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Veröffentlicht
am 16.09.2022
LebenStraßenzeitung zebra.

Rote Rosen

Veröffentlicht
am 16.09.2022
Woher kommen die Rosen, die es überall zu kaufen gibt? Und unter welchen Bedingungen werden sie angebaut? In der Sonderausgabe der Straßenzeitung zebra. nähert sich eine Designstudentin auch kreativ dieser Frage.
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Wir finden sie in jedem Blumenladen, an Supermarktkassen und Marktständen. Wenn wir über den Markt schlendern und sie betrachten, dann denken wir nur selten an ihre Herkunft, an ihre Geschichten. Wir denken nicht an tote Fische, verschmutze Gewässer und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Wir denken nicht an die großen Farmen in Kenia, die hauptsächlich um den Naivashasee liegen, nördlich der Hauptstadt Nairobi. Um den See, eine einst atemberaubende, bewachsene Oase, werden heute auf rund 2.000 Hektar Rosen angebaut.

Er ist für Besucher:innen kaum noch zugänglich, denn der See dient als Hauptwasserquelle für den Rosenanbau. Wasser ist unglaublich wichtig für die Qualität und das Wachstum der Rosen und in einem so heißen Land wie Kenia eine knappe Ressource. Durch die vielen unnatürlichen Zusätze und Giftstoffe, die täglich in den See gelangen, wird er eutrophisch, weist also zu viele Nährstoffe auf, wodurch immer mehr giftige Algen und Wasserpflanzen dort wachsen.

Die Fische sterben, die Fischer:innen verlieren ihre Arbeit und unzählige Tiere ihren Lebensraum. 2009, in einer Trockenperiode, hat sich das verschmutze Wasser des Naivashasees rot gefärbt und innerhalb einiger Tage sind rund 90% der Fische in dem See verendet. Hilfe für die Fischer:innen gibt es nicht. Statt zu fischen, müssen sie nun eine andere Möglichkeit finden, um Geld zu verdienen. So wie für die meisten gibt es auch für sie kaum eine Alternative zur Arbeit in der Rosenindustrie. Es wird geschätzt, dass 100.000 Arbeiter:innen direkt in dieser Branche tätig sind und ca. 2 Millionen Menschen indirekt von der Blumenproduktion abhängig sind.

Die Arbeit in den Rosenfarmen ist hart, die Löhne niedrig und die Arbeitsbedingungen prekär. Für den Rosenanbau werden Pestizide verwendet, die in den meisten Ländern verboten sind, weil sie im Verdacht stehen, Krebs zu verursachen und unfruchtbar zu machen. Arbeiter:innen auf den Rosenfarmen berichten von Gewichtsverlust, Atemnot sowie immer anhaltender Müdigkeit, ausgelöst durch die verwendeten Chemikalien. Einige von ihnen haben auch sichtbare Beschwerden wie Hautekzeme durch den ständigen Kontakt mit den Giftstoffen. Oft arbeiten Menschen ihr Leben lang in den Rosenfarmen; nicht, weil sie es möchten, sondern weil es keine Alternativen gibt.

Dafür verdient ein:e durchschnittliche Sprayer:in, die Rosen mit Pestiziden besprüht, pro Monat ungefähr 32,50 Euro.

Dafür verdient ein:e durchschnittliche Sprayer:in, die Rosen mit Pestiziden besprüht, pro Monat ungefähr 32,50 Euro. Das ist ungefähr 1 Euro pro Tag und – egal wie sparsam man das Leben gestaltet – einfach nicht genug. Die meisten Arbeiter:innen müssen außerdem nicht nur sich, sondern auch ihre Familie ernähren. Der Tagesablauf einer Rosenpflücker:in beginnt täglich um ungefähr 8.00 Uhr bei 38 Grad Celsius im Gewächshaus. Die sogenannten Sprayer:innen, die Pestizide sprühen, fangen oft schon früher an. Es sind zumeist Männer, die die giftigsten Pestizide schon in den Morgenstunden sprühen, damit die Pflücker:innen sie nicht abbekommen.

Eine Sprayer:in sprüht jeden Tag ungefähr 9 Stunden lang hochgiftige Mittel auf die Rosen. Eigentlich sind die Pestizide so giftig, dass man das Gewächshaus nach dem Sprühen für ungefähr 6 Stunden nicht betreten sollte. Die Arbeiter:innen können jedoch durch fleißiges Pflücken eine etwas höhere Summe verdienen und pflücken deshalb manchmal sogar während des Sprühens. Nach dem Pflücken kommt das Bouquet binden. Danach werden die Rosen in eine Kühlkammer gebracht, das konserviert die Blumen für ihre weite Reise. Sie werden in große Kisten gepackt und dann in Lastwägen zum Flughafen gebracht. Das alles muss schnell passieren, damit die Rosen kühl und frisch bleiben.

Der Zielflughafen liegt fast immer in Holland, hier werden die Blumen dann entweder direkt weiterverschickt oder auf riesigen Blumenmessen und Märkten präsentiert. Hier sind die Rosen nur noch schön – und ihre Herkunftsgeschichte nicht der Rede wert. Wieso keine Rosen mehr in Europa angebaut werden, ist ganz einfach zu beantworten: Es geht um’s Geld. Die Kosten, um Gewächshäuser zu heizen und zu betreiben, sind hier deutlich höher. So gibt es etwa in Deutschland keine Möglichkeit mehr, mit dem Rosenmarkt aus Kenia mitzuhalten und somit regionale Rosen zu produzieren. Aber auch die Rosenproduktion in Kenia hat einen hohen Preis: den enormen Wasserverbrauch. F

ür den Anbau einer Rose braucht es in Kenia 5 Liter Wasser – pro Blume, in Österreich bspw. braucht man pro Blume 1,5 Liter. Eine Möglichkeit, diesen Kreislauf etwas aufzubrechen, sind Fairtrade-Rosen. Zwar ist der Wasserverbrauch auch hier hoch, aber immerhin wird den Sprüher:innen entsprechende Arbeitskleidung bereitgestellt, ihre tägliche Arbeitszeit ist geringer als die der herkömmlichen Arbeiter:innen und außerdem werden die Gewächshäuser immer dann, wenn mit Giftstoffen gearbeitet wurde, erst einmal für einige Stunden abgesperrt.

Vielleicht denken wir ja daran, das nächste Mal im Blumenladen, an der Supermarktkasse oder am Marktstand. Vielleicht bewundern wir dann nicht nur die Farben und den Duft der Rosen – sondern denken auch an ihre Geschichte. Und vielleicht greifen wir dann auch zu jenen Rosen, die uns zwar mehr, aber die Menschen in Kenia weniger kosten.

Text und Zeichnungen: Theresa Handig

Dieser Text und die Zeichnung sind soeben in der Sonderausgabe der Straßenzeitung zebra. (Nr. 78/September 2022), der uni-zebra., erschienen, die von Designstudenten der Freien Universität Bozen erarbeitet wurde.

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