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Am Graben in Bruneck ist es also zu einer Schlägerei gekommen. Das ist erstmal keine Besonderheit: Jede Stadt, klein oder groß, wird immer mal wieder zum Schauplatz von Randalen und zum Zeugen meist männlicher Gewalt, besonders des Nachts, wenn der Alkoholpegel stimmt. Es war ein Samstagabend also, der 27. Juni, um genau zu sein. Ein 32-jähriger Mann, wohnhaft in Gais, ursprünglich aus Nigeria, wie die Südtiroler Medien gern betonen, hat im alkoholisierten Zustand mehrere Menschen bedroht, Blumentröge und Fahrräder beschädigt. Das weiß man aus Zeugenberichten und Videomitschnitten. In einem der Videomitschnitte, der nach dem Vorfall viral ging, sieht man aber auch deutlich, dass der Nigerianer am Ende vor dem Hotel Post von jungen Pusterern überwältigt wird. Sie treten dem am Boden liegenden Mann noch einmal gegen Kopf und Körper. Nach den Worten „Fick dich du schwuler N****“ reißt das Video ab.
Die Ermittlungen der Carabinieri zum Vorfall sind abgeschlossen, der gewaltbereite Nigerianer wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung angezeigt. Auch vier weitere Personen müssen sich rund um den Zwischenfall vor Gericht verantworten, unter anderem wegen rassistischer Diskriminierung.
Rund um die Medienberichte zum Tathergang kommt es zu einer Diskussion über vermeintliche rassistische Motive dieser Tat. Ulli Mair von den Freiheitlichen weist den Rassismus-Vorwurf entschieden zurück, erklärt ihn sogar zur Täter-Opfer-Umkehr. Dabei sollten uns diese Parolen, die sich gegen den schon am Boden liegenden Schwarzen Mann richten, schockieren – und zwar derartig, dass es überhaupt keine öffentliche Diskussion darüber geben sollte, ob man diesen Vorfall nun als rassistisch abtun muss oder nicht.
Die jungen Pusterer, die den Mann niedergeprügelt haben, werden von vielen in Schutz genommen. Ihr Argument: Der 32-Jährige sei völlig außer Kontrolle und eine Gefahr für seine Umwelt gewesen, die Schlägerei also nur als Reaktion zu verstehen. Und der Brunecker Gemeindereferent Anton Mair unter der Eggen spricht gegenüber unsertirol24.it sogar davon, dass es nicht rassistisch sei, wenn jemand aus Zorn etwas Falsches geschrien hätte. Es sei viel eher um „Verteidigung und Selbstschutz“ gegangen, wird er von der Nachrichtenseite zitiert. Das Gericht, welches rassistische Parolen als Selbstschutz oder Verteidigung anerkennt, muss wohl erst noch erfunden werden.
Dabei verschleiern der Gemeindereferent, die Freiheitliche Ulli Mair und viele andere, die die Pusterer in Schutz nehmen, die eigentliche Debatte: Es geht hier nicht darum, ob ein junger Mann auffällig geworden ist und gestoppt werden musste, sondern darum, dass Weiße Menschen ihn stoppen, indem sie ihn niederstrecken und eben rassistisch beschimpfen.
Vermischt man diese beiden Debatten, wird suggeriert, dass die Schuldfrage eine rassistische Übergriffigkeit legitimieren würde. Als ob ein Schwarzer, der sich eines Vergehens schuldig macht, es nicht anders verdient hätte, als als „N****“ beschimpft zu werden. Es gibt keinen berechtigten Rassismus, auch dann nicht, wenn eine Schwarze Person Gesetze bricht. Rassismus ist und darf niemals berechtigt sein.
Was Bruneck jetzt braucht, ist eine offene Verurteilung rassistischer Übergriffe, keine Relativierungen. Denn jede Relativierung von Rassismus bedeutet, ihm einen Spaltbreit die Tür zu öffnen. Diesen Vorfall relativieren zu wollen bedeutet auch, nicht einsehen zu wollen, dass sprachliche Auswüchse nicht im luftleeren Raum entstanden sind, sondern Spiegel eines Individuums oder einer Gesellschaft sind. Fragliche Aussagen wie die der Pusterer geben ein homophobes, rassistisches Weltbild wieder. Es ist nur dann möglich, jemanden als „schwulen N****“ zu beschimpfen, wenn man die Überzeugung teilt, dass diese gesellschaftliche Gruppe minderwertig ist.
Wir können übrigens an dieser Stelle die Version der Carabinieri übernehmen, die im Motiv des Übergriffes der Pusterer auf den randalierenden Mann eher kein rassistisches sieht. Die jungen Männer wollten den Randalierer außer Gefecht setzen, mit fragwürdigen Mitteln der Selbstjustiz und Gewaltbereitschaft. Das ist aber eine andere Baustelle. Fest steht: Die Schlägerei, die ursprünglich vermutlich keine rassistischen Motive hatte, ist dennoch zu einem rassistischen Übergriff geworden. Und die jungen Pusterer haben ihre vermeintliche Heldenhaftigkeit auf widerliche Art und Weise beschmutzt, indem sie ihre fragwürdige Heldentat in ein menschenverachtendes und diskriminierendes Mäntelchen gehüllt haben.
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