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„Faccio ogni giorno la meditazione“, so Massimo Burchiellaro, der sich Massimo Tenzin Dondrub nennt. Er trägt keine typische orangefarbene Kutte, sondern einen schlichten Pullover, darunter ein Hemd. Jeder Tag sieht für den Meraner erstmal gleich aus. Nach dem Aufstehen und noch vor dem Frühstück beginnt er den wichtigsten Teil des Tages: Er meditiert. Dabei zündet er eine Kerze an seinem Altar an und rezitiert einige Minuten seine Gebete. Darauf folge eine halbe Stunde die Meditation, dann schließe er das Ritual mit zwei weiteren Gebeten ab, erklärt er und nimmt seine Brille ab.
Burchiellaro ist seit fast 18 Jahren einer von rund sechzig Buddhisten in Südtirol. Die viertgrößte Religion und Lehrtradition der Erde stammt ursprünglich aus Indien. Weltweit haben sich über 300 Millionen Menschen dem Buddhismus verschworen.
Was bedeutet Buddhist-Sein?
Burchiellaro hat eine Frau und vier Kinder. Seine Kinder im Alter von 19 und 20 Jahren leben auch nach dem buddhistischen Prinzip. Die elfjährige Tochter meditiert sogar regelmäßig mit ihm. Was macht den Buddhismus also für Jugendliche so interessant? Für Burchiellaro ist die Antwort darauf ganz klar. Buddhismus unterliege keinen bestimmten Glaubenssätzen, denen man blind folgen müsse. Ein Buddhist glaube an keinen Gott, auch nicht an Buddha, sondern allein an dessen Lehren. Man lege die Aumerksamkeit aufs Karma, also auf die Verantwortung des eigenen Handelns, erklärt der Meraner Buddhist.
Macht dies das Geheimnis des Buddhismus aus? Das Fundamentale der Religion ist der Gedanke, dass es kein „Selbst“ gibt. Niemand ist ein Individuum, sondern Teil eines Ganzen. „Siamo tutti interconnessi. Tutti dipendiamo uno dall'altro e anche dall' ambiente esterno, dai pianeti, dalle energie cosmiche“, so beschreibt es Burchiellaro. Anhänger des Buddhismus leben nach dem sogenannten Dharma (Wahrheit), das eine fast endlose Sammlung von Belehrungen und Praxisanweisungen beinhaltet. Die wichtigsten sind die vier edlen Wahrheiten, die besagen: Es gibt Leid im Leben; Leid entsteht durch Begierde, Anhaftung und Egoismus; es ist möglich, sich vom Leid zu befreien; der Weg dazu ist der „achtfache Pfad zum rechten Leben“. Für den Meraner sind das Wichtigste: „La meditazione e la pratica dell'etica.“ Er versucht jeden Tag so gut wie möglich die fünf Gebote, die es im Buddhismus gibt, zu befolgen. Demnach darf er nicht stehlen, nicht töten, nicht lügen, keine berauschenden Mittel zu sich nehmen und nicht unkeusch sein.
Mitgefühl und Wiedergeburt
Trotzt dieser Gebote darf er durchaus Sex haben oder das ein oder andere Glas Wein trinken. Jeder habe seinen Partner aber zu lieben und zu respektieren, so Burchiellaro. Beim Alkohol solle man es nicht überteiben. Ebenso bedeutet das Gebot des Stehlens weit mehr, als sich so manch einer bewusst ist. Sei man beispielsweise bei Freunden zu Besuch und auf dem Tisch liegen Süßigkeiten, dann soll man zuerst danach fragen, ganz nach dem Motto: Nimm nichts, was dir nicht gegeben wurde.
Beim Gebot nicht zu töten gehe es nicht nur darum, nicht bewusst zu töten. Dieses Gebot wird viel weiter gefasst. „Non é così, che io sono un assassino“, sagt er lachend. Man müsse sich bewusst sein, dass beim Betreten einer Wiese, Hunderte von Ameisen und Insekten getötet werden und diesen dann ein Gebet widmen.
Buddhisten glauben an die Wiedergeburt. Deswegen soll jedes Lebewesen mit Mitgefühl behandelt werden, schließlich kann man im nächsten Leben selbst auch als Tier wiedergeboren werden. Aber darf ein Buddhist deshalb auch kein Fleisch essen? Falsch! Buddhisten dürfen nur kein Tier selbst töten. Fleisch essen, ist erlaubt. Burchiellaro selbst war zwei Jahre lang Vegetarier. Da er durch seine Arbeit aber sehr oft auswärts isst, war es für ihn nicht einfach. „Ho pensato prima o poi ritornare vegetariano. Sarebbe un'ottima cosa“.
Dalai Lama und Zufluchtnahme
„Fino da bambino ero affascinato dall' Oriente“, sagt der 53-Jährige. Mit zehn Jahren, so erzählt er, ging er ins Reisebüro, um Prospekte vom Orient zu sammeln, Bilder herauszuschneiden und davon zu träumen, einmal diese Orte zu besuchen. Das machte er später dann auch. Er verwirklichte seinen Traum und reiste in ferne Länder. Seine letzte Reise, so erzählt er stolz, führte ihn nach Indien, wo er Berge im Himalaya bestiegen hat. „Ho incontrato i monaci tibetani, che mi hanno fatto un impressione molto forte", so Burchiellaro.
1996, wieder in Italien, traf er den Dalai Lama höchstpersönlich. Burchiellaro war mittendrin, als der berühmte buddhistische Mönch in Pisa seine Lehren verbreitete. Mitgefühl, Friedensbotschaft, Philosophie, Freundlichkeit und Selbstlostigkeit seien dabei von zentraler Bedeutung gewesen. Im darauffolgenden Jahr war es dann endlich soweit. Burchiellaro hat seinen Lehrmeister in Mailand kennengelernt. Durch eine Zeremonie, die sogenannte „Zufluchtnahme“, wurde sein Buddhist-Sein offiziell bestätigt. Es sei so ähnlich wie die Taufe bei einem Christen, nur ohne Wasser, sondern mit dem symbolischen Schneiden der Haare. „Da questo momento devi praticare la mattina la meditazione e rispettare i cinque precetti“, so Burchiellaro. Ein großer Augenblick für den Gläubigen.
Heute ist der Familienvater Direktor des Zentrums für tibetanische Studien Mandala-Deua Ling in Meran. Es ist in Südtirol das einzigste von der Unione Buddista Italiana (UBI) in Rom anerkanne Zentrum, ein buddhistischer Tempel. Dort organisiert er Seminare und leitet Meditationen für durchschnittlich zehn Personen. Seit 13 Jahren gibt es das Zentrum, welches dafür da ist, sich auszutauschen und gemeinsam zu meditieren. Die jüngsten Buddhisten, die herkommen, sind rund 20 Jahre alt. Sie haben sich wie der Meraner den Weisheiten des Buddha verschworen und befolgen, so gut es geht, die Grundsätze des Buddhismus. Wenn man danach lebt, so Burchiellaro, könne das eigene Bewusstsein in eine höhere Form der Bewusstheit und Wahrheit eintreten. Der Mensch werde von Gier, Hass, Wahn und Angst befeit, das Ego erlösche, Gefühle wie Schuld und Depression verschwinden und weichen der Lebensfreude. Man erreiche das im Buddhismus berühmte, hoch angestrebte Nirwana.
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