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Seit einigen Monaten liegt die Redaktion der Südtiroler Wochenzeitung ff in der Hand eines weiblichen Führungs-Duos: Neben der Chefredakteurin Alexandra Aschbacher besetzt seit März Verena Pliger als erste Frau den Posten der Direktorin. Die 38-jährige Journalistin und Moderatorin erzählt im Interview von ihrem neuen Job und warum Südtirol in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf anderen Ländern immer noch hinterherhinkt.
Frau Pliger, Sie haben eine langjährige Erfahrung als Journalistin und Moderatorin, seit einigen Monaten sind Sie Direktorin der ff. Wie kam es dazu und wie wird sich Ihr Berufsalltag ändern?
Das kam für mich völlig überraschend, und ich hatte eigentlich nicht geplant, die Selbstständigkeit aufzugeben. Ich war jetzt fast fünf Jahre lang als freie Journalistin tätig und ich hatte gut zu tun. Auch, weil ich relativ breit aufgestellt war. Das heißt, ich habe für Rai Südtirol im Radio und Fernsehen gearbeitet, bei der FF die Magazine Bauen und Wohnen sowie das Wirtschaftsmagazin Südtirol Panorama koordiniert und verschiedene Veranstaltungen moderiert, unter anderem Kongresse in Deutschland. Anfang Februar bekam ich dann einen Anruf der neuen ff-Geschäftsführer Philipp Frasnelli und Raffael Pichler, die mir bei einem Treffen die Direktionsstelle angeboten haben. Das Angebot hat mich sofort gereizt, weil ich die ff nun schon seit 12 Jahren kenne und immer viel Potential darin gesehen habe. Ich hatte so viele Ideen darüber, was man alles noch daraus machen kann und wo es Aufholbedarf gibt. So kam es, dass ich mich eigentlich bereits eine Woche später dazu entschieden habe, den Posten anzunehmen.
Welchen neuen Schliff möchten Sie als Direktorin der ff geben?
Ich möchte der ff vor allem mehr Sichtbarkeit geben. Es gibt außerhalb des Wochenmagazins ff noch sehr viel Potential. Zum Beispiel, indem wir als ff Podiumsdiskussionen organisieren, wo ich meine Erfahrung als Moderatorin sicher gut einsetzen kann. Das hätte natürlich alles schon stattfinden sollen, aber jetzt mit Corona verschiebt sich das ein bisschen.
Die Pandemie hat Ihren Einstieg sicherlich nicht erleichtert?
Als ich mich für den Job entschieden habe, war Corona in Südtirol noch kein großes Thema. Als ich dann Mitte März offiziell meine neue Position übernahm, saßen bereits einen Tag darauf alle Mitarbeiter im Homeoffice. Ich hatte Glück, dass ich die Redakteure bereits kannte, ansonsten wären die Videokonferenzen wohl mühsamer gewesen. Aber ja, in den ersten Monaten ging es vor allem ums Feuerlöschen, sprich, auf die Corona-Krise zu reagieren.
In den großen Redaktionen in Deutschland fing ich erstmal an, Fünf-Zeilen-Berichte zu schreiben und die wurden mehrmals redigiert und verworfen.
Sie haben Politikwissenschaft studiert. Wie kam es dazu, dass sie als Journalistin über Wirtschaft und Architektur schreiben?
Ich habe nach meinem Politikstudium in München beim Burda-Verlag mein Volontariat absolviert und dann hauptsächlich für Lifestyle-Magazine geschrieben, wie Freundin, Bunte, oder Celebrity. Als ich nach Südtirol zurückkam, wollte ich eigentlich zu RAI Südtirol. Zu der Zeit war aber keine Stelle frei. Also fing ich in der Zwischenzeit bei einer Unternehmensberatung an, wo ich mich um die Kommunikation gekümmert habe. Das war zwar nicht so meins, aber es war für mich das Eingangstor in die Wirtschaft. Ich habe Kontakte in der Branche aufgebaut und mir ein Wirtschaftsverständnis angeeignet. Die Basis, um dann das ff-Wirtschaftsmagazin Südtirol Panorama zu übernehmen, das ich über drei Jahre geführt habe.
Inwiefern unterscheidet sich Journalismus in Südtirol vom Journalismus in Deutschland?
In meiner Zeit in München habe ich einen Einblick darin bekommen, wie große Magazine funktionieren. Wir sprechen hier von großen Redaktionsstrukturen, die natürlich auch mit ganz anderen Budgets arbeiten. Allein die Bildredaktionen sind mit mehreren Mitarbeitern besetzt. So was können sich unsere kleineren Redaktionen hier in Südtirol natürlich nicht leisten. Die Zeit in München war aber auch eine harte Schule. Als ich nach der Matura mein erstes Praktikum bei der Neuen Südtiroler Tageszeitung absolviert habe, durfte ich gleich am ersten Tag eine Titelgeschichte schreiben. In den großen Redaktionen in Deutschland fing ich erstmal an, Fünf-Zeilen-Berichte zu schreiben und die wurden mehrmals redigiert und verworfen. Aber so habe ich das Handwerk des Journalisten noch einmal von der Pike auf gelernt.
In Südtirol ist die Medienlandschaft stark geprägt von einem dominanten Medium. Gelten hier andere Regeln, wenn es darum geht, Sichtbarkeit zu erlangen?
Natürlich ist es für einen kleineren Verlag nicht immer leicht. So bekommen wir als Wochenmagazin – anders als Tageszeitungen – keine staatlichen Beiträge. Zudem sind andere Medien sehr viel breiter aufgestellt und können das eigene Medium so auch besser bewerben. Die ff feiert dieses Jahr aber ihren 40. Geburtstag. Das heißt, wir konnten uns 40 Jahre lang behaupten. Die meisten Redakteure arbeiten seit Jahren für die ff, zwei sogar seit über 25 Jahren – ihr Idealismus und ihr Herzblut hat mich seit jeher begeistert.
PR- und Werbeinhalte verschwimmen zunehmend mit journalistischen Inhalten.
Sie sagen: „unabhängiger Journalismus muss unantastbar bleiben“. Einen unabhängigen und auch kritischen Journalismus schreibt sich die ff groß auf die Fahne. Wie kann man Unabhängigkeit garantieren?
Indem man einen sauberen Journalismus betreibt. Und indem man den redaktionellen Inhalt klar von Werbung trennt. So wurde es bei uns auch immer gehandhabt: Jeder bezahlte Berichtwird klar und deutlich mit PR-Info gekennzeichnet. Es darf einfach keine Einmischung geben. Ich finde, das merkt man immer häufiger bei anderen Medien, dass PR- und Werbeinhalte zunehmend mit journalistischen Inhalten verschwimmen.
Glauben Sie, die Coronakrise wird den Journalismus verändern? Wird es schwerer werden, Sichtbarkeit und Unabhängigkeit beizubehalten?
Es ist klar, dass man sich nach Einnahmen umsehen muss. Aber das bedeutet nicht, dass man seine Unabhängigkeit aufgibt. Man kann neue Ideen oder Formate lancieren, die durch zusätzliche Werbeeinnahmen das unabhängige Fortbestehen des Magazins garantieren können.
Eine Frage von Journalistin zu Journalistin: Wie haben Sie sich als Frau in diesem Berufsfeld gefühlt? Haben Sie das Gefühl, die Geschlechtsgleichheit im Journalismus hat sich im Laufe der Jahre verbessert?
Als ich in München gearbeitet habe, hatte ich in allen Magazinen ausschließlich Frauen als Chefredakteurinnen. Sie waren extrem klar in ihren Ansagen. Das hat mir immer gefallen. Aber auch in Südtirol spürt man eine Veränderung. Die ff mit Alexandra Aschbacher als Chefredakteurin ist das beste Beispiel dafür. Aber auch Rai Südtirol mit Heidy Kessler an der Spitze.
Wofür ich mich allerdings einsetze, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Gemeinsam mit Chefredakteurin Alexandra Aschbacher gehören Sie somit zu einer der wenigen Frauen in Südtirol in Führungspositionen.
Ich bin kein großer Fan von Frauenquoten. Meiner Meinung nach muss die Leistung stimmen, unabhängig vom Geschlecht. Wofür ich mich allerdings einsetze, ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich möchte, dass Frauen hier mehr Unterstützung bekommen, denn das ist doch die große Herausforderung. Ich sehe zum Beispiel bei Alexandra, die einen kleinen Sohn hat, wie schwierig es ist, eine Tagesmutter oder einen Kitaplatz zu finden. Hier muss Südtirol noch viel aufholen, in Deutschland und in skandinavischen Ländern funktioniert das viel besser. Wo Südtirol meiner Meinung nach auch noch hinterherhinkt: Es ist weiterhin so, dass Männer sich nur schwer überwinden können, Vaterschaft zu nehmen oder Teilzeit zu arbeiten.
Wie können Frauen mit Familie dennoch Karriere machen?
Ich selbst habe keine Kinder, ich kann also nur beobachten. Mir fällt aber auf, dass es im Grunde – und das mag provokant klingen – für Frauen mit Familie in Südtirol nur zwei Möglichkeiten gibt, Erfolg im Beruf zu haben: Entweder es gibt Großeltern in der Umgebung, die einen Teil der Betreuung übernehmen, oder die Frauen verdienen so gut, dass sie sich eine Rundumbetreuung der Kinder leisten können. Zumindest wurde im Zuge der Corona-Krise „Homeoffice“ salonfähiger gemacht. Arbeitgeber, so hoffe ich, werden jetzt viel eher akzeptieren, dass Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, wenn etwa ein Kind krank ist. Zugleich gab es auch einen großen Rückschritt in dieser Zeit, Schulen und Kindergärten waren geschlossen und vor allem die Doppelbelastung von Frauen stieg enorm.
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