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Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 04.11.2019
LebenAuf a Glas‘l mit Simon Mariacher

„Europa fängt im Dorf an“

Veröffentlicht
am 04.11.2019
Volt ist eine proeuropäische Bewegung, die die EU erneuern will. Simon Mariacher will Volt bei den Gemeinderatswahlen 2020 auf die Wahlzettel bringen.
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Etwas verändern. Das war der Antrieb, der Simon Mariacher dazu bewegte, bei Volt mitzumachen. Zuerst engagierte er sich beim österreichischen Ableger in Wien, wo er Kommunikationswissenschaften studiert. Jetzt ist er zusammen mit Filippo Badolato Koordinator der Gruppe „Volt Bozen“, die zwischen 20 und 30 Mitglieder hat. Wir wollten von ihm wissen, was genau seine Bewegung erreichen will und was Europa mit Gemeindepolitik zu tun hat.

Die Bild-Zeitung bezeichnete Volt als eine politische „Hipster-Bewegung“ – ist es das?
Ich kann verstehen, wenn man es so wahrnimmt. Volt wird effektiv hauptsächlich von jungen Menschen getragen. Die Bewegung entstand als Reaktion auf Souveränismus-Tendenzen in Europa. Es gibt so viele gute Argumente, um pro-europäisch zu sein. Es braucht aber auch Leute, die diese Argumente vertreten.

Warum sind es vor allem junge Menschen, die sich von Volt angesprochen fühlen?
Das ist die Erasmus-Generation. Unter jungen Akademikern ist es inzwischen üblich, in mehreren europäischen Städten studiert zu haben. Dieser kulturelle Austausch macht es für sie sehr einfach, eine europäische Identität zu entwickeln. Aber auch ältere Menschen – ab 50 oder 60 – sympathisieren häufig mit Volt.

Warum gerade die Älteren?
Sie haben den Krieg entweder selbst miterlebt oder sind durch die Familiengeschichte noch sehr durch ihn geprägt. Deswegen sind sie proeuropäisch: Europa ist für sie ein Friedensprojekt und sie wissen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist.

Volt ist proeuropäisch, aber gleichzeitig EU-kritisch – zumindest gegenüber der EU, wie sie jetzt ist. Wie geht das zusammen?
Proeuropäisch zu sein ist ein Wert. Die EU ist aber kein Wert, sondern eine politische Institution und deshalb keine ausgemachte Sache. Es gibt sie seit 1992 und sie muss ständig weiterentwickelt werden. Als guter Europäer sollte man diesen Institutionen nicht ablehnend gegenüberstehen, aber doch ein kritisches Auge haben auf die Dinge, die besser laufen könnten. Das ist ja überall so: Gerade weil man etwas liebt, tut es einem umso mehr weh, wenn man sieht, dass etwas nicht so funktioniert, wie es sollte.

Was läuft gerade falsch in der EU?
Die EU steht still. Sie hat nicht genug Kompetenzen, um gesamteuropäische Probleme – wie Migration, Bankenwesen, Steuerflucht oder EU-Außenpolitik – effizient anzugehen. Und doch hat sie genug Kompetenzen, um für alles verantwortlich gemacht zu werden, was gerade nicht so gut läuft. Für die Politiker der Nationalstaaten ist diese Konstellation sehr bequem. Die Probleme der Menschen werden so aber nicht gelöst.

Wie kann man diesen Status Quo überwinden?
Eine große Verantwortung haben die Medien. Da gibt es oft ein sehr geringes Verständnis der EU, weil man zu sehr auf die nationale Innenpolitik fokussiert ist. Das ist in Italien und Österreich besonders stark ausgeprägt: Obwohl es die Innenpolitik des Landes betrifft, wird die EU immer als Außenpolitik behandelt. Dadurch wird die EU als Fremdkörper dargestellt, den man deshalb auch leicht attackieren kann.

“Echte Politik wird auf Gemeinderatsebene betrieben.”

Volt will bei den Gemeinderatswahlen 2020 antreten. Was hat eine Bewegung, die Europa verändern will, auf Gemeindeebene verloren?
Ich sehe das so: Wenn man ein ganzes Kondominium renovieren will, ist es kein schlechter Ansatz, mit der eigenen Küche anzufangen. Genau das ist die Idee hinter Volt. Bisher sind wir hauptsächlich den größeren Städten verhaftet, aber unser Ziel ist es, in der ganzen Gesellschaft präsent zu sein. Ich glaube auch, dass echte Politik auf Gemeinderatsebene betrieben wird. Dort betrifft es die Menschen am persönlichsten.

Gibt es schon ein konkretes Programm?
Das hängt von der Gemeinde ab. In Bozen stehen wir zum Beispiel stark hinter der Tram nach Überetsch. Das würde den Verkehr enorm entlasten, wäre umweltfreundlich und für die Menschen ein echter Mehrwert. Der aktuelle Plan, die Tram nur bis Sigmundskron zu bauen, macht wenig Sinn. Eine nachhaltige Verkehrslösung muss auch über die Stadtgrenzen hinausschauen.

Wie sieht es mit den bürokratischen Hürden aus?
In den nächsten Wochen müssen wir abklären, in welcher Form wir antreten und mit wem wir zusammenarbeiten wollen. Es gibt durchaus inhaltliche Überschneidungen mit etablierten Parteien. Wie und wo Volt antreten wird, werden diese Sondierungen zeigen. Dann werden wir auch genauer sagen können, in welchen Gemeinden wir antreten.

Die meisten Menschen haben nie ein Erasmus-Semester gemacht und verbringen ihr Leben dort, wo sie geboren sind. Für sie bleibt „Europa“ eher ein Schlagwort aus den Medien. Warum sollte man sich dann überhaupt dafür interessieren?
Weil Europa viel näher ist, als man glaubt. Das fängt schon im Dorf an. Vieles, was auf EU-Ebene beschlossen wird, hat Auswirkungen für unser tägliches Leben, besonders in einer Grenzregion wie Südtirol. Was Volt zum Beispiel auf Gemeinde-Ebene bieten kann, ist das Best Practice-Wissen aus anderen europäischen Gemeinden. Die meisten Probleme, mit denen eine Gemeinde konfrontiert ist, gibt es auch anderswo. Als überregionale Bewegung können wir uns anschauen, wo die erfolgreichsten Lösungen gefunden wurden und dieses Wissen für die eigene Gemeinde anwenden.

Noch eine Frage, die ganz Südtirol betrifft: Wie steht Volt zum Doppelpass?
Das ist eine jener Debatten, die so präsent sind, weil ein paar wenige so laut darüber reden. Als zweisprachige Bewegung stört uns am Vorschlag des Doppelpasses vor allem die Tatsache, dass er italienischsprachige Südtiroler ausgrenzen würde. Als Gegenvorschlag wollen wir einen europäischen Pass. Der schließt alle mit ein: Österreicher, Italiener, Südtiroler.

In Südtirol kann ich mir vorstellen, dass eine Mehrheit glücklich über einen europäischen Pass wäre. Aber das ist im Rest Europas längst nicht überall so, oder?
Das hängt davon ab, mit welchen Argumenten man für einen europäischen Pass wirbt. In Polen oder Ungarn fühlen sich die Menschen wahrscheinlich aus anderen Gründen europäisch als wir. Dementsprechend muss man anders auf die Menschen eingehen. Aber gerade das ist das Schöne an Europa: Es ist irgendwie überall dasselbe und doch wieder anders.

Die Volt-Unterstützer bei der Amsterdam Declaration, dem offiziellen Startpunkt der Europawahl-Kampagne im September 2018.

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