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Es riecht nach Vorfreude im alten Kellergewölbe. Die Steinmauern geben dem Raum eine urige Atmosphäre, das gedämmte Licht steigert die Spannung. Die kleinen runden Tische stehen angeordnet wie in einem Café, um sie herum sitzen die Zuschauer, vor ihnen ein Glas Sekt, und plaudern miteinander. Es fühlt sich ein bisschen so an, als säße ich in meinem Wohnzimmer. Nur sitze ich eigentlich im Bozner Kleinkunsttheater Carambolage. Im Unterschied zum Stadttheater Bozen ist die Carambolage-Bühne nur vier mal vier Meter groß, und wenige Künstler finden darauf Platz. Auch die Saalkapazität ist hier mit maximal 99 Zuschauer bescheidener. Aber auch ungezwungener: Vor der Aufführung bestellen die Besucher kleine Imbisse und Getränke und genießen sie dann während der Vorstellung.
All das sind typische Eigenheiten von Kleinkunsttheatern, weiß der Geschäftsführer der Carambolage Martin Bampi. Dadurch komme es auch mal vor, mit einem Fremden am Tisch zu sitzen: „Im Laufe des Abends kommt man sich dann irgendwie näher”. Und Nähe ist für Kleinkunsttheater ein wichtiges Stichwort, die besteht nämlich auch zwischen Künstler und Publikum. „Was häufig für eine knisternde Atmosphäre sorgt”, schwärmt Bampi.
Nach einer Weile treten vier Schauspieler hinter dem Vorhang hervor. Der Pianist beginnt mit einem fröhlichen Lied, das den Beginn der Show ankündigt. „Für die erste Szene brauchen wir ein Gefühl. Gebt uns ein Gefühl!“, ruft eine der Schauspielerinnen in das Publikum. Aus allen Ecken erklingen Vorschläge: „Liebe! Ekel! Traurigkeit!“ Die Schauspieler schnappen sich die Traurigkeit, und beginnen, mit diesem Gefühl eine Szene zu improvisieren. Ein Mann tritt in die Mitte der Bühne, verzieht sein Gesicht zu einer schmerzverzehrten Maske. Auch die Musik im Hintergrund schwingt um, die Tönen werden melancholischer, umrahmen die Trauer des Schauspielers und verstärken das Mitleid beim Zuschauer.
Das Improvisationstheater ist ein fixes Element auf dem Spielplan der Carambolage. Einmal im Monat improvisiert das Improteam Szenen ohne vorgeschriebenen Text, nur anhand einiger Vorgaben der Zuschauer. „Improtheater ist der Inbegriff für Kreativität auf der Bühne – ein wichtiges Leitmotiv, das sich die Carambolage auf ihre Fahne geschrieben hat“, erklärt Geschäftsführer Bampi. Neben den Improshows, zeigt die Carambolage auch Kabarett, organisiert Musikabende und Poetryslams. Die Stücke sollen aber nicht nur unterhalten, sondern auch Kritik üben an Gesellschaft und Politik, meint Bampi: „Unsere Theater-Eigenproduktionen sind vorwiegend Stücke von zeitgenössischen Autoren, die aktuelle Themen behandeln. Themen, die uns unter den Fingernägeln brennen und am Puls der Zeit liegen.“
Die Wohnzimmeratmosphäre hat aber ihren Preis. Nicht nur die räumlichen, auch die budgetären Kapazitäten sind in einem Kleinkunsttheater begrenzt. Das führt dazu, dass nur solche Stücke gezeigt werden können, die mit sehr wenigen Personen spielbar sind. Renommierte Künstler können meist nicht eingeladen werden.
Bampi erinnert sich deshalb gerne an den Auftritt des damals noch unbekannten Comedians Bülent Ceylan im Jahr 2002, als das Kleinkunst-Handicap der Carambolage noch zum Vorteil wurde: „Der Comedian meinte damals im Scherz zu uns, dass er immer wieder gerne in die Carambolage kommen würde, auch dann, wenn er einmal eine große Fernsehkarriere machen würde.” Mehrere Jahre später, nachdem er in der Tat eines der bekanntesten Comedy-Gesichter Deutschlands geworden war, meldete sich Ceylans Agentur überraschenderweise bei Bampi. Bülent hatte sich an sein damaliges Versprechen erinnert und trat erneut in der Carambolage auf. Drei Abende lang, die natürlich alle ausverkauft waren.
Für große Produktionen ist die kleine Bühne der Carambolage somit nichts. Dafür kann sich ein Kleinkunsttheater Experimente mit künstlerischen Neuheiten und Nischenstücken leisten. „Wir backen kleinere Brötchen, die dafür umso herzhafter schmecken können“, so drückt es der Geschäftsführer des Theaters aus.
Dass die Kleinkunst aus der Kulturszene Bozens nicht wegzudenken ist, zeigt auch die Geschichte der Carambolage. Seit 1989 trat die Gruppe “Kleinkunstszene Bozen” ohne festen Spielsitz beim Sommerfestival Cabarena im Museum für Moderne Kunst auf. Die Gruppe hatte großen Erfolg und spürte, dass Bozen ein fixes Theater braucht, das ganzjährig ein Kleinkunstprogramm anbietet. Nach längerem Suchen stieß man auf ein altes Eisenwarenlager. 1996 wurde genau dort dann die Carambolage aus der Taufe gehoben: ein Ort, in dem das freie Zusammenspiel künstlerischer Kräfte herrschen sollte. Der passende Name für das frischgebackene Kleinkunsttheater war deswegen bald gefunden, erzählt der Geschäftsführer: „Der Name sollte das kreative Potential dieses Ortes zum Ausdruck bringen. Und plötzlich stand der Name Carambolage im Raum – ein Begriff fürs Aufeinandertreffen und Zusammenstoßen.“
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