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Es ist der Tag der Eröffnung des „African Soul“. Kelly Asemota und Evangelist Stephen Ovbiebu hetzen durch ihr Lokal, bringen neue Speisen heran, räumen Tische ab, plaudern mit Gästen und geben zwischendurch ein Interview. Die beiden sind Leiter von Küche und Service im wohl ersten afrikanischen Restaurant Südtirols. In der ehemaligen Pizzeria „Da Nunzio“ in der Meraner Petrarca-Straße gibt es jetzt „Jollof rice“, „Egusi soup“ und „Pounded yam“, traditionelle Speisen aus der afrikanischen Heimat der beiden Flüchtlinge.
„Das Lokal soll ein Ort der Begegnung sein, einer Begegnung auf Augenhöhe.“
In Merans neustem Restaurant verbinden sich zivilgesellschaftliches Engagement und unternehmerischer Geist, zum Wohle von Flüchtlingen und Einheimischen. Seit Monaten arbeiten Stephen und Kelly gemeinsam mit vielen freiwilligen Helfern an Umbau und Einrichtung des Lokals. Alles mit afrikanischem Touch, bunte Tücher, selbstgebastelte Möbel, viel Farbe. Engagement ist wichtig, denn es geht im „African Soul“ nicht nur ums Essen. „Das Lokal soll ein Ort der Begegnung sein, einer Begegnung auf Augenhöhe“, sagt Isabelle Hansen. Sie ist die treibende Kraft hinter Südtirols erstem afrikanischen Restaurant. Hansen ist Journalistin bei der Tageszeitung „Dolomiten“ und engagiert sich schon seit Langem für die Integration von Asylbewerbern. „Wir möchten nicht nur afrikanisches Essen bieten, sondern auch die Menschen, ihre Kultur und ihr Lebensgefühl zeigen. Die Menschen, die hier arbeiten, sollen stolz sein auf ihr Lokal und ihre Kultur. Wir wollen die afrikanische Lebensfreude weitergeben, die unglaublich ist“, sagt Hansen.
Trägerin des Projekts ist die Sozialgenossenschaft „Spirit“, die eigens zu diesem Zweck gegründet wurde. Angela Wagner ist die Präsidentin der Sozialgenossenschaft. Rund 50 Mitglieder haben mit ihrem Mitgliedsbeitrag im mittleren dreistelligen Bereich Starthilfe gegeben. Die eine, weil sie die Idee gut findet, der andere, weil er eines der Mitglieder kannte, der dritte, weil er selbst mal in Afrika gelebt hat. Dazu kommen die Landesförderung für Genossenschaften und Spenden. Mittelfristig soll sich das Projekt mit den Einnahmen aus dem Gastbetrieb tragen.
Kelly Asemota ist seit zwei Jahren in Südtirol. Er lebte in der Flüchtlingsunterkunft in Prissian und verließ diese, als er Arbeit in einem Restaurant fand und es am Abend keinen Bus mehr nach Hause gab. Seitdem wohnt er in Gargazon und steht auf eigenen Beinen. Die Arbeit im „African Soul“ ist der nächste Schritt, und schon bald soll sein Asylverfahren abgeschlossen sein. Evangelist Stephen Ovbiebu hat das Verfahren schon hinter sich, er lebt seit sechs Jahren in Meran, seine Papiere sind in Ordnung. Über ihre Vorgeschichte wollen die beiden nicht reden. „Es zählen Gegenwart und Zukunft“, blockt Isabelle Hansen die Anfragen ab. „Wir wollen zeigen, was die Menschen können, nicht warum und wie sie hergekommen sind.“
Kleine Anekdoten aus der alten Heimat kommen dann aber doch. Beide haben ihre ersten Erfahrungen in Mutters Küche gemacht. Kelly lernte das Kochen dann in der Restaurantküche eines ghanaischen Hotels, Stephen arbeitete erst in Hotels in Nigeria, dann in Tscherms. Die Begeisterung fürs Kochen merkt man beiden an: Wenn sie stolz die Fotos ihrer Kreationen herzeigen, detailliert über die Zubereitung reden oder auch mal von nigerianischen Spezialitäten erzählen, wie den Afrikanischen Riesenschnecken. Die sind, im Gegensatz zu unseren kleinen Weinbergschnecken, mehr als 20 Zentimeter lang.
Die nigerianische Küche ist die Basis des kulinarischen Angebots, dazu gesellen sich Einflüsse aus ganz Afrika. Die afrikanische Küche ist so vielseitig wie der riesige Kontinent, dreimal so groß wie Europa. Es gibt Yamswurzeln statt unserer Kartoffeln, viele unterschiedliche Saucen aus Melonenkernmehl mit viel Gemüse, aber auch Fleisch oder Fisch und eine Art Brandteig ohne Ei als Löffelersatz. Klassische Gerichte sind Jollof-Reis, ein Reiseintopf, Egusi-Suppe mit Buschmangokernen und Rauchfleisch oder Teige aus Yamswurzel. Die nigerianische Küche kennt viele dicke Suppen. „Ihr würdet es vielleicht eher Soße nennen“, sagt Kelly. Sorgen, dass die Speisen nicht gut ankommen, hat man nicht. Stephen lobt die Europäer als neugierige Esser, die gern Neues probieren. Ganz ohne Kompromisse zugunsten der Südtiroler Gaumen geht es aber nicht. „In Nigeria essen wir sehr scharf. Zu scharf für die meisten Europäer“, sagt Koch Kelly. Also wird milder gekocht, wer will, bekommt eine scharfe Tunke dazu. Und die ist auch für Freunde des Chili nicht ohne. Ein weiteres Zugeständnis an europäische Tischsitten ist das Besteck. In weiten Teilen Afrikas wird traditionell mit den Fingern gegessen. Wer das im „African Soul“ ausprobieren will, ist willkommen. Aber es ist für Anfänger schwieriger, als man denken mag.
Am ersten Abend gibt es Fingerfood, Pasteten mit Fleisch, Fisch oder Gemüse, eine Art Sauerkraut mit einem Hauch von Ingwer, Pudding aus Kokos und Bananen auf Himbeergelee und Sekt mit Hibiskussirup.
Das Gastlokal bietet rund 30 Sitzplätze, in Zukunft soll es auch ein „Take away“ geben und man will ins Cateringgeschäft. Sieben Personen werden im „African Soul“ arbeiten. Neben den beiden Fixangestellten Kelly und Stephen sind das – dem Auftrag einer Sozialgenossenschaft entsprechend – zwei Personen mit Beeinträchtigung. Außerdem werden jeweils drei Flüchtlinge ein Praktikum absolvieren. Sie sollen in Zusammenarbeit mit Schülern der Maturaklasse der Landesberufsfachschule Kaiserhof die Grundlagen in Küche, Service und Hygiene lernen, dazu theoretischen Unterbau und Persönlichkeitsbildung, um danach auf dem Arbeitsmarkt weitervermittelt zu werden. Die Arbeitsgenehmigungen sind kein Problem, Asylwerber dürfen jede Arbeit machen, solange ihr Verfahren läuft. Für die Gaststättenlizenz bürgt Markus Oberschmied, ein ausgebildeter Koch.
Am ersten Abend gibt es Fingerfood, Pasteten mit Fleisch, Fisch oder Gemüse, eine Art Sauerkraut mit einem Hauch von Ingwer, Pudding aus Kokos und Bananen auf Himbeergelee und Sekt mit Hibiskussirup. In kurzer Zeit ist alles weg. Sehr nervös sei sie gewesen, sagt Isabelle Hansen, ob denn jemand zur Eröffnung komme. Dass man sich bei der Eröffnungsfeier im Lokal vor lauter Menschen kaum bewegen konnte, macht Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft.
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