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Für die einen sind sie lästig, für andere Nützlinge. Einige sind von ihrer Schönheit fasziniert: Insekten. Was hierzulande, vielleicht abgesehen von ein paar Imker*innen, aber wohl kaum jemand so schnell mit dieser Tierart in Verbindung bringt, ist das Thema Nahrung und Kulinarik. Dabei zählen Würmer, Maden, Ameisen, Heuschrecken und sogar Spinnen in vielen Kulturen dieser Erde seit jeher zum Fixbestand der täglichen Ernährung. Wo Fleisch und Fisch rar oder ihr Verzehr schlichtweg unüblich sind, liefern Insekten den Menschen wichtige Proteine, ungesättigte Fettsäuren, Vitamine und Spurenelemente. Weltweit gibt es mehr als 2.000 genießbare Insektentypen.
Schätzungsweise zwei Milliarden Menschen konsumieren sie regelmäßig. Im Globalen Norden überwiegt hingegen der Fleischkonsum, laut WHO verzehren die Menschen dort durchschnittlich fast 68 Kilogramm Fleisch jährlich. Dies ist nicht nur für die Umwelt, sondern auch die Gesundheit fatal. Während in einigen Ländern des Globalen Südens die Globalisierung und der Vormarsch internationaler FastFood-Ketten den Fleischkonsum ansteigen lassen und Insekten als Nahrungsmittel zurückdrängen, experimentieren immer mehr Menschen in westlichen Nationen mit den vielfältigen Tierchen.
Neben ihren gesundheitlichen Vorzügen punkten Insekten vor allem in Sachen Klimaschutz.
2021 wurde in der EU neben Mehlwürmern auch die Europäische Wanderheuschrecke offiziell als Nahrungsmittel zugelassen. Dank einer Übergangsregelung dürfen noch weitere fünf Insekten verkauft werden. Wegen ihrer vielfältigen positiven Eigenschaften gelten sie als Super Food. Startups wie jenes von Daniel Eggert (siehe Interview) bringen Interessierten die Vorzüge von Insektennahrung näher – durch Information und Sensibilisierung, aber auch schlichtweg durch die Kreation leckerer Gerichte, die mit der westlichen Küche kompatibel sind und kulinarische Abenteuer versprechen. Aber die kleinen Tiere treffen noch aus ganz anderen Gründen einen Nerv bei vielen Vertreter*innen der jungen, umweltbewussteren Generation: Neben ihren gesundheitlichen Vorzügen punkten Insekten vor allem in Sachen Klimaschutz.
Genuss mit Gewissen
Die Haltung und Verarbeitung von Nutztieren ist laut UN-Klimabericht für 14,5 Prozent der durch den Menschen verursachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Bedarf an Flächen, Nahrung und Wasser von Rind, Schwein und Geflügel ist enorm. Weil die Weltbevölkerung wächst und auch der Wohlstand in breiten Teilen der Erde glücklicherweise zunimmt, steigt der Bedarf an Proteinen. Diesen künftig mit Fleisch und Fisch zu decken, wird schlichtweg nicht mehr möglich sein, wenn gleichzeitig die verheerenden Auswirkungen der Klimakrise eingedämmt werden sollen. Hier kommen die Insekten als alternative Proteinquellen ins Spiel. Die Erzeugung von einem Kilo essbarerer Insektenmasse verursacht laut Studien der Universität Parma 1,5 Kilogramm CO2. Die gleiche Menge Hühnerfleisch produziert dreimal so viel, beim Rindfleisch ist es sogar das 20fache.
Auch der Energiebedarf von Insekten spricht für die kleinen Tiere. Sie können auf engstem Raum gehalten werden. Zur Erzeugung derselben Menge an Kalorien brauchen Rinder eine zehnmal so große Fläche wie Insekten, wobei hier die allgemeinen Vorgaben der Rinderhaltung und nicht jene einer tierfreundlichen, naturnahen Haltung auf Weideflächen gemeint sind. Insekten bedürfen selbst keiner Energie zur Wärmeerzeugung, weil sie wechselwarme Tiere sind. Sie brauchen also deutlich weniger Nahrung als andere Tiere und wandeln diese hocheffizient in Körpermasse um. Grillen sind darin doppelt so effizient wie Geflügel, fünfmal effizienter als Schweine und zwölfmal effizienter als Rinder.
Außerdem sind sie beinahe im Ganzen essbar, es entstehen kaum unverwertbare Reste. Bei der Verarbeitung einer Kuh fällt hingegen mehr als die Hälfte ihres Gesamtgewichtes als „Abfallprodukt“ an. Anders als noch in früheren Zeiten werden nämlich Knochen, Fell, Haut, Fett und Talg heute zum Großteil entsorgt und nicht weiterverarbeitet. Ein weiterer Aspekt, der die Haltung von Insekten umwelttechnisch hochinteressant macht, ist ihr überaus geringer Wasserverbrauch. Im Produktionsprozess für ein Kilogramm Insektenmasse werden etwa 800 Liter Wasser benötigt, bei einem Huhn sind es 2.300, bei Schweinen rund 3.500 und in einem Kilo Rindfleisch stecken zwischen 22.000 und 43.000 Liter Trinkwasser.
Eine große Chance
Ob auf den Speisekarten der Zukunft regelmäßig Gerichte aus Insekten zu finden sein werden, hat nicht nur mit der Akzeptanz der Menschen in den Industrienationen zu tun. Ausschlaggebend wird auch sein, inwieweit die Themen Subventionen und Kostenwahrheit in der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte künftig auf der politischen Agenda landen werden. Dass bei entsprechenden Maßnahmen und voranschreitender Sensibilisierung immer mehr Konsument*innen Grille und Wurm eine Chance geben werden, ist zu erwarten.
Die Pionier*innen auf dem Gebiet stellen sich längst nicht mehr die Frage, ob, sondern wann es zur Normalität wird, Insekten zu essen. Ekel und Abneigung gegenüber bestimmten Dingen sind einerseits kulturell bedingt, andererseits aber auch evolutionsbiologisch. Dass Menschen sich vor Maden ekeln, hat etwa damit zu tun, dass diese häufig in verdorbenen, also potentiell gefährlichen Lebensmitteln, auftauchen. Dasselbe gilt übrigens für Schimmel, Rohes und Kohlensäure. Denke man aber an Gorgonzola, Carpaccio und vergorenen Gerstensaft, so lässt sich daraus schließen, dass dieser vermeintlich angeborene Ekel durchaus überwindbar ist.
Text: Lisa Frei
Was ist so super am Superfood Insekten?
Grille, Wurm und Co …
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