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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 25.09.2019
Leben40 Wochen

Wir, die Eltern

Veröffentlicht
am 25.09.2019
Wenn aus einem Paar plötzlich Eltern werden, wird Zweisamkeit zur Logistik. Und auch sonst verändert sich ganz schön viel.
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Es war erstaunlich früh, als Herzmensch neulich bereits um 20.15 Uhr völlig friedlich in seinem Bettchen geschlafen hat. Und es war erstaunlich komisch, dass Jakob und ich zu der Zeit sogar noch ein wenig Restenergie vom Tag übrig hatten, um völlig kitschig im Kerzenschein mit Bierchen auf unserem Balkon zu chillen und übers Leben zu philosophieren. „Fast so wie früher“, sagte ich und musste grinsen. Wann wir das letzte Mal so früh am Tag bereits Zeit für uns hatten, daran erinnerte sich nämlich weder Jakob noch ich. Und doch fühlte sich für einen Moment lang wirklich alles so an wie vor Herzmensch. Auch wenn sich in Wirklichkeit im vergangenen halben Jahr ganz schön viel verändert hat.

Momente wie diese sind selten geworden, seit wir nicht mehr nur ein Paar sind, sondern auch Eltern. Den Tag mit einem Bierchen und guten Gesprächen auf dem Balkon ausklingen lassen, eng eingekuschelt einen gemütlichen Filmabend im Bett genießen, gemeinsam ausgehen, in Ruhe essen oder schlafen. All das ist jetzt anders. All das klappt selten, ohne dass Herzmensch Hunger hat, bespaßt oder fünf Mal nacheinander wieder in den Schlaf gewiegt werden will.

Nun müssen wir uns die Zeit, die vorher schon kaum für zwei gereicht hat, durch drei teilen und irgendwo im Trubel, den man Leben nennt, immer wieder zueinanderfinden. Denn Zweisamkeit bedeutet nun Logistik.

Zeit für uns

Was vor Herzmensch so selbstverständlich war, haben wir in den ersten Wochen nach der Geburt ganz einfach vergessen. Viel zu groß war die Aufregung über das neue Familienmitglied, viel zu beschäftigt waren wir damit, uns in der neuen Aufgabe zurechtzufinden und unsere eigenen, neuen Systeme als kleine Familie anzulegen. Da interessiert es niemanden, ob man in der anfänglichen, ständig präsenten Eltern-Konzentration reichlich wenig für normale Küchengespräche übrig hat und stattdessen beim gemeinsamen Mittagessen gleichzeitig stillt und das Baby übers Töpfchen hält. Genauso wie es niemanden interessiert, ob man beim Revue-passieren-lassen des Tages einfach mal unbemerkt wegratzt. Und genauso wenig denkt man darüber nach, wie gerne man zusammen wieder mal ganz in Ruhe über Gott und die Welt plaudern möchte, dafür bleibt schlichtweg keine Zeit.

Doch umso mehr Wochen vergehen, desto eingespielter wird man als Team, als kleine Familien-Mannschaft, in den neuen Routinen. Plötzlich wird das Neue wieder zum Alltag und man bemerkt, dass man sich doch irgendwie vermisst.

Plötzlich muss man sich anstrengen, wenn man mal nicht als Eltern, sondern einfach als Paar gemeinsam sein möchte.

Eines steht fest: Elternsein ist eine unbeschreiblich schöne Aufgabe. Wahrscheinlich sogar die schönste, die man in einem Leben haben kann. Tag für Tag kann man ihn einfach nur genießen, diesen Alltag zu dritt. Geweckt zu werden von einem grinsenden Baby, seine Fortschritte zu beobachten, ihm dabei zu helfen, sich weiter zu entwickeln. Mit ihm kuscheln, lachen und Streicheleinheiten von ihm kriegen. Ein Alltag so voll von Liebe.

Doch Elternsein bedeutet gleichzeitig auch Aufopferung, Zurückstecken der eigenen Bedürfnisse, Druck, die neue Aufgabe gut zu meistern, und Verzicht auf ganz schön viel Zeit für sich und für einander. Alltag zu dritt bedeutet einfach so viel weniger Alltag zu zweit. Und plötzlich muss man sich immer anstrengen, wenn man mal nicht als Eltern, sondern einfach als Paar gemeinsam sein möchte. Um sich zu sehen, zu hören, zu verstehen und wieder auf die selbe Welle zurück zu rudern, von der man im völlig normalen Alltagsstress doch so oft völlig unbemerkt abdriftet.

Ja, Elternsein kann ziemlich anstrengend sein und ganz schön viel Müdigkeit, Überforderung, Stress und folglich blanke Nerven und Streit mit sich bringen. Ein Zustand, der sich als Paar nur in Extremsituationen über einen stülpt, als Eltern hingegen öfter, als einem lieb ist, zum Alltag wird.

Was sich neckt, das liebt sich

Irgendwie mag ich es ja, zu streiten. Nicht etwa, wenn ich gerade mittendrin stecke im Konflikt und nur noch verzweifelt heulen, laut schreien oder meinem Gegenüber den Kopf abreisen könnte. Nein, dann nicht. Viele eher dann, wenn sie vorbei sind, diese Momente von Wut und Zorn und man klaren Kopfes über die Themen sprechen, sie analysieren und wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen kann. Dann, wenn sich dieses Gefühl von Zufriedenheit breit macht, darüber, dass man ein klein wenig gewachsen ist im eigenen Dasein, im eigenen Denken.

Ganz von allein schleichen sich so viele Streitthemen ein, die es vorher nicht gab.

Doch es scheint geradezu so, als würde das Elternsein sogar unsere Streitkultur beeinflussen. Ganz von allein schleichen sich plötzlich so viele Themen ein, die es vorher nicht gab und die nur von Eltern-Instinkten gesteuert sein können. Plötzlich geht es ums Überleben, um Existenz und das, was man dem Kind bieten kann. Es geht ums Aufbauen für die Kleinen und das Dafür-bezahlen mit kostbarer Zeit. Es geht ums Rechthaben und Im-Unrecht-sein, um Aufgabenverteilungen. Um überholte Rollenbilder, die einen einholen und um fehlende Freizeit. Es geht ums Gut-gehen und ums Schlecht-Kommunizieren. Ja, plötzlich hat man so viel Neues in diesem Leben, worüber man streiten kann.

Und obwohl sich die Streite als Eltern häufen und sie manchmal richtig arg nerven, liebe ich sie nach wie vor. Denn sie sorgen dafür, dass man nicht stehen bleibt in der eigenen Entwicklung. Sie fordern das eigene Denken, die eigenen Argumente, das eigene Sein. Sie bringen mich weiter und helfen mir zu wachsen, als Mensch. Und wenn es anfangs vielleicht so scheint, als würden sie einen großen Keil zwischen uns treiben, wachsen wir mit ihnen doch auch als Eltern. Und als Paar.

Deshalb höre ich von nun an ganz einfach auf zu jammern über fehlende Zeit zu zweit. Es ist eben, was es ist, das weiß die Liebe schon lange. Und deshalb begnügt sie sich bei uns für den Augenblick auch mit den Eltern-Streiten, die mich in Momenten fehlender Zweisamkeit immer wieder mit so vielen verschiedenen Gefühlen erfüllen. Und uns himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt immer wieder ein Stückchen näher zueinander bringen, auch ganz ohne Zweisamkeit.

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