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Petra Schwienbacher
Veröffentlicht
am 07.04.2016
LebenSüdtiroler Start-up

Faszination Vertikale

Veröffentlicht
am 07.04.2016
Kletterführer, App und Trainingsgeräte: Drei Südtiroler geben Einblick in ihr erfolgreiches Start-up Vertical Life und erzählen, wie sie es soweit gebracht haben.
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Matthias Polig, Maria Hilber und Arno Dejaco – vor dem Eingang ihres Büros in Brixen

32.348 Routen in 823 Klettergärten in 12 Ländern. Das ist Vertical Life, ein Südtiroler Start-up. In einer ruhigen Seitengasse außerhalb des Zentrums von Brixen liegt das neue Büro, in das die Gruppe vor eineinhalb Jahren umgesiedelt ist. Ein zentraler Raum mit Grammophon, kleiner Küche und Wohnzimmerflair. Links davon der Großgewölberaum für die fünf Programmierer, zwei Grafiker und zwei Marketingmitarbeiter, rechts das Büro der Gründer von Vertical Life: Geschäftsführer Matthias Polig, 32 aus Ratschings, Grafiker und Texter Arno Dejaco, 40 aus Brixen und Kommunikationsfachfrau Maria Hilber, 29 aus St. Lorenzen.

Die Ausgangsidee zu Vertical Life war der Gedanke, ein Portal zu schaffen, das die Kletterwelt in Südtirol widerspiegelt. Sie kam Polig schon vor langer Zeit. Dass Vertical Life irgendwann so groß werden würde, damit hat keiner der drei gerechnet, als sie vor dreieinhalb Jahren die Firma gegründet haben. Heute ist Vertical Life ein weltweites Portal für Kletterrouten und Klettergärten mit eigenem Verlag, großer Kletter-App und innovativen Trainingsgeräten. Dazu leiten die drei Kollegen die Kommunikationsagentur „Frei&Zeit“.

Arbeit aus Überzeugung

„Wir machen unsere Arbeit für die Sache, nicht für das Geld“, sagt Polig. Er ist aktiver Sport- und Alpinkletterer und hat viele Routen und Bouldergebiete neu entdeckt und erschlossen. Seine Leidenschaft zum Klettern kam erst spät. Bis er 18 Jahre alt war, übte er nur Sportarten auf Wettkampfbasis aus, wie Laufen und Skifahren. Dann brachte ihn seine damalige Freundin und jetzige Frau zum Klettern – den ersten Sport, den er nur für sich gemacht hat. „Das hat mir total gefallen. Nur die Route und ich“, schwärmt der Routenbauer und Autor von Kletterführern.

„Am Anfang dachten wir, wenn wir es mal auf die Beine gestellt haben, läuft es von alleine. Aber mit der Zeit merkt man erst, was alles dahintersteckt.“

In den vergangenen Jahren hat Polig mehrere große Kletterevents in Südtirol organisiert, darunter das IMS Boulderfestival und den ersten Jugendeuropacup im Bouldern. Damals war er Kunde bei Dejaco, der seit 14 Jahren als selbstständiger Grafiker und Texter arbeitet. Hilber hat für Dejaco als Grafikerin gearbeitet. So haben sich die drei kennengelernt und gemeinsam an Poligs Ursprungsidee gearbeitet.„Wir haben es aus Überzeugung angefangen und waren schon etwas naiv. Sind wir vielleicht immer noch“, gesteht Polig und lacht. „Am Anfang dachten wir, wenn wir es mal auf die Beine gestellt haben, läuft es von alleine. Aber mit der Zeit merkt man erst, was alles dahintersteckt“, gibt ihm Hilber recht. Sie ist schon ihr ganzes Leben lang gerne auf den Berg gegangen und vor sechs Jahren durch Freunde zum Klettern gekommen. Beide versuchen sich dieses Hobby zu bewahren, trotz der vielen Arbeit im Unternehmen. Deswegen geht die Truppe zweimal pro Woche in der Mittagspause mit ihrem ganzen Team klettern. Mit den fünf Südtirolern, dem Finnen, den zwei Litauern und der Italienerin.

Klettern bei Würzjoch – Vertical Life besteht aus kletterfreudigen Chefs und Mitarbeitern.

„Nicht nur dadurch herrscht bei uns ein tolles Arbeitsklima“, sagt Dejaco. Er ist nicht so oft in den Bergen unterwegs, widmet die wenige Freizeit lieber der Kunst oder seiner Frau und seinen vier Kindern. Vertical Life sei für ihn wie ein Buch, das man anfängt zu lesen, „und man nicht aufhören kann, weil man wissen will, wie es weitergeht“.

Papier und Bildschirm vereint

Bereits ein Jahr vor Gründung der Firma haben Polig, Hilber und Dejaco an Vertical Life gearbeitet, eigenfinanziert, ohne Sponsoren. „Wir wollten uns nicht abhängig machen“, erklärt Polig. Innerhalb von zwei Jahren sind sie durch Projektverträge und einige Fixverträge auf zwölf Mitarbeiter gewachsen. „Dass wir durch die verschiedenen Geschäftsfelder breit aufgestellt sind, war der einzige Weg, um es selbst finanziert so weit bringen zu können“, sagt Polig.

Heute ist Vertical Life Marktführer in der Digitalisierung von Kletterführern und hat für das innovative System einen Innovation Award gewonnen. Durch die App Vertical Life mit aktuell 32.000 aktiven Nutzern, verbindet das Trio seit 2013 analoges und virtuelles Verlagswesen auf eine neue Weise. Jeder der acht eigenen Kletterführer enthält nämlich einen Code, mit dem sich die Kletterer gratis Inhalte in der App freischalten können. Darüber hinaus gibt es Kooperationen mit anderen Verlagen, deren Kletterführer ebenfalls digitalisiert wurden und somit in der Buch-App-Kombination erhältlich sind. Die Informationen kommen von Autoren aus der ganzen Welt. „Das wollten wir von Anfang an so machen“, sagt Hilber. „Wir wollten keine usergenerierten Daten, sondern dass Locals, die bereits Bücher schreiben, weiter Geld verdienen und das aufrecht erhalten bleibt.“ So würden Bücher nicht an Wert verlieren und die Daten seien zudem garantiert geprüft.

Jeder User von Vertical Life hat ein eigenes Routenbuch, kann ein Profil erstellen und seinen Kollegen bei deren Kletterrouten folgen. Hat ein Kletterer eine Route geschafft, drückt er auf „Zlag“ und erhält seine eigene Statistik. Zlag kommt aus dem Kletterwortschatz: Hat ein Kletterer nämlich eine Route geschafft, sagt er auf dem Top anstatt „Yeah“ einfach „Zlag“.

Personaltrainer Smartphone

Der Begriff Zlag zieht sich weiter durch das Unternehmen. Der dritte große Geschäftszweig neben Kommunikationsagentur und Vertical Life ist das sogenannte Zlagboard – ein Trainingsgerät für Kletterer. Ein einfaches Holzbrett mit mehreren schmalen Griffen, die so eingefräst wurden, dass Kletterer damit ihre Fingerkraft und Oberkörpermuskulatur trainieren können. „Das Innovative ist, dass das ganze mit einer App funktioniert“, erklärt Dejaco. Auf dem Griffbrett wird das Smartphone montiert. Die App gibt Griffe, Haltezeiten und Trainingspläne vor und das Board wird zum Personaltrainer. Mit der Idee hat Vertical Life vier weitere Innovation Awards gewonnen. Alle fünf strahlen aneinandergereiht von der Wand im zentralen Besprechungsraum.

Um die Erfindung zu vermarkten, haben sich die drei etwas Besonderes einfallen lassen: den Zlagboardcontest auf großen Kletterwettbewerben. Jeder kann sich an eine vorgegebene Leiste des Zlagboards hängen. Dann wird die Zeit gestoppt. Der Weltrekord liegt bei 2,44 Minuten vom zweifachen Kletterweltmeister Ramón Julián Puigblanque. Die Idee brachte dem Team ihren ersten Communication Award auf der ISPO, der größten Sportmesse der Welt. Sie gewannen als bestes Event, gegen alle vertretenen Sportarten.

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Dass das Startup so schnell gewachsen ist, sei nur durch viel Arbeit möglich gewesen. „Wirklich sehr viel Arbeit. Viele glauben, wir gehen nur Klettern und machen unser Hobby zum Beruf. Das mag zu einem Teil stimmen, aber es gehört einfach wahnsinnig viel Arbeit dazu“, sagt Polig. Und seine Kollegen geben ihm recht. „Alleine in einem Kletterführer sind 4.000 verschiedene Routen. Alle haben einen Grad, eine Linie. Alles muss bis ins Detail stimmen“, sagt Dejaco. Er hat den kürzesten Weg ins Büro. Zusammen mit seiner Familie wohnt er im selben Haus.

Gestartet ist das Team zu dritt in einem kleinen Büro hier im Innenhof. Irgendwann mussten sie aus Platzmangel Dejacos Schlafzimmer zum Büroraum umfunktionieren. „Das war zach, zu zwölft in diesen zwei Räumen“, sagt Hilber und lacht. Jetzt sind alle froh über die großen und hellen Räume, die im hinteren Teil Platz bieten, um die Zlagboards zu lagern. Jetzt wollen die drei Vertical Life weiterentwickeln. Und die neue Klimmzugstange „Zlagup“ bald in den Handel bringen. Dafür suchen sie momentan Verstärkung für ihr Team. „Wir wollen vom Start-up zum richtigen Unternehmen werden. Und erreichen, dass sich unsere Projekte selbst tragen können“, sagt Hilber. Die Männer nicken zustimmend. Dann erst könnten sie weitere Projekte umsetzen. „An Ideen scheitert es sicher nicht“, sagt Polig abschließend und grinst.

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