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Martin Stampfer ist Präsident des Organisationskomitees vom „Rock im Ring“. Seit 27 Jahren organisiert er das Rittner Rockfestival gemeinsam mit acht Teamkollegen und rund 400 freiwilligen Helfern. Er ist Teil der Aktion #Southtyrolmusicfestivals – ein Netzwerk aus Jugendzentren, Kulturvereinen und Festivalorganisatoren, die gemeinsam die Festivalsaison 2022 geplant haben. Im Interview gibt er Ausblicke auf den Musiksommer und erklärt, was Südtirols Festivalszene so besonders macht.
Die Festival-Saison in Südtirol hat vor wenigen Tagen begonnen. Und das nach zwei Jahren Corona-Zwangspause. Wie ist die Stimmung unter euch Organisatoren, unter den Künstlerinnen und den jungen Leuten im Land?
Die Stimmung ist super! Die Leute sind mega motiviert. Das habe ich deutlich bei den Festivals gespürt, die schon stattgefunden haben, wie das Archetype in Bruneck. Auch über Social Media erhalten wir viel Feedback von Leuten, die sich freuen und ankündigen, bei Rock im Ring vorbeizukommen. Die Aufbruchstimmung ist absolut spürbar.
Hattest du Bedenken, dass die Festivals nicht so stark besucht werden, weil viele Leute nach der Pandemie sich an die Isolation gewöhnt haben?
Jetzt wo Festivals wieder stattfinden, werden sie auch wieder anlaufen. Denn das ist ein Urinstinkt von uns: Wir wollen Leute treffen; wir wollen uns austauschen; wir wollen feiern. Das stellst du nicht ab, auch nicht mit einer Pandemie. Zum Sommer in Südtirol gehören Festivals.
Davon wird es diesen Sommer viele geben: bis Oktober sind über 50 Events geplant, die ihr in einem Festival-Kalender zusammengefasst habt. Welche Highlights dürfen wir uns erwarten?
Ob klein oder groß – jeder ist gleich wichtig und hängt sich mit dem selben Engagement rein. Erwarten könnt ihr euch einen Querschnitt an allem, was Südtirol an Musikern und Musikerinnen zu bieten hat. Auch viele internationale Künstler werden im Land unterwegs sein. Diese Mischung macht’s.
Wer steckt hinter der Aktion #southtyrolmusicfestivals?
Der gemeinsame Nenner der Festivalorganisatoren ist, dass wir alle ehrenamtlich arbeiten. Wir haben uns deshalb vor rund zehn Jahren zusammengeschlossen, um unser Wissen austauschen zu können. Und um die Kirchtürme niederzureißen.
“Die Kirchtürme niederzureißen”, was meinst du damit?
In Südtirol war es früher so, dass jeder auf sich selbst schaute und sich sofort bedroht fühlte, wenn ein anderes Event am selben Wochenende stattfand. Mit der Zeit haben wir gemerkt, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben und Synergien darauf aufbauen können. Seit zwei Jahren ist uns das noch mal mehr bewusst geworden. Seitdem gibt es einen stärkeren Austausch.
Hat die Pandemie zu diesem Bewusstsein beigetragen?
Absolut. Es geht nicht um das eine Festival, sondern um eine Form von Jugendkultur. Als Einzelkämpfer tut man sich schwerer, diese aufzubauen, und das hat die Pandemie nochmal deutlich gezeigt.
Wodurch zeichnet sich die Südtiroler Festivalszene – diese Form der Jugendkultur, wie du sie nennst – aus?
Durch die Vielseitigkeit. Es ist nicht so, wie bei den Kollegen in Nordtirol, wo es viel in die Hip-Hop und Indie-Richtung geht – also das, was man Mainstream nennt – und die restlichen Musikstile ein Schattendasein fristen. Bei uns hat jeder Stil den selben Stellenwert. Der Rocker hat mit dem Hip-Hopper kein Problem, und der Hip-Hopper kein Problem mit dem Elektroniker. Auch das Kleinstrukturierte zeichnet uns aus. Also dass es viele kleine Initiativen gibt, die trotzdem Durchschlagkraft haben und ihr Publikum ansprechen. Speziell ist auch, dass alle Festivals in Südtirol auf die selbe Art zu kämpfen haben.
Wir wollen Leute treffen; wir wollen feiern. Das stellst du nicht ab, auch nicht mit einer Pandemie. Zum Sommer in Südtirol gehören Festivals.
Worum müssen Festivals in Südtirol kämpfen?
Festivals sind laut. Da kommen jungen Leute und machen Casino, in einem Dorf. Das ist in Südtirol nicht gern gesehen. Wir vom Rock im Ring haben lange gekämpft, bis wir eine Größe erreicht haben, die nicht mehr zu leugnen ist und von der selbst die Wirtschaft auf dem Ritten profitiert. Trotzdem wird man immer wieder schief beäugt, und die Klischees gehen los, nach dem Motto: ‘De hoben jo olle griane Hoor und sein drogensüchtig.’ Das ist ein Südtiroler Phänomen, dass man solchen Veranstaltungen und der Jugendkultur sehr kritisch gegenüber steht.
Hat Corona die Festivalkultur verändert?
Beim Archetype-Festival in Bruneck habe ich gemerkt, dass sehr viel Publikum 40+ präsent war. Nach zwei Jahren Pandemie haben sie den sozialen Austausch vermisst und gehen wieder vermehrt auf solche Events. Bei den jungen Leuten beobachte ich: Es gibt viele 15- bis 20-Jährige, die noch nie auf einem Festival waren. Diese Menschen an die Festivalkultur heranzuführen, ist eine neue Herausforderung. Wir als Veranstalter müssen also schauen, dieses Publikum zu erreichen. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen – denn natürlich wollen wir auch Tickets verkaufen. Aber vor allem, um ihnen diese Erfahrung näher zu bringen. Junge Leute brauchen Festivals.
Warum sind Festivals und Musikevents für junge Leute so wichtig?
Das Feeling auf einem Festival ist etwas ganz eigenes, das man mal erlebt haben sollte. Ein Festival ist ein Ort, wo verschiedene Generationen aufeinander treffen. Wo es einen Austausch gibt. Wo man zwei Tage auf einem Zeltplatz übernachtet und gemeinsam eine gute Zeit hat. Man kommt viel leichter ins Gespräch mit Leuten, mit denen man sonst wenig zu tun gehabt hätte. Das ist wichtig, um seine Sturm-und-Drang-Zeit auszuleben. Mit einem Konzert ist das auch nicht zu vergleichen. Denn da gehe ich für eine spezifischen Künstler hin, der meinem Musikgeschmack entspricht, wo ich eine gewisse Erwartungshaltung habe. Auf einem Festival geht es primär darum, musikalisch etwas Neues zu entdecken.
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