Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Es ist ein bewölkter Freitag. Die Veranstalter des Hammerfests rufen dazu auf, Schild, Schwert und Trinkhorn einzupacken. Genau das mache ich auch. Im Auto auf dem Weg nach Altrei ziehen Häuser und Autos vorbei. Je stärker das Rauschen des Radios, desto weiter lasse ich die Zivilisation hinter mir. Die Häuser werden weniger, Menschen sehe ich nur mehr selten und wenn, dann sind sie mit Isomatte und Zelt ausgestattet. Die Szenerie, die sich vor mir auftut, als ich ankomme, erinnert an einen Monumentalfilm über die Nordische Mythologie. Schleierwolken schmeicheln sich tief liegend um die Bergkämme, Bäume bestimmen das Landschaftsbild. Ich folge dem Ortsschild und biege rechts in die Straße ein. Sie führt zu einem Parkplatz mitten im Wald.
Auf dem Weg zum Festplatz kommen mir schon die ersten Menschen entgegen, schwarz gekleidet und mit einem Bier in der Hand. Vor mir öffnet sich der Festplatz. Das Gelände ist groß. An zwei Ständen wird für das leibliche Wohl gesorgt, es gibt Bier, Met und Fleisch. Auf der Bühne nebenan bereitet sich gerade die erste Band vor. Parhelion nennt sie sich.
Ich treffe auf den Veranstalter, oder Nordherr, wie er im Verein genannt wird. Ein großer, schlaksiger Mann mit langen, schwarzen Haaren, schwarzen Fingernägeln und einem schwarzen Trenchcoat. Ziemlich viel schwarzes Zeug also. Er wird von allen „Knussi” genannt, seinen richtigen Namen will er mir nicht sagen. Er scheint aufgeregt zu sein und erklärt mir, dass es ihm immer so gehe. Er habe Angst, dass etwas schief laufen könnte, auch wenn er wisse, dass das nicht der Fall sein werde.
Mitten in der Menge der Besucher fallen ein Mann und eine Frau mit Kind auf. „Wir sind extra von Deutschland hierher gefahren“, meint der zwei Meter große Hüne und nimmt einen Schluck aus seinem Trinkhorn. Das Hammerfest ist also auch über die Grenzen Südtirols hinaus in der Szene bekannt.
Am anderen Ende des Festivalplatzes hat sich derweil etwas getan. Eine Gruppe junger Besucher hat ihre Rüstungen angezogen und bereitet sich auf einen Schaukampf vor. Es ist offensichtlich, dass das Ganze keine reine Männerdomäne ist, es findet sich nämlich auch eine Handvoll Mädchen unter den Kämpfern.
Schließlich geht es los. Die Gruppe teilt sich in zwei gleich große Parteien. Theatralisch werden die Schwerter gekreuzt, bevor es zum Kampf kommt. Auch wenn die Schwerter und Lanzen der Krieger stumpf sind, so sind Verletzungen kaum zu vermeiden, erklärt mir ein Teilnehmer mit einem roten Schild in der Hand. Ich lasse mir von ihm die Regeln erklären: „Wird einer von uns von einer Waffe getroffen, ist dieser tot, also ausgeschieden.”
Immer mehr kommt es mir so vor, als wäre ich auf dem Woodstock der Metal-Gemeinde. Betrunkene liegen im Gras, Kinder tollen herum, Bands spielen, die Sonne scheint und Menschen in Kostümen laufen durch die Gegend. Mittlerweile ist es Abend geworden und die Stimmung steigt. Ein älterer Herr stapft mit seinem blauen Bauernschurz und einem Filzhut durch die Horde schwarz gekleideter Menschen zielgenau zum Bierstand. Das Festival hat offensichtlich nicht nur in der Szene Anklang gefunden.
Im Vorfeld des Hammerfests wurden Nazi-Vorwürfe gegenüber dem Festival laut. Schließlich findet die nordische Mythologie auch bei den Glatzköpfen Anklang. Das Monster mit dem Schnauzbart und dem Scheitel war ja ein großer Verehrer dieser Mythologie. Ich frage bei „Knussi” nach, was er von dem Thema hält: „Lass mich dir eines sagen, und du kannst mich dabei ruhig zitieren. Es ist mir relativ egal, ob hier Rechte antanzen oder Linke. Solange sich die Menschen ruhig verhalten, ist jeder willkommen”, so der Nordherr.
Nach einer feuchtfröhlichen Nacht kriechen die Festivalbesucher am Samstagmorgen noch benommen vom Vorabend aus ihren Zelten. Gegen Nachmittag macht sich eine kleinere Gruppe für die Spiele bereit. Die erste Disziplin ist das Hammerwerfen. Die zwei Meter großen Hünen gelten hier klar als Favoriten. Die Spiele dauern den ganzen Nachmittag über und stellen den Mittelpunkt des Geschehens dar. Durch den erhöhten Alkoholpegel mancher Teilnehmer gestaltet sich das Ganze allerdings ein wenig schwierig und wird zunehmend komischer.
Schließlich bricht der Abend mit dem Tag und die letzten Bands klettern auf die Bühne. Bier und Met fließen in Strömen. Knussi sitzt auf einer Bank. Er sieht entspannt aus. „Und, bist du zufrieden?“, frage ich ihn vorsichtig. „Ja, ich bin mehr als zufrieden“, lacht er mir ins Gesicht und nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Trinkhorn.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support