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Heidelberg, Bologna, Wien, Innsbruck, München. Wenn junge Menschen an Studentenstädte denken, dann wohl an diese und an die wilden Partys, die vielen neuen Bekanntschaften, das aufregende Kultur- und Freizeitangebot und last but not least, charismatische Hörsäle mit schrulligen Professoren.
Mit Unistädten verbindet man entweder eine lange Tradition oder Studentenmassen, die das Stadtbild prägen. Südtirols Unistädte Bozen, Brixen und Bruneck haben von beidem wenig. In den Ohren der angehenden Studenten klingt Berlin immer noch verlockender als Bozen, Innsbruck besser als Brixen und Bologna aufregender als Bruneck. Zu Hunderten verlassen die jungen Südtiroler deshalb jedes Jahr das Land in alle Himmelsrichtungen, 971 von ihnen inskribierten sich 2011/2012 an italienischen Hochschulen, 923 taten dasselbe in Österreich.
Südtirol hat eine noch relativ junge Unitradition. Älteste akademische Institution ist die Philosoph-Theologische Hochschule in Brixen, ihre Geschichte geht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Mit studentischem Leben füllte sich Südtirol, und da vor allem Bozen, aber erst mit der Gründung der Freien Universität Bozen im Jahr 1997.
Dennoch, das studentische Leben scheint in Südtirol nur sehr langsam in Schwung zu kommen. Studentenrabatte sind mehr Ausnahme als Regel, Lokale in der Innenstadt sperren zu, wenn Studenten erst richtig in Stimmung kommen würden. Handel und Gastronomie scheinen auf die neue Zielgruppe noch nicht wirklich aufmerksam geworden zu sein.
Andere Städte haben längst gelernt, wie man von Studenten profitieren kann. Die Stadt Wien ließ 2013 den Wirtschaftsfaktor der Studenten erheben und kam zum Ergebnis, dass die Hochschulen der Stadt jährlich 2,29 Milliarden Euro an Wertschöpfung bescheren. 1,8 Milliarden davon allein durch die Ausgaben der Studenten.
In Studentenstädten wie Wien machen die Studenten nicht selten zehn Prozent der Bevölkerung aus. Würden alle 2.436 Studenten, die an den Hochschulen in Bozen studieren auch dort leben, würden sie lediglich 2,3 Prozent der Bozner und Boznerinnen ausmachen. Rechnet man die vielen Pendler mit ein, werden es tatsächlich aber noch weniger sein.
Mehrsprachig und interkulturell sind Schlagworte, die die Uni Bozen nicht müde wird zu wiederholen. International kann sie damit durchaus punkten: 17 Prozent der Studenten und mehr als ein Viertel der Professoren und Forscher kommen aus dem Ausland. Die Studenten kommen aus 41 verschiedenen Nationen, vorwiegend aber aus dem deutschen Sprachraum. Aktuell machen 132 Erasmus-Studenten die Uni und die Stadt noch bunter und internationaler.
Ein zentrales Ziel der Uni Bozen ist es, zu gleichen Teilen in drei Sprachen zu unterrichten: Englisch, Deutsch und Italienisch. So wie es aussieht, gelingt das nicht immer. In einer Festrede anlässlich der Eröffnung des akademischen Jahres 2013/2014, bemängelten drei Studentenvertreter, dass bis vor wenigen Jahren 60 Prozent der Kurse an der Wirtschaftsfakultät in Englisch und jeweils 20 Prozent in italienischer und deutscher Sprache abgehalten wurden, mittlerweile würde es aber nicht selten vorkommen, dass neun von zwölf Prüfungen in italienischer Sprache abgehalten würden.
Neben dem mehrsprachigen Unterricht wissen die Studenten vor allem auch das Betreuungsverhältnis sehr zu schätzen: Laut dem CHE-Hochschulranking kommen im Studiengang BWL auf einen Professor 28 Studenten, die Uni Bozen hat damit Schulcharakter. An der angesehenen Uni Passau müssen sich im selben Studiengang 79 Studenten einen Professor teilen.
Weniger rosig sieht es am Wohnungsmarkt aus: Mit Mieten zwischen 350 und 450 Euro für ein Zimmer ist Bozen zwar nicht außergewöhnlich teuer, spielt aber trotzdem im höheren Preissegment mit. Zum Vergleich: Während die Quadratmeterpreise für Mietimmobilien in Bozen zwischen 12 und 17 Euro liegen, kostet ein Quadratmeter in Innsbruck durchschnittlich 9 bis 12,7 Euro.
Günstiger ist ein Zimmer in einem der zehn Studentenwohnheime, mit 260 Euro ist man dabei. Um dort Unterschlupf zu finden, sollte man sich aber schon früh genug darum bemühen. „Wartezeiten von fünf Monaten sind keine Seltenheit, erst dann weiß man, ob man überhaupt einen Heimplatz kriegt“, sagt Laura Speicher von der Südtiroler HochschülerInnenschaft und selbst Studentin an der Uni Bozen.
Das halbwegs kosmopolitische Flair der Hauptstadt lasst man hinter sich, wenn man sich auf den Weg nach Brixen macht. Eine halbe Stunde Zugfahrt von Bozen findet man sich vor einem verglasten Betonblock wieder. Wer hier am Rande der schmucken Innenstadt studiert, kommt fast sicher aus Südtirol und möchte später einmal als Kindergartenpädagoge, Grundschullehrer oder Sozialarbeiter arbeiten – es sei denn, man studiert Theologie.
Ebenso hinter sich lässt man den größeren Wohnmarkt von Bozen. Zwar studieren in Brixen insgesamt 1.669 Studenten, Wohnheime gibt es hier aber nur drei. Immerhin besser als in Bruneck, dem dritten Unistandort. Dort kommt derzeit auf 292 Studenten kein einziges Heim. Von der Webseite der Uni wird man aber praktischerweise direkt an den Tourismusverband Bruneck verwiesen.
Der Großteil der Studenten in Brixen und Bruneck ist, gezwungen oder freiwillig, Pendler. Laura Speicher studiert in Brixen und hat eine Zeit lang auch dort gewohnt. Mit der lokalen Bevölkerung und anderen Studenten in Kontakt zu kommen, war für sie nicht einfach. „Sich für das Wochenende oder den Abend zu verabreden ist schwierig. Viele verlassen die Vorlesung schon zehn Minuten vor Schluss, um nicht eine halbe Stunde auf den nächsten Zug warten zu müssen“, erzählt sie von ihrer Zeit in Brixen.
Luxusinfrastruktur auf der einen Seite, maues Studentenleben auf der anderen Seite. Konrad Bergmeister, der Präsident der Freien Universität Bozen, selbst, soll laut dem Wochenmagazin ff vor drei Jahren gesagt haben, dass er seine Kinder nicht an eine Uni in Südtirol schicken würde. Vor allem in Brixen gäbe es zu viele hohe Noten, zu wenig Professoren vor Ort, Studenten, die nicht vor Ort wohnen würden, und kein Studentenleben. Warum sich die Kinder anderer Eltern dennoch für Südtirol entscheiden und ob sie mit ihrer Entscheidung zufrieden sind, könnt ihr in den nächsten Tagen hier bei BARFUSS nachlesen. Wir haben Studenten aus dem In- und Ausland für einen Tag lang begleitet und Eindrücke gesammelt.
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