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Magdalena Jöchler
Veröffentlicht
am 18.06.2014
LebenGewalt im Alltag

Wenn wir uns weh tun

Veröffentlicht
am 18.06.2014
Seit es den Menschen gibt, gibt es Gewalt. Sie verletzt und fasziniert uns zugleich. Doch wie alltäglich ist sie in Südtirol?
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Gewalt tut weh, Gewalt löst Revolutionen aus und Gewalt fasziniert uns. Genauso wie Hunger, Durst oder der Sexualtrieb gehört Gewalt zum Menschen dazu. Geht es nach dem Naturrecht, das dem Menschen noch vor den Gesetzen Rechte zugesteht, ist Gewalt ein Recht, wovon man zu gerechten Zwecken Gebrauch machen darf. Unsere Rechtsordnung sieht hingegen vor, dass Gewalt ein Monopol des Staates ist und verbietet sie dem Einzelnen. In seiner Kritik der Gewalt (1920–1921) unterscheidet der deutsche Philosoph Walter Benjamin zwischen der rechtserhaltenden Gewalt, etwa durch die Polizei, und der rechtssetzenden oder rechtskritischen Gewalt. Letztere äußert sich in Demonstrationen bis hin zu Revolutionen mit dem Ziel, eine Rechts- oder gar Systemveränderung herbeizuführen. Für den französischen Philosophen Marc Crépon kann Gewalt in diesem Zusammenhang gar die Ordnung stiftende Unordnung sein. „Auf jeden Fall gibt es keine Ordnung, die nicht auf Gewalt gegründet wäre“, sagte Crépon gegenüber dem Fernsehsender Arte.

Was ist Gewalt?

Nun hat nicht jeder Gewalttäter das Ziel eine Revolution zu starten. In unserer Serie zum Thema Gewalt beschäftigen wir uns mit alltäglicher Gewalt. Darunter fallen physische, psychische, soziale oder ökonomische Gewalt. Aber ab wann handelt es sich um eine Gewalttat? Für Lukas Schwienbacher vom Forum Prävention ist entscheidend, ob eine Tat bewusst begangen wird: „Gewalttätig ist ein Mensch dann, wenn es ihm ganz bewusst darum geht, einen anderen Menschen physisch oder psychisch zu schädigen.“ Unabsichtliches Anrempeln, auch wenn sich die andere Person dabei verletzt, gehört dementsprechend nicht dazu. Ausschlaggebend für die Unterscheidung in Gewalt oder ein unabsichtliches Anrempeln ist nicht zuletzt auch das Empfinden des Opfers. „Besonders bei psychischer Gewalt“, so Schwienbacher, „fällt eine Definition oft schwer. Auch wenn jemand mobbt, kann es sein, dass dem Täter nicht bewusst ist, wie sehr die Beleidigungen das Opfer verletzen.“

Werden wir gewalttätiger?

Geht es nach den Zahlen der Straftaten und damit nach den zur Anzeige gebrachten Gewalttaten, sind wir in den letzten Jahren öfter gewalttätig geworden. Wurden 2011 in Südtirol noch 15.005 Straftaten begangen, so waren es im Jahr darauf 16.768 und damit um 11,7 Prozent mehr – über die Hälfte der Anzeigen sind Diebstähle. Damit liegt Südtirol, wie auch schon in den Jahren zuvor, hinter dem Trentino und dem italienweiten Durchschnitt. Bei der Interpretation der Zahlen mahnt Lukas Schwienbacher vom Forum Prävention aber zur Vorsicht. „Wenn viele Frauen ein Frauenhaus kontaktieren, ist das zwar ein Hinweis darauf, dass es viel Gewalt gibt, das heißt aber nicht, dass es einen kausalen Zusammenhang mit dem Anstieg von Gewalt gibt.“

Vor allem Gewalt in der Familie ist immer noch ein großes Tabuthema, die Dunkelziffer deshalb umso größer. „Wenn man die physische und die psychische Gewalt zusammennimmt, kann man sagen, dass ein sehr großer Teil der Gewalt im familiären Bereich beziehungsweise im nahen familiären Umfeld stattfindet“, sagt Schwienbacher. Unabhängig von strafrechtlichen Gewalttaten muss die Einstufung in Gewalt und Gewaltlosigkeit im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen betrachtet werden. In den vergangen Jahrzehnten sind wir gegenüber Gewalt sensibler geworden. Was früher noch als „g’sunde Watschn“ abgetan wurde, kann heute ernsthafte Konsequenzen haben, die Ranglerei am Dorffest ruft schneller die Polizei auf den Plan.

Warum fasziniert Gewalt?

Auch wenn wir selbst nicht gewalttätig sind, zugeschaut hat wohl jeder von uns schon einmal. Egal ob Videos von öffentlichen Hinrichtungen, Boxkämpfe, Horrorfilme oder Ego-Shooter-Videospiele – der Darstellung von Brutalität können oder wollen wir nicht ausweichen. Also schauen wir hin oder spielen mit. Im letzten Jahr wurden weltweit 66 Milliarden Dollar mit Videospielen eingenommen, in 85 Prozent der verkauften Spiele kommt Gewalt vor. Forscher von der University of Wisconsin-Stout haben herausgefunden, dass Gewaltdarstellung auf Männer stimulierend und leistungssteigernd wirkt, bei Frauen löst sie hingegen eher Stress aus. Dass wir irgendwann in einer gewaltfreien Gesellschaft leben, gilt als genauso utopisch, wie dass dem Menschen irgendwann Flügel wachsen. „Gewalt hat es immer schon gegeben und wird es wahrscheinlich auch immer geben. Die zentrale Frage ist deshalb, wie man sie reduzieren kann“, sagt Lukas Schwienbacher vom Forum Prävention.

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