Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus
Das einfachste Zimmer der billigen Kategorie im Motel Hypnose könnte noch als gewöhnliches Hotelzimmer durchgehen. Wenn man die Lichter nicht einschaltet, die das Bett verdächtig rot leuchten lassen und wenn man von den Spiegeln am Oberboden und an den Wänden absähe. Aber spätestens die Suite mit Striptease-Stange und Dancefloor, Whirlpool, Schwimmbad und einer großen Auswahl an Erotikkanälen lässt unschwer erkennen, wofür Motels wie dieses in Brasilien gedacht sind: um miteinander intim zu werden.
In Europa oder den USA sind Motels Herbergen ohne großen Komfort, direkt an der Straße gelegen, und oft wird mit ihnen etwas Anrüchiges verbunden. Ganz anders in Brasilien. Dort findet man Motels in jeder Preislage, von einfach bis luxuriös. Sie sind ein fester Bestandteil der brasilianischen Kultur, an Wochenenden und besonders an Feiertagen sind sie oft ausgebucht. Denn, so lautet ein Gebot in Brasilien: Die Liebe darf nie langweilig werden.
Seit den 1960er Jahren gibt es in dem südamerikanischen Land Motels, damals wurde Pärchen in Hotels noch eine Heiratsbescheinigung abverlangt. Bis heute sind Motels eine willkommene Alternative geblieben für all jene, die einen Ort brauchen, um ungestört ihre Bedürfnisse auszuleben. Menschen mit Affären, die sich heimlich treffen. Jugendliche, die noch keine eigene Bleibe haben. Eheleute, die ihren Jahrestag feiern oder etwas Abwechslung in ihr Liebesleben bringen möchten. Laut brasilianischem Institut für Geographie und Statistik (IBGE) gibt es in Brasilien mehr Motels als Gasthäuser. Sie machen 24,8 Prozent der Übernachtungsmöglichkeiten aus, und die Branche wächst. 2013 hat die Zahl um zehn Prozent zugenommen. Ihr Umsatz in diesem Jahr: vier Milliarden Reais (1,25 Milliarden Euro).
Motels sind nach dem McDrive-System aufgebaut. Man wählt am Eingangsschalter das Zimmer aus, fährt mit dem Auto zur Garage vor, die direkt ins Zimmer führt und fährt nach Ablauf der Zeit gegen den Uhrzeigersinn im Kreis nach draußen. In einem Motel kann man 24 Stunden frühstücken, zu Mittag oder Abend essen. Die Speisekarte liegt auf dem Nachttisch gleich neben der Karte mit dem Sexspielzeug. Es steht zur Auswahl: Truthahnsalat, dazu eine Pasta mit Artischocken, als Nachtisch Mangoeis. Oder: Vibrator, dazu thailändische Bällchen und Massageöl. Man bestellt beides via Telefon an der Rezeption.
Bisher werden Motels vor allem von Brasilianern aufgesucht, ausländische Touristen checken kaum dort ein. Das soll sich während der Fußballweltmeisterschaft ändern. Motels möchten sich in dieser Zeit als Alternative zu überteuerten oder überfüllten Hotels etablieren und haben dafür im Vorfeld in die Umstellung investiert: Die Beleuchtung gewechselt, runde Betten in eckige umgetauscht, obszöne Bilder von den Wänden genommen. „30 Prozent der Motels haben im Vorfeld der WM umgestellt“, sagt Antonio Carlos Molinha, Präsident des Vereins der Motelbesitzer. Denn, so ist er wie viele andere überzeugt: Brasilien ist nicht vorbereitet, derart viele Menschen unterzubringen. Knapp vier Millionen einheimische und ausländische Touristen werden während der Fußballweltmeisterschaft erwartet.
Am 12. Juni wird der Andrang auf die Motels in diesem Jahr besonders groß sein. Der Tag, an dem die brasilianische Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen Kroatien im Stadion von São Paulo die Weltmeisterschaft eröffnet, fällt in Brasilien auch mit dem Tag der Liebenden zusammen. Kaum ein Motelzimmer bleibt an diesem Datum für gewöhnlich frei.
Support BARFUSS!
Werde Unterstützer:in und fördere unabhängigen Journalismus:
https://www.barfuss.it/support