben in einer Kreislaufwirtschaft keinen Platz, weswegen selbstverständlich erneuerbare Energien zur Produktion verwendet werden sollen. Eine sehr große Rolle spielt auch das Produktdesign.
Inwiefern?
Ein Produkt soll so hergestellt werden, dass man es nach seinem Gebrauch wieder in seine Einzelteile zerlegen kann. Ein Produkt, welches ich nicht in seine Einzelteile zerlegen kann, bringt mir in einer Kreislaufwirtschaft nichts.
„Grundsätzlich glaube ich, dass wir mal aufhören sollten, immer nur zu versuchen das besser zu machen, was wir gerade machen, und stattdessen mal anfangen, neu zu denken.”
Können wirklich alle Wirtschaftssektoren nachhaltig wirtschaften?
Ich glaube schon. Manche Sektoren müssen sich meiner Ansicht nach neu denken. Grundsätzlich glaube ich, dass wir mal aufhören sollten, immer nur zu versuchen, das besser zu machen, was wir gerade machen, und stattdessen mal anfangen, neu zu denken. Dann gibt es vielleicht nicht mehr den Ölkonzern, sondern er steigt in erneuerbare Energien um. Man muss sich auch mal überlegen, ob wirklich alle Produktionsstättten und alle Unternehmen tatsächlich gebraucht werden.
Wie kann etwa der Tourismus wirtschaftlich nachhaltig gestaltet werden?
Man kann sich einmal als Hotel sehr gut nachhaltig gestalten und andererseits auch als Tourist. Als Tourist sollte ich nach Möglichkeit mit dem Zug anreisen und nicht fliegen. Wenn man fliegt, sollte man sich wirklich zwei bis drei Wochen am Reiseziel aufhalten und nicht nur fünf Tage. Auch die Aktivitäten vor Ort sollte man sich natürlich genau überlegen. Wenn man zum Beispiel auf den Berg geht, sollte man den Müll wieder mitnehmen. Weiters gilt auch hier wieder: Die Masse hat keine Zukunft. Hauptthema beim Tourismus ist aber der Transport. Dort entstehen am meisten Emissionen. Vor Ort muss natürlich auch das Öffi-Angebot passen. Wenn das Angebot passt, kann man überall mit dem Zug hinfahren oder mit dem Bus.
Welche Möglichkeiten hat ein Apfelbauer aus dem Südtiroler Unterland, seinen Betrieb nachhaltig zu gestalten?
Als Apfelbauer muss man ganz genau drauf schauen, welche Dünger man verwendet und was man langfristig dem Boden gibt. Denn langfristig eingesetzt, zerstören schlechte Pestizide die Biodiversität. Vor allem aber sollte man langfristig darüber nachdenken, ob es denn in 15 Jahren in Südtirol noch möglich ist Äpfel anzubauen. Durch den Klimawandel weiß man ja nicht, was kommt. Auch sollte der Bauer sein Geschäftsmodell überdenken, weil wenn man nur auf den Apfel setzt, kann es ja wie gesagt sein, dass es irgendwann keine Äpfel mehr gibt. Deswegen sollte er entsprechend für Alternativen offen sein. Wenn er weiterhin auf den Apfel setzt, sollte er alles dafür tun, dass er diese auch produzieren kann, wo es eben wieder darum geht, welche Pestizide und Dünger er an die Natur gibt.
Glauben Sie, dass es in Südtirol irgendwann einmal keine Apfelbauern mehr geben wird?
Das weiß ich nicht, soweit kann ich nicht in die Zukunft blicken. Es gibt auch mehrere Modelle, wie sich das Klima verändern wird. Was sicher ist, ist, dass es mehr Trockenzeiten und mehr Wetterextreme wie Hagel etc. geben wird. Somit wird der Apfelanbau auch risikoreicher. Ob es aber in 50 Jahren in Südtirol noch Apfelanbau geben wird, weiß ich nicht. Sicher ist aber, dass wir dafür kämpfen sollten, dass sich das Klima nicht weiter verändert.
Wie könnte ein wirtschaftlich nachhaltiges Südtirol aussehen?
Was ganz wichtig wäre, ist eine Kooperation der einzelnen Beteiligten am Wirtschaftssystem, weil Nachhaltigkeit auf Kooperation baut. Wichtig ist, dass man mit den jetzigen Konkurrenten zusammenarbeitet und nicht weiter gegeneinander. Das ist das eine und der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel ist das andere.
Glauben Sie, dass das je erreicht wird?
Das glaube ich auf jeden Fall. Eine nachhaltige Wirtschaft ist ja das Zukunftsmodell. Deswegen bin da auch relativ optimistisch, dass man in diese Richtung gehen kann. Südtirol ist eine wunderschöne Region und wir sollten die Zukunft dieser Region sichern. Vor allem für die jungen Generationen. Südtirol hat ja auch von seiner Lage her sensationelle Rahmenbedingungen, um nachhaltig zu wirtschaften. Zum Beispiel kann man Wasserkraft so einsetzen, dass man von fossilen Energieträgern, die man einkaufen muss, wegkommt.
Wie lange werden wir auf ein vollständig wirtschaftlich nachhaltiges Südtirol warten müssen?
Ich glaube, das geht in ganz kleinen Schritten. Es ist jetzt schon ein riesiger Schritt gemacht worden, weil dieses Thema Nachhaltigkeit endlich in den Medien und unter den Leuten ist. Es ist ja nicht so, dass die Wissenschaftler jetzt erst drauf gekommen sind, dass ein Klimawandel stattfindet. Die besten Wissenschaftler der Welt sprechen seit 30 Jahren darüber. Dank Greta Thunberg ist das endlich in die Medien gekommen und seitdem merken wir auch als Unternehmen, dass andere Unternehmen verstärkt Interesse haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dabei ist uns aber wichtig, dass es wirklich Transformationswille und nicht nur Greenwashing ist.
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