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Veröffentlicht
am 16.10.2017
LebenWelttag der Ernährung

Essen gut, alles gut

Veröffentlicht
am 16.10.2017
Wenn Essen mehr ist, als satt werden: Zum Welternährungstag ein Gespräch über Qualität beim Essen, Dumpingpreise und vergessene Gemüsesorten.
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Barbara Haas und Horst Gapp beim Interview.

Die oew-Organisation für Eine solidarische Welt bittet an den Tisch: Produzenten von biologischem Obst und Gemüse tauschen sich mit Abnehmern aus der Gastronomie aus. Ein Gespräch über Suchen, Zeit und Qualität.

Barbara Dejori Haas, Jahrgang 1962, ließ sich zur Konditorin ausbilden. Aufgrund einer Mehlstauballergie gab sie ihren Beruf auf und übernahm vor 20 Jahren den Kolleggerstall-Hof ihrer Mutter in Eggenbach in Karneid. Auf einem halben Hektar Grund baut die Bäuerin alte Gemüsesorten in biologischer Qualität an. Von April bis Oktober verkauft sie Obst, Gemüse, Eier und Blumen jeweils freitags auf dem Bauernmarkt in Welschnofen und beliefert außerdem einige Restaurants, darunter das Berghaus Rosengarten Welschnofen. Ihr Mann geht dem Spenglerei-Beruf nach, die drei Kinder sind volljährig.

Horst Gapp ist 1945 in Prad am Stilfser Joch geboren und als Kellner in die Gastronomie hineingewachsen. Das Kochen hat er sich selbst beigebracht, als er vor mehr als 30 Jahren zu seiner Frau Monika in das Berghaus Rosengarten nach Welschnofen zog und es seither mit ihr und den inzwischen erwachsenen Kindern führt. Für hochwertige und biologische Produkte zahlt der Hotelier gerne einen fairen Preis. Er legt Wert auf lokales, saisonales Obst und Gemüse, verarbeitet Kräuter und Blüten, vermisst beim Einkauf aber häufig Ehrlichkeit und Interesse an (kleinen) Kunden.

Was freut Sie an alten Gemüse- und Obstsorten?
Barbara Dejori Haas: Ich bin in den Sortenreichtum langsam hineingewachsen. In der Laimburg in Auer habe ich verschiedene Ausbildungen gemacht und bin seither Mitglied beim Sortengarten Südtirol. Wir tauschen ständig Samen und Pflanzen aus. Ich probiere viel, züchte, koste und sortiere aus. Das hat fast Suchtpotenzial. Auf verschiedenen Märkten, bei denen wir als Sortengarten teilnehmen, ist das steigende Interesse der Bevölkerung spürbar. Vor allem zu Tomaten habe ich eine Affinität entwickelt. 65 Sorten habe ich im vergangenen Sommer gezogen: schwarze, gelbe, orange, violette, rote. Sie haben einen intensiven Geschmack. Was ich an biologischem Saatgut in Südtirol nicht tauschen oder kaufen kann, bestelle ich aus Deutschland. Ich freue mich über geschmacklich wunderbare Kartoffeln wie die „Rote Emma“, den „Blauen Schweden“, „Ackersegen“ oder das „Bamberger Hörnchen“. Bei uns am Hof haben wir auch Bienen und Blumen, Zwetschgen, Marillen, Äpfel, dazu Hennen, Hasen, Laufenten, Truthühner, Meerschweinchen und Wachteln. Sie haben freien Ausgang. Außerdem leben bei uns viele Vögel, Schnecken, Schlangen und Siebenschläfer.

Sie kochen seit 30 Jahren für Ihre Gäste. Was hat sich verändert?
Horst Gapp: Die Menschen kaufen und essen immer mehr Fertigprodukte. Gaumenfreude ist aufgrund der Geschmacksverstärker wohl gegeben, allerdings nehmen Intoleranzen und Allergien zu. Der Mensch nimmt sich zu wenig Zeit, schlägt sich das Essen zwei Mal um die Zunge, schluckt und schaut nebenbei auf das Handy. Schnelles und unüberlegtes Essen macht krank. Ich wünsche den Menschen, dass sie in Ruhe essen, dass sie schmecken, was sie essen, dass sie kauen und Freude am Kochen haben. Leider haben viele verlernt, mit und in der Natur zu leben und das zu schätzen, was sie uns bietet.

Warum sind Ihnen Naturnähe und Gesundheit so wichtig?
Barbara Haas Dejori: Qualität ist meiner Ansicht nach Erziehungssache. Bereits meine Oma hat Wert darauf gelegt, meine Mutter auch. Mir ist es wichtig, dass wir uns in der Familie gesund ernähren. Unser Betrieb ist zwar nicht biologisch zertifiziert, aber ich benutze gegen Schädlinge keine konventionellen Spritzmittel. Auf unserem Hof kann es lagebedingt sehr heiß und feucht sein, das Obst ist anfälliger. Ich spritze unter anderem mit Aufgüssen von Schachtelhalmen oder Brennnesseln, dünge im Frühjahr mit Kuhmist oder gutem Kompost. Schädlinge vermehren sich weniger stark, wenn man manches Unkraut stehen lässt. Die Natur hilft sich selbst, wenn wir es zulassen. Die Arbeit mit der Erde macht mir Freude, ich möchte ihre Fruchtbarkeit erhalten und die Fruchtfolge einhalten.
Horst Gapp: Es ist wichtig, dass die Böden gesund bleiben. Dann kann auch die nächste Generation noch davon leben. Wir bräuchten mehr Wissen und Wille an Information. Unsere Wiesen, Äcker und Gärten bieten eine riesige Vielfalt an Kräutern, Blüten, Gemüse und Obst, die man wunderbar in den Speiseplan integrieren kann. Wir sollten den Pflanzen auch Ruhezeiten gönnen, unter anderem die Mondzeiten mitdenken und beispielsweise nicht bei wachsendem Mond Bäume oder Sträucher schneiden. Der Mensch hat verlernt, Mensch zu sein, mit der Natur zu gehen, das vielfältige Angebot zu sehen. Da ich jeden Tag lange in der Küche stehe, bleibt mir zu wenig Zeit, um mich im Freien mit den Geschenken der Natur zu befassen.

Was bieten Sie Ihren Kunden?
Barbara Haas Dejori: Neben den klassischen Gemüsesorten wie Zucchini, Melanzane oder Peperoni ziehen wir verschiedenste Sorten von Tomaten, aber auch Gartenmelde, Baumspinat, Knollenziest, Erdmandeln, Erdkirsche oder die Minigurke Melotria. Bei den Kräutern bauen wir beispielsweise Asia, Blutampfer, Schildampfer, Sauerkleegewächse, Hirschhornwegerich oder Minze an. Die Produkte haben Absatz, auch Restaurants melden sich immer häufiger und möchten die besonderen Sorten haben.
Horst Gapp: Vor allem Kräuter sammeln wir selbst, machen Aufstriche und bieten sie am Frühstücksbuffet an. Wir benutzen keine Konservierungsstoffe, wenig Zucker, als Ersatz Blüten- oder Akazienhonig und rühren die Marmelade kalt an. So hält sie zwar nur wenige Tage und man kann nur kleine Mengen davon machen, aber der Geschmack ist unvergleichlich. Die Gäste schätzen das und bedanken sich für die Frische und Naturnähe. Wir haben viele Stammgäste, die eine Woche und länger bleiben. Montags veranstalten wir nach dem Abendessen Cook-Meetings und informieren dabei über unsere Ziele und Grundprodukte. Vor ihrer Abreise bitten wir die Gäste um das Ausfüllen eines Fragebogens. Wir wollen uns verbessern und weiterentwickeln und dabei die Natur im Blick behalten.
Barbara Haas Dejori: Ja. Die Informationsarbeit ist wichtig. Ich biete immer wieder Verkostungen an. Vor allem bei den Tomaten staunen die Menschen über den guten Geschmack. Viele kennen nur die zwar schönen, aber geschmacklich nichtssagenden Tomaten aus dem Geschäft. Auf die Sorte kommt es an – und auf die Vielfalt.

Wie kaufen Sie ein?
Horst Gapp: Ich versuche, soweit wie möglich lokal einzukaufen, möchte die dörfliche Wirtschaft unterstützen, verlange dafür aber Qualität. Für kleine Betriebe wie unseren mit rund 30 Hausgästen ist der Einkauf schwierig, wenn man Wert auf Qualität legt – bei Obst und Gemüse genauso wie bei Fleisch. Umso mehr freue ich mich über Anbauerinnen wie Barbara Dejori Haas, denen ich vertrauen kann. Ich erwarte mir vom Verkäufer, dass er über seine Produkte Bescheid weiß. In Geschäften ist diese Informationsbereitschaft kaum gegeben. Als kürzlich die Traubenernte voll im Gang war, habe ich in einem Laden nach Südtiroler Trauben gefragt, aber keine bekommen. Es hängt vom Interesse der Käufer ab: Sie können das Angebot maßgeblich beeinflussen. Oft fehlt es an Kommunikation, Ehrlichkeit und Verantwortung. Ich bin überzeugt, dass auch kleine Geschäfte Zukunft haben, wenn sie auf lokal, saisonal, fair, Qualität und Transparenz setzen.

Ist Bio für alle leistbar?
Barbara Haas Dejori: Meinen Kundinnen und Kunden ist ein gesundes und geschmacksvolles Produkt wichtig. Ich kann und will nicht zu Dumpingpreisen anbieten. Wer einen Bezug zum Boden und zur Natur hat, weiß, wie viel Zeit und Arbeit hinter einer Tomate oder Himbeere steckt. Und der ist bereit, einen fairen Preis zu zahlen.
Horst Gapp: Wenn ich weiß, woher das Produkt kommt und wie es angebaut wurde, ist der Preis unwichtig. Ich möchte gesund essen und meinen Gästen gesundes Essen anbieten. Dafür muss ich meinen Lieferanten vertrauen können und brauche ihre Zuverlässigkeit.

Das Interview führte Maria Lobis.

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