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Eva Schwienbacher
Veröffentlicht
am 25.11.2013
Leben

Psst, die Oma schläft

Veröffentlicht
am 25.11.2013
Ruhig schlafen wollen Anrainer in Merans Altstadt, sich dort ausleben Gäste des Ost-West-Clubs. BARFUSS hat sich beide Seiten angeschaut.
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Nachts zur Sperrstunde in der Meraner Altstadt: Auf Zehenspitzen verlassen nüchterne Nachtschwärmer nacheinander den Ost-West-Club. Sie schleichen schweigend durch die engen, geschichtsträchtigen, tagsüber menschenleeren, nachts unheimlichen Gassen im Steinachviertel. Über Pflastersteine ziehen sie vorbei an Häusern mit friedlich schlafenden Rentnern und am Pfarrhaus, wo der Dekan von braven Schäfchen träumt. Sie freuen sich auf ihr Bett und mehr Kultur in der kommenden Nacht.

Raum für Kultur

Was sich wie eine Gute-Nacht-Geschichte anhört, ist die Wunschsituation der Gemeinde und geplagter Anrainer im Meraner Steinachviertel nach Sperrstunde im Ost-West-Club. Ost-West ist nicht nur ein gewöhnliches Nachtlokal, sondern auch Galerie, Konzerthaus, Theater, Diskussionsraum, Treffpunkt der Kulturen und wenn jemanden noch etwas einfällt, dann auch das. Die neunköpfige ehrenamtliche Truppe des gleichnamigen Vereins bemüht sich um ein abwechslungsreiches Kulturprogramm. „Wir möchten den Leuten im Ost-West-Club Raum geben sich auszuprobieren und etwas Einzigartiges schaffen in Meran“, sagt Michael Schwalt, der 25-jährige Präsident des Vereins.

Freitagabend um 21 Uhr: Vor dem Club lehnen drei Gäste an einem Stehtisch, rauchen und reden. Ihr Lachen ist in diesem engen Winkel der Altstadt schon von weitem hörbar. Von der dunklen Gasse führt eine gläserne Tür hinein in das ebenso spärlich beleuchtete Ost-West. An der Bar im grünen Licht sitzen ein Philosophieprofessor, eine Studentin, ein Architekt, eine zweifache Mutter, ein Hotelier und ein Hauswirtschaftslehrer. Dieser springt sofort auf und schließt die Eingangstür. Damit die Ska-Musik nicht nach außen dringe, heißt es.

„Ciao Bello“, hört man plötzlich den Baristen einem älteren Mann zurufen, der zur Tür hereinkommt. Dieser Schöne sei Stellina, einer der italienischen Stammgäste, erklärt der Barist, dessen Haare zu einem Dutt geknotet sind. Willkommen seien hier Junge und Alte, Deutsche und Italiener, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Herkunft.

An der Klotür kleben Antifa-Sticker und von einer Wand starrt Che Guevara an die Decke des Ost-West-Clubs. Der Verein sehe sich als Bewegung für eine offenere Gesellschaft. Wichtig sei deshalb der „Zigori-Club“, ein monatlicher Diskussionsabend, an dem über gesellschaftsrelevante Themen debattiert wird, etwa mit den Freiheitlichen über Immigration. Ins Stocken gerät Michael, wenn es ums Thema Nachbarn und Ruhestörung geht. Ein Kulturverein habe auch mit Nachtleben zu tun, ärgert er sich. Da bietet es sich an mit den Betroffenen selbst zu sprechen.

Kooperation ist gefragt

Eine Anrainerin kehrt gerade von der Arbeit heim und zupft vor ihrer Haustür an einer Zitronenverbene. Links und rechts schimpfen die Nachbarn, flüstert die Fünfzigjährige. Sie möchte anonym bleiben. Manche Anrainer seien krank, da könne sie die Aufregung noch verstehen. „Aber die Jugendlichen müssen sich irgendwo amüsieren können“, verteidigt sie den Club. Selbst schlafe sie nachts wie ein Stein und höre den Lärm nicht, obwohl ihr Schlafzimmer auf der Club-Seite liegt. Was sie aber doch ärgert, seien morgens der Gestank nach Erbrochenem und Urin sowie Bierflaschen vor ihrer Haustür.

Von der Altstadt wegzuziehen kommt für den Ost-West-Club nicht in Frage, Kultur gehöre ins Zentrum einer Stadt, meint Michael. Selbst in Mitten von Äpfelwiesen, würde der Club jemanden stören. Im Moment stört der Club vor allem Rentner, die direkt darüber und gegenüber wohnen. Schon vor 17 Jahren gab es die ersten Beschwerden über den Lärm des Clubs. So lange hat der Verein seinen Sitz in der Altstadt. So lange schallen Stimmen nachts über die gemauerten Häuserfassaden der schmalen Gasse.

Nein, nicht alle in Steinach haben etwas gegen den Ost-West-Club, auch Meinhard Khuen, Präsident vom Steinachviertelkomitee und selbst gelegentlicher Ost-West-Gast, nicht. Vor kurzem hat er aber im Namen einiger Anrainer eine Vorverlegung der Sperrstunde von eins auf Mitternacht von der Gemeinde gefordert. Er findet, dass die Gäste mehr zusammenwirken, leiser beim Heimgehen sein und an die Anrainer denken sollten.

Jetzt liegt die Forderung der Anrainer bei Merans Bürgermeister Günther Januth. Er möchte „sachliche Erhebungen und Bewertungen durchführen lassen, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Ob eine solche zur Zufriedenheit aller überhaupt möglich ist? Die Gäste müssten einfach mehr Rücksicht nehmen auf Leute, die schlafen wollen, betont Januth. Bei ihm habe es früher auch immer geheißen „Psst, die Oma schläft“.

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