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Ich bin eine emanzipierte Frau. Weil ich die gleiche Ausbildung genießen durfte wie ein Mann, weil ich wählen gehen darf wie ein Mann und weil ich alle Fähigkeiten besitze, unabhängig und selbstständig zu leben wie ein Mann. Und natürlich auch, weil ich ab und an sogar schwere Wurzelstöcke auf unserem Hof herumtrage, mit der Motorsäge Stämme durchschneide oder Glühbirnenfassungen in unserer Wohnung montiere. Genauso wie die Männer.
Zumindest dachte ich das. Dann kam Herzmensch und ich habe verstanden, dass diese Emanzipation eine Farce ist. Der Traum von einer Gleichberechtigung, die es nie geben wird, solange diese Wundermenschen in unseren Bäuchen heranwachsen, sich von unserer Milch ernähren und durch unsere Liebe und Aufmerksamkeit zu eigenständigen Individuen werden.
Sobald man Mama wird, stülpt sich mit einem Schlag ein neuer Job über das eigene Leben. Ein Job, in dem ich nicht mehr selbst entscheide, wann ich eine Pause brauche oder bereit bin, Überstunden zu machen. Ein Job, der 24 Stunden und 7 Tage die Woche vollsten Körpereinsatz fordert, damit die Zukunft unserer Erde gesichert ist. Ein Job, der nicht mit Geld entlohnt wird, sondern tagtäglich mit großen, strahlenden Kulleraugen, von tiefstem Herzen kommenden Lachmündern und so viel Liebe. Und doch auch ein Job, der einen zwingt, den eigentlichen Beruf (zumindest für eine ganze Weile) auf der Strecke zu lassen und zurück zu rutschen in alte Rollenbilder. Von denen wir eigentlich dachten, sie lange schon überwunden zu haben.
Es ist ein Zwiespalt, in dem ich mich als Mutter plötzlich wiederfinde. Auf der einen Seite möchte ich die Zeit mit Herzmensch in vollen Zügen genießen, meine ganze Energie in sein Großwerden investieren, ihn unterstützen und fördern, wo ich nur kann. Ich möchte sein kleines Gesichtchen, die Füßchen und Händchen immer wieder studieren, seinen Duft inhalieren und in den Zauber eines jeden Babymoments eintauchen. Schließlich wird er schneller erwachsen und unabhängig von mir sein, als ich es mir überhaupt vorstellen kann.
Auf der anderen Seite plagt mich als Mutter jedoch immer das Gefühl, dass ich zu wenig mache, wenn ich mich „nur“ um den eigenen Nachwuchs kümmere. Und, obwohl wir Frauen mit der Zeit, die wir unseren Kindern widmen, doch eigentlich die wichtigste Aufgabe auf dieser Welt übernehmen, leider auch ein Gefühl, das von der Gesellschaft, meinem Umfeld und – am schlimmsten – von meinem eigenen Gewissen allzu oft bestätigt wird.
Schließlich gratuliert einem niemand, wenn das eigene Kind saubere Windeln und Kleider hat, Bitte und Danke sagt, Fahrradfahren kann oder weiß, was Nächstenliebe bedeutet. Ein gut ausgeführter Auftrag im Job kann hingegen schon mal ganz schön viele Lorbeeren einbringen. Und obwohl man selbst weiß, welche Meisterleistung man hier tagtäglich leistet, hat man irgendwie das Gefühl, es wäre nicht genug.
Kompensiert wird das Ganze also mit einem gut geführten Haushalt: Frisch gewaschene Wäsche, frisch geputzte Räume und frisch gekochtes Mittagessen ergeben gemeinsam ein frisch geborenes Dilemma, das mich als unabhängige und selbstständige, junge Frau – schneller als gedacht – immer wieder zurückkatapultiert in die 1950er Jahre.
Naja, so schlimm, dass ich Frauengold bräuchte, ist es noch lange nicht. Und doch lässt mich dieser Zwiespalt, am eigenen Leib gefühlt, viel über die Position von uns Frauen und Müttern in der Gesellschaft grübeln. Darüber, dass wir noch so emanzipiert sein können und am Ende doch immer wieder vor die Wahl gestellt werden: Kind oder Karriere.
Doch warum müssen wir uns überhaupt entscheiden? Warum müssen wir uns entweder mit der Mutterrolle zufrieden geben, zu Hausfrauen werden und all das zurücklassen, was wir uns bis dahin erarbeitet haben oder das Kind vernachlässigen, um den Job, der einem ja auch Spaß macht, weitermachen zu können? Warum gibt es keine Modelle, die beides ermöglichen, ohne die Mutter Tag für Tag gnadenlos über ihre Grenzen hinauszupeitschen? Und warum muss sich überhaupt nur einer darüber Gedanken machen, wenn doch zwei zur Entstehung eines Kindes beitragen?
Zugegeben, ich habe es noch nicht ganz verstanden. Irgendwie glaube ich nämlich, dass wir viel zu sehr geprägt sind von unserem fortschrittlichen Gesellschaftsbild, das Frau und Mann auf eine Ebene hebt und uns dadurch ganz schön unter Druck setzt. Weil es vergisst, dass wir von Natur aus unterschiedlich sind und deshalb vielleicht auch ganz einfach für unterschiedliche Aufgaben konzipiert wurden. Doch irgendwie glaube ich auch, dass wir den Jäger-Sammlerinnen-Status überwinden können. Wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. An einem dicken Juteseil, das wir über diesen Zwiespalt spannen und mit Hilfe von Freunden und Familie lernen, ganz geschickt darüberzubalancieren. Um zu beweisen, dass es auch anders geht. Auch ohne Frauengold.
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