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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 21.04.2016
LebenMarlinger Goasslschnöller Verein

Schnölln tuat’s

Veröffentlicht
am 21.04.2016
Einmal pro Woche knallt es in Marling. Dann trifft sich Groß und Klein, um eine uralte Südtiroler Tradition zu bewahren: das Goasslschnölln.
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Nur ein Teil der Marlinger Goasslschnöller.

Ein hallender Knall. Dann noch einer. Im Umkreis von einem Kilometer ist er zu hören, der Überschallknall. Tatwaffe: die Goassl, eine Art Peitsche bestehend aus einem Holzstiel und einem langen Garn oder Leder vorne dran. Verursacher: die Marlinger Goasslschnöller, ein 2004 gegründeter Verein und nur eine von insgesamt 40 Gruppen in ganz Südtirol. Alle vereinigt unter dem 1978 gegründeten Landesverband der Südtiroler Goasslschnöller.

Wenn es die Marlinger Dorfbewohner knallen hören, erschrecken sie schon lange nicht mehr. Dann wissen sie, heute trainieren die Goasslschnöller wieder. Sieben Männer und zwei Frauen stehen auf der schmalen Wiese zwischen Recyclinghof Marling und der Schnellstraße MeBo, schwingen die Goassln über ihre Köpfe und lassen sie laut im Wind knallen. Jeden Mittwoch vom Beginn bis zum Ende der Sommerzeit treffen sich die Vereinsmitglieder um acht Uhr abends, um an ihrer Technik mit der Goassl zu feilen.

Andrea, Matthias, Patrick und Biggi.

Tradition und Proportion

Es ist windig. Fast schon zu windig zum Goasslschnölln. Die Gefahr sich mit der Goassl zu verletzen, ist dadurch größer. Dennoch schnöllt die Truppe immer, sofern es nur irgendwie möglich ist. Mit dabei ist heute wie jede Woche der 36 Jahre alte Obmann des Vereins Matthias Waldner.

Er hat alle seine drei Goassln mit dabei. Jede ist unterschiedlich und kostet zwischen 100 und 200 Euro. Heute nimmt er die lange, schwere aus Kastanienholz und Garn. Damit es laut knallt, meint er. Denn je länger eine Goassl, desto lauter der Knall. „Welche Goassl man sich anschafft, entscheiden die persönlichen Vorlieben“, sagt Waldner. „Aber die Proportionen müssen stimmen.“ Es gibt kurze und lange, harte und weiche. Der Stiel ist in zwei Schichten aufgebaut. Innen ein Fuhrmannstiel aus Pappelholz, außen gedrehte Ruten aus Lärche, Kastanie oder Weide. Daraus verläuft ein geflochtenes Seil aus Garn oder Leder. Und am vorderen Ende ist ein 30 bis 50 Zentimeter langer „Schmitz“ geknotet – meist ein rosafarbenes Baumwollband. Es franst bei jedem Knall ein bisschen aus. Würde es fehlen, würde das Schnölln die Goassl mit der Zeit beschädigen. Die Marlinger schwören auf Seide bei ihrem Schmitz. Der Tradition wegen, sagen sie. Den Laufmeter lassen sie sich dann auch 8,50 Euro kosten.

… und sorgt dafür, dass die Goassl beim Schnölln nicht beschädigt wird.

Obwohl Waldner mal einen Goasslmachkurs belegt hat, überlässt er lieber den Profis dieses Handwerk. Er habe dafür keine Geduld. Und es sei schwer an die Geheimnisse der „Goasslmocher“ zu kommen. In Passeier, Algund und Meran gibt es heute noch drei, die die alte Technik beherrschen. „Das Problem ist heute, eine runde lederne Goassl zu bekommen“, sagt Waldner. Es gibt noch einen in Sarntal, 86 Jahre alt, der die Tradition beherrscht. „Er will sein Handwerk aber niemandem verraten“, bedauert Patrick Platter. Der 26-jährige ist von Anfang an bei den Goasslschnöllern Marling dabei. „Das Beste war, dass uns die älteren überall hin mitgenommen haben“, sagt er und lacht. Mit 14 Jahren hat er mit einer 3,20 Meter langen Garn-Goassl mit weichem Stiel aus Kastanie angefangen. Heute hat er eine 3,70 Meter lange aus Lärchenholz. „Ein larchiger Typ braucht eben eine larchige Goassl“, sagt er grinsend. Das Garn schmiert er regelmäßig mit einem „Lergetstein“ ein – einer harten Masse ähnlich einem Stein, geformt aus Lärchenpech, Ruß und Walderde. Das macht jeder so. Früher wurde nur „Lerget“, Lärchenpech, verwendet. Darüber kam Ruß. Heute sind die selbstgemachten Lergetsteine üblich. Platter wachst seine Goassl zusätzlich noch, damit sie besser aussehe, sagt er.

Als er mit Goasslschnölln angefangen hat, hat er sich noch recht viele Striemen und blaue Flecken eingefangen gibt er zu: „Weil es uns keiner richtig beigebracht hat.“ Heute weiß er genau, worauf es ankommt und wie er Neulingen das Schnölln beibringt. Zuerst wird der richtige Schwung und die Technik gelernt, dann erst könne man darauf hinarbeiten, dass es auch schnöllt, also der Überschallknall entsteht. Inzwischen sind 15 Mitglieder des Vereins auf der kleinen Wiese zusammengekommen und einige Kinder. Mal abwechselnd, mal zeitgleich lassen neun von ihnen ihre Goassln im Wind schnöllen.

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Goassl statt Smartphone

Früher diente die Goassl zum Treiben vom Vieh und zur Verständigung auf den Almen. Ein bestimmter Knall bedeutete „Essen ist fertig“, ein anderer „ein Unfall ist passiert“. Dank Mobiltelefonen ist diese Art der Kommunikation überflüssig. Heute schnöllt man meist nur noch, um die Tradition und das alte Brauchtum zu wahren: an Kirchtagen, auf Festen, bei Märkten oder Almabtrieben.

Und immer öfter auch auf Wettbewerben. Die Marlinger Goasslschnöller fahren etwa zu Wettbewerben ins Passeiertal, Eisacktal und Ötztal und auf die Südtiroler Landesmeisterschaft. Auf einem abgesteckten Feld müssen die Teilnehmer eine halbe Minute lang die Goassln schnölln lassen. Meist zu zweit, zu dritt oder zu viert. Sieben Juroren achten auf Takt, Lautstärke und Haltung. Vergangenes Jahr holte sich der Verein den dritten und 12. Platz in verschiedenen Kategorien. „Wir sind nicht die Besten. Aber wir machen nicht mit, um zu gewinnen, sondern um eine Hetz zu haben“, sagt Waldner. „Und um das Goasslschnölln weiterzubringen.“

Aus diesem Grund entstand vor zwölf Jahren der Verein. Ein paar Marlinger sahen auf dem Vigiljoch Goasslschnöller und wussten: Diese Tradition wollen auch sie fortführen. Heute zählt der Verein 40 Mitglieder und das Vereinsziel ist noch immer: Spaß haben und so vielen Leuten wie möglich die Südtiroler Tradition beibringen. Das jüngste Mitglied ist zurzeit der achtjährige Johannes, das älteste Luis mit 85 Jahren.

Nicht nur die Männer schnöllen hier begeistert mit, auch fünf Frauen sind aktiv. Zwei von ihnen sind Birgit „Biggi“ Heinisch und Andrea Hirber. Sie sind vor fünf Jahren durch ihre Partner zum Goasslschnölln gekommen. „Anfangs bin ich nur mitgegangen, dann habe ich es mal probiert“, sagt Hirber und ist begeistert. Das war aber nicht immer so, denn in der Zeit, in der es nicht klappt, sagt sie, sei es sehr mühsam. Heute feilt sie nur noch an den Feinheiten. Verbessern könne man sich immer.

Bei Heinisch hat es bald geklappt. „Aber es hat anfangs einfach Scheiße ausgesehen“, sagt sie offen und lacht. Mit der Zeit sah es immer besser aus. Heute stehen beide den Männern in nichts nach. Und damit das so bleibt, üben sie weiter. Auch der Älteste, um nicht aus der Übung zu kommen. Luis legt vor dem Schnölln erst mal seinen olivgrünen Filzhut ab, dann nimmt er seine Goassl, eine „Originale“ aus reinem Birkenholz, fest in beide Hände und beginnt sie zu schwingen. Und wieder knallt der Schmitz im Takt.

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