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Kein Fleisch, kein Zucker, keine gekochten Mahlzeiten. Keine Milchprodukte, kein Getreide, keine Eier. Verbote, die das Leben unserer Generation zieren. Der Wahnsinn, der sich um Essen, Fitness und unsere Körper dreht, ist kaum zu bremsen. Wenn uns vor einigen Jahren noch Magersucht und Bulimie schockierten, gibt es nun bereits eine neue Form der Essstörung. Darf ich vorstellen: Orthorexia nervosa. Krankhaftes Gesundessen.
Mich wundert es jedenfalls nicht mehr, dass solche Phänomene noch und nöcher aus der Erde schießen. In Zeiten, in denen Skelette die Mode vorführen, die wir im Alltag tragen und wir beim Zappen durch die Fernsehlandschaft ständig auf Modelshows stoßen, in denen uns krankhaft misslungene Schönheitsideale vorgeführt werden.
Wenn Michelangelos Eva noch mit Brüsten und einem wohlgeformten Hintern die Sixtinische Kapelle ziert, zieren unseren Alltag hervorstehende Schlüsselbeine und eingefallene Arschbacken. Unsere Schönheitsideale sind inexistent. Wortwörtlich. Was wir nämlich schön finden, ist Luft. Luft in Form von Körperkulten wie der „Bikini Bridge“ und der „Thigh Gap“. Sogenannte „Lücken”, die entstehen, wenn Mädchen im Bikini auf dem Rücken liegen und ihre Hüftknochen so weit hervorstehen, dass ihr Höschen gespannt wird bzw. den Abstand zwischen weiblichen Oberschenkeln benennen. Für beides gilt: Je größer, desto schöner. Willkommen Schönheitsideal 2014.
Sollte doch einmal ein normalgeformtes Mädchen, wie neulich Myla Dalbesio eine Kampagne der großen Modemacher ergattern, dann wird sie von den Medien prompt als „Plus-Size“ abgestempelt. Klar, sie ist lückenlos. Also Übergröße. Für Größe 40.
Mehr als ungerechtfertigt, wie ich finde. Schaut man sich die Figur der 27-Jährigen nämlich an, fragt man sich wirklich: Sind wir noch normal?
Myla hat einen Busen, einen Hintern und Oberschenkel. Alles wohlstgeformt und eigentlich genau das, was man sich unter einem normalen Körper vorstellt, wollte man kategorisieren. Doch weil Untergewichtige für unsere Kleidung werben, müssen sich Durchschnittsmädchen als „Plus-Size“ bezeichnen lassen. Eine traurige Realität, in der ich mich zugegebenermaßen selbst oft gefangen fühle. Durch die ständige unterbewusste Magerreizüberflutung fängt man nämlich gerne an, sogar an seinem Normalgewicht zu zweifeln. Hie und da Kilos zu viel zu sehen, die eigentlich zu einem gesunden Körper dazugehören.
Verzicht und Verbote sind gänzlich unideale Ideale.
Kein Wunder, wenn das Ideal bedeutet, dass es zum Frühstück-, Mittag- und Abendessen nur Apfel-Sellerie-Gurke,- oder Rhabarber-Zitrone-Ingwer-Saft gibt. Und wenn „sich gesund ernähren“ bedeutet, jede Mahlzeit zu wiegen, Kalorien zu zählen oder aufgrund von irgendwelchen Essensmodeerscheinungen gar auf die Hälfte aller Nahrungsmittel zu verzichten. Hier läuft was falsch. Krankhaftes Gesundessen bedeutet noch lange nicht, gesund sein. Und Knochen anstatt natürlicher Rundungen zu zählen auch nicht. Verzicht und Verbote sind also gänzlich unideale Ideale.
Was wir stattdessen groß in unserem Lebenslernplan anmarkern sollten, ist ausgewogene Ernährung, regelmäßiger sportlicher Ausgleich und ein gesundes Körperbewusstsein. Kamerablitze und Scheinwerferlicht sollten endlich auf die richtigen Körper fallen und Essen sollte lieber gegessen werden als gepostet.
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