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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 23.06.2015
LebenWir Ypsiloner

Generation Pendler

Veröffentlicht
am 23.06.2015
Nicht nur Betrüger führen ein Doppelleben. Auch wir Ypsiloner sind Meister der parallelen Lebensführung.
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Ich mache Schluss mit diesem Leben. Ziehe aus, aus einer Stadt, die mir die letzten Jahre Heimat war. Doch damit lasse ich nicht nur neu gewonnene Seelenverwandte und ein Stück meines Herzens hier zurück, sondern auch die Parallelwelt, in die ich mich die vergangenen 1.460 Tage immer wieder gerne geflüchtet habe. Einen Ort fern von Zuhause, der mir Tag für Tag so viel Neues, so viel Unentdecktes geboten hat, der mir einen Ausbruch aus der Heimat-Öde erlaubt und mich dadurch wachsen hat lassen.

Als Ypsilonerin gehöre ich zu der Generation, von der Soziologen behaupten, dass so lange wie wir noch niemand die Schulbank gedrückt hat. Wir seien die am besten ausgebildete Generation seit langem. Studieren ist in, studieren gehört sich. Jeder studiert, denn als Student hat man bekanntlich die besten Jahre seines Lebens – ein Klischee, das ich bestätigen kann.
Doch darum geht es eigentlich gar nicht. Es geht nicht um Ausbildungen, Studientitel und das Gelerne dazwischen. Viel mehr geht es hier um die Art des Lebens, die diese Ausbildungszeit für uns studierte Weltenbürger mit sich bringt: das Leben aus dem Koffer. Das Leben zwischen Stadt und Land. Zwischen Selbstständigkeit und Abhängigkeit. Und um uns Ypsiloner, die wir ständig zwischen diesen Parallelwelten hin und her pendeln und dadurch zu Gästen in unserem eigenen Leben werden.

Unsere Generation ist eine Generation von Pendlern, die ihr halbes Leben in zwei Leben lebt.

Flieg, Vögelchen, flieg!

Hat man die Matura erst einmal in der Tasche, fliegt man aus dem Nest, in dem einem bis dato in wohliger Wärme das Maul gestopft wurde. Fern von daheim lernt man im Dschungel der Großstadt das Fliegen. Anfangs noch mit ein paar holprigen Versuchen, bis der Flügelschlag dann perfektioniert und das heimelige Nest in weite Ferne gerückt ist. Der Freiheit entgegen, hinaus ins Leben, in die große, weite Welt. Irgendwann dann wirds zur Routine, alleine zu fliegen. Ständig. Von A nach B und umgekehrt.

Dann pendeln wir ohne Ende von einem Leben ins andere. Überall sind wir dabei zu Hause und am Ende doch nirgendwo richtig. Von jeder der zwei Welten wollen wir uns nämlich das Beste mitnehmen und leben Momente dadurch im Zeitraffer, um die Erinnerungen daran auf dem hektischen Rückweg ins Parallel-Leben, in prall gefüllten Koffern hinter uns her zu rollen. Von einem Ort an den anderen.
Ich persönlich mag das Gefühl, meine Erinnerungen hinter mir herzuziehen, über Grenzen hinweg. Mein wichtigstes Hab und Gut wohl verpackt von der Stadt aufs Land zu tragen und umgekehrt. Ich mag es hübsch gemacht auf meinem weißen Rennrad durch München zu radeln und Tags darauf in grünen Gummistiefeln und mit Omas Kopftuch zum Apfelpflücken daheim im Matsch rumzutrampeln. Ich mag es, Bindungsglied zwischen zwei Welten zu sein, die keine Vorstellung voneinander haben. Mag diesen Wechsel und die Fluchtmöglichkeit, die jede Art von aufkommender Langeweile sofort im Keim erstickt.
Und auch wenn diese Rastlosigkeit auf Dauer anstrengen kann und die Pendelei mir oft die Luft zum Atmen raubt, so steht sie doch für unsere Generation. Für uns Ypsiloner, die die Flexibilität anbeten und für die kein Weg zu weit ist, wenn es darum geht, Neues zu erleben.

Doch mit dieser Abenteuer-Pendelei ist jetzt Schluss. Schluss mit ständigem Kofferpacken, Gast sein und über Grenzen hinweg arbeiten. Ich breche aus aus dem Doppelleben als Student, versuche die Flexibilität in einem einzigen Leben zu finden und verabschiede mich von den wohl besten Jahren meines Lebens. In diesen Tagen rolle ich also ein letztes Mal meine Erinnerungen im Koffer hinter mir her. Gut getarnt in meinem Rudel aus Pendlern. Der Studentenruhestand ruft. Um es Ypsiloner-like zu sagen: vorläufig zumindest.

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