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Im ersten Stock im Naturnser Rathaus sitzt in einem länglichen Raum die Gemeindereferentin Barbara Wieser Pratzner geschäftig am Computer. Gleich wird sie die Sitzung des Jugendparlaments Naturns eröffnen. Das Licht leuchtet gelb über dem langen, großen Tisch, Stühle stehen bereit. Zehn Minuten später sitzen zwei Mitglieder am Tisch, plaudern und lachen. Weitere Mitglieder kommen etwas später zur Sitzung hinzu. Unpünktlichkeit ist toleriert. Das JUPA ist für die jungen Leute die Chance, Einblick in die Gemeindepolitik zu erhalten und selbst Ansprechpartner zu sein.
Das Jugendparlament Naturns wurde 2006 initiiert, um den jugendlichen Mitbürgern der Gemeinde politische Partizipation zu ermöglichen. Es ist ein überparteiliches Gremium und hat beratende Funktion. Die Mitglieder des JUPA verfügen über ein jährliches Budget von etwa 8.000 Euro – 5 Euro pro Einwohner unter dem Alter von 25 Jahren. Dieses Geld dient der Jugendarbeit in Naturns und das Jugendparlament vergibt es an Vereine, die dafür Projektanträge einreichen. Wer das Geld letztendlich bekommt, entscheiden die Mitglieder in ihren Sitzungen. Das JUPA wird alle drei Jahre von Naturnser Jungbürgern im Alter von 14 bis 25 gewählt.
„Viele Jugendliche haben im Kopf, dass sie eh nichts ändern können, egal was sie tun.“
Barbara Rechenmacher und Franziska Tschenett traten im Alter von 14 und 15 Jahren ihre erste Amtszeit an. Sie wissen, dass Politik junge Menschen oft abschreckt und verwirrt. Das JUPA bekannter und beliebter zu machen, haben sie trotzdem versucht. Sie standen in Mittelschulklassen, druckten Plakate und organisierten Feiern. Ein Problem sei, dass junge Menschen das eigene politische Engagement oft als vergeblich einordnen bzw. sich selbst im politischen Dschungel überhaupt nicht zurechtfinden, erklärt Franziska Tschenett. Wenn sie etwa mit Freunden über die Landtagswahl gesprochen habe, hätten ihr viele entgegnet, nicht wählen zu gehen, weil sie nicht wüssten, wen sie wählen sollten. „Viele Jugendliche haben im Kopf, dass sie eh nichts ändern können, egal was sie tun“, pflichtet JUPA-Mitglied Barbara Rechenmacher ihrer Kollegin bei.
Politikverdrossenheit stellt für das JUPA eine große Hemmschwelle in der Arbeit mit Jugendlichen dar. Barbara Wieser Pratzner kennt viele Familien, wo die Gesprächskultur beim Schimpfen über Politik stecken bleibt. Eigene Gedanken und Ideen brauche es so nicht. Evelyn Spechtenhauser vom Jugendzentrum JuZe Naturns ist der Meinung, dass die Politikverdrossenheit der jungen Menschen auch mit dem demografischen Wandel zusammenhängen könnte. Bei Wahlkämpfen orientieren sich Politiker oft an den Interessen der großen Masse, der Prozentsatz der Jungen hat sich seit Jahrzehnten verringert. Umso wichtiger sind in einer demokratischen Gesellschaft Initiativen wie die Jugendbeiräte in vielen Südtiroler Gemeinden.
„Ich habe Sitzungen noch nie langweilig gefunden“, sagt Franziska Tschenett. Sie mag das Gefühl, schon im Vorhinein über Projekte und über Bauvorhaben der Gemeinde Bescheid zu wissen. Den JUPA-Mitgliedern steht es wie jedem anderen Naturnser Bürger frei, bei den Gemeinderatssitzungen dabei zu sein und Informationen aus dem Innersten der Dorfpolitik zu erhalten. Zumindest vorgesehen ist nachher eine Fragestunde. Fragesteller gibt es meistens keine.
Auch JUPA-Mitglied Martin Kofler ist froh dabei zu sein. Als 17-Jähriger hat er sonst keine andere Möglichkeit in seiner Gemeinde mitzubestimmen. Ist er volljährig und erhält das passive und aktive Wahlrecht, braucht er eine beachtliche Bekanntheit, um die nötigen Stimmen für den Einzug in den Gemeinderat zu erhalten. Beim JUPA Naturns sind die Chancen für eine erfolgreiche Wahl größer. Martin Kofler fühlt sich gehört.
„Das JUPA hat sich weiterentwickelt. Trotzdem muss man sagen, dass die Partizipation besonders bei den Wahlen weiterhin gering ist.“
Der Ideengeber vom JUPA hat damit sein Ziel erreicht. Denn Zeno Christanell wollte vor allem bei jungen Menschen die Lust an der Politik wecken. Wenn er auf die Entwicklung des JUPA zurückblickt, bricht er allerdings nicht in Lobesreden aus. „Das JUPA hat sich weiterentwickelt und auch immer wieder wichtige Impulse gegeben – wie beispielhaft bei der Debatte um den Nightliner. Trotzdem muss man sagen, dass die Partizipation besonders bei den Wahlen weiterhin gering ist.“
Wie blicken aber ehemalige JUPA-Mitglieder auf ihre Arbeit zurück? Michael Kaufmann ist heute über 30 und Meraner Bezirksobmann der Bauernjugend. In der ersten Amtszeit des JUPA war er dabei. Auch heute findet er die Idee dieses politischen Gremiums für jugendliche Partizipation super. Das Beste sei, wenn sich Jugendliche gegenseitig motivieren, politisch aktiv zu werden. Kaufmann plädiert dafür, dass junge Menschen laut die etablierte Politik kritisieren: „Man sollte sich schneller auf die Füße machen!“ Damit meint er auch die 14-jährigen Schüler in Naturns, die für die nächste JUPA-Wahl kandidieren könnten. In der Mittelschule erhalten sie noch keine politische Bildung. Auf ihrem weiteren Bildungsweg haben sie möglicherweise das Fach Rechts- und Wirtschaftskunde in der Schule. In diesem Fach unterrichten die Lehrpersonen die Jugendlichen zur genauen Funktionsweise des Landtags, des italienischen Parlaments und der EU. Ob und in welchem Umfang Rechts- und Wirtschaftskunde überhaupt gelehrt wird, hängt von der gewählten Oberstufe ab.
Zeno Christanell und Evelyn Spechtenhauser vom JuZe Naturns befürworten deshalb, mit der politischen Bildung schon früher anzusetzen. Kinder und Jugendliche sollten nicht nur über Wettbewerbe und Wissenstests gefordert werden, mehr Zeitungen zu lesen. Diesen Wunsch hat auch der Landesbeirat der Schüler, zu dem Jugendliche aus allen Südtiroler Oberschulen zählen. Politische Bildung an den Schulen müsse ausgebaut werden.
Das JUPA selbst beendet dieses Jahr seine Legislaturperiode. Anfang 2019 werden die neuen Mitglieder feststehen. Noch ist unklar, ob sich genügend Kandidaten für die nächste JUPA-Wahl aufstellen lassen. Sollten sich zu wenige Kandidaten melden, ernennt die Gemeinde Naturns die neuen Mitglieder.
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