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Teresa Putzer
Veröffentlicht
am 17.02.2023
LebenInterview mit Sabine Viktoria Kofler

„Hitler war Südtirol einfach wurscht“

Veröffentlicht
am 17.02.2023
Der Feind meines Feindes ist mein Freund: Historikerin Sabine Viktoria Kofler entlarvt in einem Buch das paradoxe Verhältnis Hitlers zu Südtirol.
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Autorenfoto Kofler.jpg
Sabine Viktoria Kofler

Sabine, worum geht es in deinem neuen Buch „Adolf Hitler entlarvt!“?
Das Buch bearbeitet Originalquellen über die Position Adolf Hitlers gegenüber Südtirol. Ich habe im Buch Reden, Ausschnitte aus „Mein Kampf“ und Hitlers zweites Buch, Polizeiakten usw. über Hitlers Außenpolitik, die Südtirol betreffen, gesammelt, kommentiert und in einen historisch politischen Kontext gesetzt.

Was sind deine Erkenntnisse?
Hitler hatte immer schon eine Ausnahmeposition innerhalb aller völkischen Parteien und eine ganz besondere Meinung zur Südtirolfrage: Er wollte schon sehr früh auf Südtirol verzichten. Er hat sich nicht – wie viele lange Zeit behaupteten – für die Deutsch-Südtiroler:innen eingesetzt.

Wieso nicht?
Weil seine Außenpolitik immer andere Ziele verfolgt hat. Hitler wollte den Lebensraum im Osten Europas erweitern, also nach Polen und Russland vordringen und den Erzfeind Frankreich besiegen. Diese Ziele waren nur mit ganz bestimmten Bündnispartnern zu erreichen: Das waren zum Einen England und zum Anderen Italien.

Wieso genau die beiden Länder?
Hitler hat sein extremes nationales Denken immer auf alle Staaten projiziert. Sowohl Italien als auch England seien durch eine historisch tief verwurzelte Feindschaft zu Frankreich geprägt. Hitlers Außenpolitik verlief daher ganz nach dem Motto: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“, koste es was es wolle. Und so hat es ihn letztlich Südtirol gekostet.

Du sprichst von einer Ausnahmeposition Hitlers. War die Meinung über Südtirol gespalten?
Eigentlich nicht. Es war Hitler gegen alle Anderen. Alle wollten Südtirol zurück: Linke, Rechte, Mitglieder der NSDAP, die Öffentlichkeit. Hitler war aber der Meinung, dass er mit Italien, also mit Mussolini ein Bündnis eingehen musste. Das Bündnis konnte nur durch einen Verzicht möglich gemacht werden. Und so verzichtete Hitler darauf, Südtirol zurückzubekommen.

Wie waren die Reaktionen gegenüber Hitlers Gleichgültigkeit zu Südtirol?
Die völkischen Kreise waren entsetzt. Südtirol galt in diesen Spektren als ein besonders beliebtes Stereotyp der eigenen Zielvorstellungen: Südtirol war das Symbol vom Traditionellen, Heimischen und einem bäuerlich-ländlich geprägten deutschem Volk. Die Entscheidung Südtirol, Italien zu überlassen, steht im totalen Widerspruch zu Hitlers Parteiprogramm der 20er-Jahre. Dort heißt es ausdrücklich, dass sie auf keinen „Deutsch-Südtiroler“ verzichten wollen. 1928 wurden die Südtiroler:innen stillschweigend aus dem Programm herausgenommen und durch Elsaß-Lothringen ersetzt.

Trotzdem hat Hitler bis zum Ende von Seiten Südtirols viel Zuspruch erhalten. Wussten die Menschen von seinem Plan Südtirol „zurückzulassen“?
Sie hätten es wissen können. Man konnte alles aufmerksam beobachten, weil einige Südtiroler und Tiroler Tageszeitungen damals von Hitlers Reden und Plänen berichtet haben. Die Beziehung und die Intentionen Hitlers zu Italien kommen dabei klar heraus. Ein Teil der Bevölkerung entschied sich diesen „natürlichen Gegensatz“ der Politik nicht zu glauben. So bezeichnete die österreichische NSDAP Hitlers Plan „Südtirol zu opfern“ als Gerücht, als Verschwörung und als jüdische Lüge. Das ist vor dem Hintergrund, dass Hitler sein Vorhaben nie dementiert hat, sehr seltsam. Er hat sich sogar direkt an Südtirol gewandt und sie dazu aufgefordert, sich für das große Ganze zu „opfern“.

Gab es Versuche von Südtirol Hitler zum Umdenken zu bewegen?
Ja, es gab Interventionen. In den frühen 30ern haben Südtiroler Vertreter und Sympathisanten mit der NSDAP stark darauf gepocht, Südtirol wieder ins Parteiprogramm reinzubekommen. Hitler war aber von seiner Idee der Osterweiterung und Bündnisstrategie so überzeugt, dass ihm Südtirol vollkommen gleichgültig war.

Gab es gar keine Versuche, den Südtiroler:innen entgegen zu kommen?
Naja, es gab die Idee der Option. Ein Beschwichtigungsinstrument, das ganze Südtiroler Familien zerreißen sollte. Die Option ist, wie wir alle wissen, kläglich gescheitert. Wären damals mehr Leute aktive Beobachter:innen gewesen, hätten sich vielleicht weniger Menschen auf Hitlers Wort verlassen.

Hitler war von seiner Idee der Osterweiterung und Bündnisstrategie so überzeugt, dass ihm Südtirol vollkommen gleichgültig war.

Gibt es einen persönlichen Bezug von dir zum Buch?
Nicht so richtig. Meine beiden Großväter, von denen einer in der Wehrmacht tätig war, sind beide vor meiner Geburt gestorben. Sie haben wohl – wie so viele – nicht viel und nicht gerne über diese Zeit gesprochen, weshalb ich auch kaum etwas darüber weiß. Sehr viele Menschen haben eine emotionale, familiäre Beziehung zu der Zeit und deswegen Berührungsängste zur Thematik. Ich denke meine persönliche Distanz dazu war beim Forschen sehr hilfreich, da ich die Situation objektiv betrachten und viele kritische Fragen stelle konnte: Was haben die Leute gewusst? Was nicht?

In vielen Kreisen wird Hitler mittlerweile als „ausgelutschtes Thema“ bezeichnet. Was denkst du darüber?
(Lacht) Das denken sich sicher viele. Hitler ist ein riesiges Themenfeld, zu welchem es unzählige Forschungen gibt. Ich habe mich zu Beginn meiner Arbeit auch gefragt: Was kann ich als Historikerin da noch einbringen? Aber gerade in Bezug auf Südtirol in dieser Zeitphase gibt es relativ wenig. Ich wollte einen allgemeinen Zugang zu diesem Teil der Südtiroler Geschichte für alle und nicht nur für ein Fachpublikum schaffen.

Sind junge Menschen an diesem Teil der Geschichte noch interessiert?
Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube, dass junge Südtiroler:innen zum Teil schon daran interessiert sind, aber nicht den Willen haben, sich hinzusetzen und ein ganzes Fachbuch darüber zu lesen. Das kann ich auch verstehen. Ich habe vielmehr Rückmeldungen von der Generation meiner Eltern bekommen. Für sie war das Buch eine historische Aufklärung, weil sie in der Schule nichts darüber gelernt haben. Es war die Zeit, wo man lieber geschwiegen hat und vergessen wollte.

Sollten sich junge Leute noch mit der Geschichte Südtirols beschäftigen?
Ja unbedingt! Wir als Südtiroler:innen sind dazu verpflichtet, unsere Geschichte zu kennen. Wir werden doch alle mehrmals im Jahr mit der Frage konfrontiert, warum wir bei Italien sind und wieso wir Deutsch sprechen. Die Antworten sind da leider oft recht schwammig. Einige kennen grobe Züge der Geschichte, aber Detailwissen ist nirgends vorhanden. Sicherlich bin ich da als Historikerin etwas pingeliger, aber wir können aus Geschichte immer wieder Etwas lernen. Gerade junge Menschen wie auch ich haben den Vorteil, über diese Zeit lernen und diskutieren zu können, ohne emotional betroffen zu sein. Diese Chance sollten wir nutzen.

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