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Vor mehr als 30 Jahren erhielt der Journalist und Historiker Claus Gatterer den Südtiroler Pressepreis. Am Abend der Preisverleihung hielt der gebürtige Sextner, der ob seiner kritischen Ader in Südtirol häufig als Nestbeschmutzer abgestempelt wurde, keine selbstgefällige Dankesrede. Stattdessen sprach er „über die Schwierigkeit, heute Südtiroler zu sein”, so der Titel seiner Rede. Darin las er seinen Landsleuten auf jeder Linie die Leviten. „Man hat den geistigen, den ethnischen, den moralischen Boden unter den Füßen verloren”, so Gatterer.
30 Jahren nach dem Tod Gatterers (1924–1984) greift ein Ausstellungsprojekt das geistige Erbe des Journalisten auf. Am 11. Dezember findet im Rahmen des Projekts im Ost West Club in Meran eine Diskussionsrunde mit dem Titel „Über die Schwierigkeit, heute Südtiroler/in zu sein” statt (Beginn: 20.30 Uhr). Fünf Südtiroler erläutern in dieser Runde, wie sie sich im Südtirol von Heute zurechtfinden und wie sie sich die Zukunft vorstellen. BARFUSS hat die fünf Teilnehmer vorab schon um eine Stellungnahme gebeten:
Als Südtirolerin, die die meiste Zeit im Ausland lebt, ändert sich die Perspektive auf das Land. Es kommt mir so vor, als ob die meisten Südtiroler nur damit beschäftigt seien, stur (tamisch) zu sein und ausgiebig Nabelschau zu halten. Das kollektive Gedächtnis der Südtiroler Gesellschaft scheint auf der Annahme zu fußen, dass erstens Südtirol der Mittelpunkt der Welt ist und zweitens, dass wir immer die Opfer sind. Es scheint der Konsens zu herrschen, dass das Südtiroler-Sein „prutal zach“ ist.
Aber ist es heute wirklich noch immer schwierig, Südtirolerin zu sein? Für mich nicht.
Nie hatte ich das Gefühl, vom Schicksal benachteiligt zu sein – ganz im Gegenteil. Als Südtirolerin, die 1991 geboren wurde, also zehn Jahre nach Gatterers Rede, empfinde ich meine Herkunft als Hauptgewinn. Meiner Generation bieten sich Möglichkeiten, die keine zuvor in der Geschichte Südtirols hatte. Nie war es so einfach, seine Fühler außerhalb Südtirols auszustrecken. Wir können reisen oder uns durch das Internet die Welt ins Wohnzimmer holen. Dabei können wir aber auf eine reichhaltige Geschichte, aus der wir hoffentlich etwas gelernt haben, und auf eine nachhaltige Identität zurückgreifen, durch die wir die weite Welt vielleicht etwas kritischer betrachten. Wir können auch, und das macht jeder Südtiroler im Ausland, die Rosinen aus dem Gugelhupf oder dem Panettone picken.
Es gibt immer noch viel zu tun, aber viele Mauern, die 1981 noch unüberwindbar schienen, sind heute kein Thema mehr oder beginnen zu bröckeln. Dass die Welt in die Südtiroler Sturköpfe einzieht, kann für alle nur von Vorteil sein.
In den letzten Jahren hat das Umdenken einiger Gemeinden zum Glück dazu beigetragen, dass sich eine nicht unbeachtliche Festivalszene in Südtirol entwickeln konnte. Ich fürchte jedoch, dass einige dieser zarten Pflänzchen in naher Zukunft dem autoritären Verhalten der Behörden, den ständig zunehmenden bürokratischen Auflagen und den damit verbundenen explodierenden Kosten zum Opfer fallen könnten. Das Hauptproblem ist meiner Meinung nach, dass die Gemeinden die etablierten Vereine und jene Vereine, die sich für Jugend- und Alternativkultur einsetzen, meist ungleich behandeln. Man hat schlichtweg das Gefühl, von unserer Gesellschaft nicht als gleichberechtigt angesehen zu werden. Bei den Ordnungshütern passiert leider ähnliches. Hier trifft man weder auf eine objektive Haltung gegenüber den Projekten, noch auf Verständnis für das Interesse der Jugendlichen, ihre Umgebung mitzugestalten. Viel eher trifft man mancherorts auf Ablehnung und wird sofort als Krawallmacher abgestempelt.
Kultur braucht Platz, vor allem außerhalb der gewohnten Bahnen. Unser Verein Tribal Junction/Botheration Hifi versucht wie so viele andere in Südtirol, diesen Raum durch Initiativen wie das Dump Town Festival bereitzustellen. Aber momentan sind uns aufgrund der genannten Umstände leider häufig die Hände gebunden. Dadurch besteht das Risiko, dass in Zukunft weniger junge Leute kulturelle Projekte starten. Der Zeitaufwand, das finanzielle Risiko und die durch undurchsichtige Gesetzgebung verursachte Rechtsunsicherheit werden einfach immer größer.
Ich bin gerne Südtirolerin. Denn was unser kleines Land auszeichnet, ist die Vielfalt: von Trachten und Dialekten bis hin zu Kultur(en), Angeboten, Essen, Ausbildungsmöglichkeiten und Zukunftsperspektiven. Kritisch könnte man anmerken, in der Politik und in der Kirche sei Vielfalt nicht gerne gesehen. Das ist für mich kritisieren auf hohem Niveau. Ganz allgemein betrachtet geht es uns Südtirolern und Südtirolerinnen gut, sehr gut sogar. Der öffentliche Transport, die Ausbildungswege, die Gesundheitsversorgung, die Vereinswelt – vieles läuft gut. Der Blick hinter die Südtirol-Marke, hinter die Touristenfassade lässt aber erahnen, dass nicht alles gut läuft: Armut, Gewalt, Rassismus, Ausländer/innen-Feindlichkeit, Alkohol, Scheidungen, Einsamkeit, Selbstmordraten, psychische Erkrankungen und und und. Da müssen wir lernen, die Augen zu öffnen und laut zu sein, um Missstände anzuprangern, um zu schreien für Gerechtigkeit und Frieden. Um unserer Zukunft willen. Ich wünsche mir für Südtirol mehr Fingerspitzengefühl, weniger Jammern und mehr Offenheit, um unsere Chancen wahrzunehmen und gemeinsam zu nutzen.
Die Südtiroler sind gute Menschen. Sie sind sehr nett, korrekt und hilfsbereit gegenüber anderen Menschen im In- und Ausland. Es gibt viele Hilfsorganisationen in Südtirol. Die Südtiroler sind fleißige und genaue Menschen. Die Bauern und ihr Leben am Hof schätze ich sehr. Das Schulsystem ist sehr gut aufgebaut – vom Kindergarten bis zur Universität. Das Arbeits- und Sozialsystem ist auch sehr gut organisiert.
Die Natur Südtirols habe ich sehr gern: Berge, Höfe, den Schnee oder die Tiere. Die Südtiroler lieben ihre Traditionen und respektieren die wunderbare Natur. Das finde ich toll. Es gibt viele Kunstausstellungen, Veranstaltungen und Feste in Südtirol, bei denen die Südtiroler in ihren traditionellen Kostümen feiern. Die Geschichte der Schützen (die älteste friedliche Militärorganisation der Welt) habe ich auch gerne.
Leider gibt es viele Fahrraddiebe, Einbrecher und Bettler aus Osteuropa und Afrika und langsam langsam spürt man auch eine kommende Armut in Südtirol. Südtirol ist meine zweite Heimat. Ich wohne seit vielen Jahren hier. Ich habe viele Freunde. Ich spreche ein bisschen Deutsch und bin sehr gut integriert. Mein Leben und meine Zukunft sind hier sicherer und ich fühle mich wohler als in meiner Heimat. Mit guter Integration wird Südtirol in Zukunft bunter und kulturreicher.
Sentire gli altoatesini parlare delle loro difficoltà, fa sempre un certo effetto. Perché le difficoltà degli altoatesini stanno alle difficoltà del mondo come un’unghia incarnita sta a un tumore maligno. Se devo però rintracciare una natura di fondo alla difficoltà di essere altoatesina, la individuo nella connessione, o meglio nella sua assenza o nella sua aberrazione.
Vivo in una terra che amo, cui la mia stirpe appartiene da tre generazioni, e alla quale tuttavia non mi sento realmente connessa. Perché pare esserci sempre un disturbo, una deviazione tale per cui non sia mai possibile entrarci in un contatto simbiotico, fluido, radicale.
Le connessioni fra le persone sono altrettanto distorte, è difficile sentirsi parte di un insieme, di cui l’interconnessione umana funga da struttura portante e tessuto nervoso. Tutto sembra vincolato dalla presenza di interruttori mentali, per cui la potenzialità della connessione si attua o non si attua a seconda della chiusura o dell’apertura del circuito. A determinare l’on e l’off sono ostruzioni di prassi, di percezione, di memoria …
Le connessioni fisiche: l’Alto Adige conta meno abitanti di Genova, ma sono sparsi fra le pieghe di monti involontariamente ostili, o confinati nei campanilismi dei loro centri urbani. Potremmo considerare il nostro territorio alla stregua di una megalopoli, e muoverci con disinvoltura lungo la rete, pur efficiente, di collegamento, ma vincere la difficoltà della connessione geografica sembra una sfida troppo ardua.
Le connessioni con l’esterno, ovvero la loro assenza, sono la mia difficoltà maggiore. Qualunque tentativo di espandere la rete di connessioni con il mondo che vive e pulsa oltre i confini dell’Alto Adige è vano. I tentativi più avanguardistici finiscono col disperdersi nel permeante autocompiacimento autarchico della provincia. Mir sein mir e l’Alto Adige è il posto più bello del mondo. Cosa si può desiderare dall’esterno, che già non abbiamo, e abbiamo comunque meglio?
Diskussion über Gegenwart und Zukunft eines Landes im Wandel
Ort: Ost West Club, Passeirergasse 29, Meran
Zeitpunkt: 11. Dezember 2014, 20.30 Uhr
Ausgangspunkt der Veranstaltung ist Claus Gatterers kritische Rede anlässlich der Verleihung des Südtiroler Pressepreises im Jahr 1981 mit dem Titel: „Über die Schwierigkeit, heute Südtiroler zu sein“. Fünf Südtiroler erläutern in dieser Runde, wie sie sich im Südtirol von Heute zurechtfinden und wie sie sich die Zukunft vorstellen.
Es diskutieren:
Giorgia Lazzaretto, Kulturarbeiterin und Vorstandsmitglied des Ost West Clubs
Lisa Huber, Studentin in Brixen und Vorsitzende der katholischen Jungschar
Kathrin Runggatscher, Studentin in Graz und Vorsitzende der Südtiroler Hochschülerschaft
Raja Shahed, Präsident des Onlus-Vereins AuxForces (setzt sich für eine bessere Integration von „neuen Meraner/innen” ein)
Alex Giovanelli, Student und Mitorganisator des Dump Town Musikfestivals
Moderation: Kunigunde Weissenegger (franzmagazine.com)
Eine Veranstaltung des Ausstellungsprojektes Gatterer9030 in Zusammenarbeit mit dem Ost West Club Meran und der Michael-Gaismair-Gesellschaft.
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