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Zu Beginn sei es sehr schwierig gewesen, erzählt die junge Frau auf der Kinoleinwand. Ihren türkischen Eltern beizubringen, dass sie einen Afrikaner liebe und sogar schon schwanger sei, war eine Aufgabe, die eine ordentliche Portion Mut benötigte. „Ich stand zwischen den Vorurteilen. Mein Mann dachte, mein Vater sei ein typischer, konservativer Türke mit Schnauzbart. Mein Vater stellte ihn sich hingegen mit so einem Bastrock vor, wie er durch den Busch hüpft“, beschreibt die junge Innsbruckerin die schwierige Anfangszeit ihrer Liebe. Angst um ihr Leben hätte sie ihrer Liebe wegen aber nie gehabt, auch das seien solche Vorurteile gegenüber Türken. Das Wort Integration kann die junge Frau schon gar nicht mehr hören. Die gibt es für sie erst, wenn es das Wort nicht mehr braucht. Heute seien ihre Eltern mit ihrer Liebe einverstanden und haben ihren Mann und die zwei Enkelkinder fest ins Herz geschlossen.
Es ist was es ist
Dieses Paar ist eines von fünf bikulturellen Paaren aus Nord- und Südtirol, die sich mir heute Abend auf der Leinwand im Innsbrucker Metropolkino präsentieren. „Es ist was es ist“ – so der Titel der Dokumentation von Eric Bayala. Die binationalen Paare erzählen von ihrem Kennenlernen, ihrem Alltag mit all den Normalitäten und Besonderheiten. Der Grundtenor ist ein positiver. Doch Schwierigkeiten kommen natürlich auch dazu: Eine Argentinierin beschreibt ihr anfängliches Gefühl der Abhängigkeit von ihrem Mann. Zu Beginn sei sie nicht so selbstständig gewesen in diesem fremden Land Tirol, wie es eigentlich ihrem Wesen entspreche. Sie beschreibt ihr argentinisches Temperament und ihre Lebenslust. Die Abhängigkeit von ihrem Mann habe sie schon eingeschränkt.
[[{“fid”:”8447″,”view_mode”:”teaser”,”fields”:{“format”:”teaser”,”field_description[und][0][value]”:”Eric Bayalan”,”field_description[und][0][format]”:”plain_text”,”field_imagesource[und][0][value]”:”Julia Tapfer”,”field_tags[und]”:””},”type”:”media”,”attributes”:{“height”:220,”width”:220,”style”:”width: 220px; height: 220px; float: left; margin: 4px;”,”class”:”media-element file-teaser”}}]]Eric Bayala, der Regisseur des Dokumentarfilms, stammt aus Burkina Faso. Seit zehn Jahren lebt er in Tirol – wie im Film war es auch bei ihm die Liebe, die ihn in die Alpen verschlagen hat. Er hat eine Tirolerin geheiratet und drei Kinder mit ihr. „Der Film ist wie eine Zusammenfassung unserer Beziehung, fast jede Szene kannte ich auch irgendwie“, erzählt der zuvorkommende Mann. Auch seine Familie habe anfangs nichts von seiner Liebe gehalten. „Sie haben sich gewünscht, dass ich eine afrikanische Frau ausgewählt hätte“, sagt Bayala. Die erste Zeit in Tirol war für ihn vor allem wegen der Sprache nicht ganz einfach. Richtig abhängig habe er sich von seiner Frau aber nicht gefunden, er fand schnell eigene Freunde. Mit seiner Frau spricht Bayala Deutsch, ihre gemeinsame „Liebesspache“ ist das Englische.
Fluchen muss man in der Muttersprache
Das sprachliche Problem machte auch der Argentinierin in Tirol zu schaffen. „Schimpfen muss man doch in der Muttersprache!“, sagt die temperamentvolle Frau, deren Beziehung mittlerweile in die Brüche gegangen ist. Wenn sie wütend und aufgebracht war, habe sie ihren Unmut immer in ihrer Muttersprache ausgedrückt. Aus dem Tonfall habe ihr Partner sie dann schon verstanden, sagt die zweifache Mutter und lacht.
Dass kulturelle Unterschiede auch in einer Beziehung beobachtbar sind, zeigt der Film auf sehr einfühlsame und authentische Weise. Eine Japanerin kommt zum Beispiel partout nicht mit der „Pünktlichkeit“ ihres Mannes zurecht. Zu einer Verabredung um acht Uhr erscheine er um acht Uhr. „Das macht mich immer nervös“, sagt die lächelnde Japanerin mit dem gemeinsamen Kind im Arm. In ihrer Kultur sei es üblich, zehn Minuten vor einer Verabredung zu erscheinen. Trotz dieser kleinen Probleme – die Liebe der Paare ist meist stärker.
Der Regisseur Eric Bayala freut sich, dass seine Dokumentation gut ankommt. Bei der Premiere im Juni dieses Jahres waren alle Protagonisten anwesend: „Sie haben sehr positiv reagiert. Für sie war es auch lustig, sich selbst im Kino zu sehen“, sagt Bayala. Auch neben mir sitzen heute Protagonisten und sehen sich den Film an: Ein etwa 13-jähriger Junge verkriecht sich jedes Mal im Sessel, wenn er selbst zu sehen ist. Man sieht sich ja nicht jeden Tag im Kino, das muss sich schon komisch anfühlen, denke ich.
Ganz normale Paare
„Es ist was es ist“ soll sensibel machen gegenüber einer Pluralität der Tiroler und Südtiroler Gesellschaft. Und enthält für Bayala eine sehr zentrale Botschaft: „Binationale Paare sind keine Sonderpaare, sondern ganz normale Paare.“ Mit diesem Gefühl gehe ich auch aus dem Kinosaal. Denn neben den kleinen Reibereien und Problemen in einer binationalen Beziehung, überwiegen doch die Normalitäten.
„Es ist was es ist“ ist der dritte Film vom Verein Sahel Tirol, dem Eric Bayala vorsteht. Er arbeitet schon an Filmprojekt Nummer vier und fünf. Als nächstes ist ein Kurzfilm über eine interkulturelle Studenten-WG in Innsbruck geplant. Er hofft, seinen aktuellen Film „Es ist was es ist" auch in Südtirol zeigen zu können. Ein italienisch-argentinisches Paar, das für die Dokumentation interviewt wurde, lebt nämlich in Brixen. Die Argumentation des Italieners über seine Identität und Zugehörigkeit hat mir zugesagt. Er sieht sich selbst als Weltenbürger. Warum muss man sich auch immer in eine Schublade stecken lassen? Es ist eben, was es ist.
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