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Im Rahmen der 40-Jahr-Feier zum Bestehen des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz hat die SH-Vizevorsitzende und Umweltaktivisitin Ariane Benedikter eine Rede gehalten, die wir an dieser Stelle veröffentlichen:
Die Rahmenbedingungen sind heute andere als vor 40 Jahren. Meine Generation, ich bin 21 Jahre alt, ist nicht mehr die Generation der PionierInnen, die die Nachhaltigkeitsbewegung für Südtirol so erfolgreich begonnen und unermüdlich vorangetrieben haben. Sie war erfolgreich in dem großen Vorhaben, Nachhaltigkeit nach und nach zum Mainstream etabliert zu haben. Heute dagegen stehen wir vor einem globalen Einschnitt und einem möglichen Wendepunkt in der Umwelt- und Klimafrage, der der Fortsetzung dieser Arbeit bedarf. Deshalb ist meine Generation die der Fortsetzer und Umsetzer.
Meine Generation ist die der Fortsetzer und Umsetzer.
Weil ich die Letzte und Jüngste in dieser bemerkenswerten Rednerrunde bin, ist meine Wunschliste auch nur sehr kurz. Ich möchte auf fünf Punkte eingehen, die meiner Meinung nach für den Umweltschutz in Südtirol allgemein und somit auch für den Dachverband in den kommenden Jahren wichtig sein können:
1. An erster Stelle steht für mich die Anziehung und Mobilisierung – neuhochdeutsch das „Empowerment“ – der Jugend. Manche haben ein problematisches Bild der heutigen Jugend, das so nicht zutrifft. Die heutige Jugend ist keine „no future“ Generation, sondern will konstruktiv an der Lösung der Umweltfrage mitwirken, wenn man sie einbindet und ernst nimmt. Wir sollten voranschreiten zu einer Korrektur von Bildern der Jugend und uns der Mobilisierung des riesigen positiven Potentials widmen, das zum Teil noch brachliegt. Es geht mehr denn je darum, bereits bei der Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen im Schulalter zu beginnen, damit das Umweltbewusstsein zu etwas ganz Normalem und Natürlichem wird. Das schließt die Einführung von Umweltbildung als Schulfach auf verschiedenen Ebenen des Bildungsweges ein – der Dachverband sollte also idealerweise mehr mit jungen Menschen in Kontakt treten und bei der Sensibilisierung in Bezug auf Umwelt- und Naturfragen von diesen ansetzen.
2. Die Ermächtigung von Frauen und die Genderfrage. In allen Strategien globaler Einrichtungen, darunter der UNO und der UNESCO, spielt die Genderdebatte heute eine zentrale Rolle. Der ehemalige UNO-Generalsekretär Ban-KI Moon hat im Rahmen des Forum Alpbach 2020 gesagt, dass man die Klima- und Umweltfrage nicht ohne die Gender-Frage lösen kann – und umgekehrt. Der Dachverband geht hier beispielhaft voraus – die Geschäftsstelle des Dachverbandes wird von drei starken Frauen geleitet. Diesen Trend gilt es auszubauen, auch mit Bezug auf die nachwachsende Generation.
Resilienz braucht Nachhaltigkeit, und Nachhaltigkeit braucht Resilienz.
3. Strategisch geht es in den kommenden Jahren entscheidend um die Ausbalancierung zwischen Resilienz und Nachhaltigkeit. Wir haben im Gefolge der Covid-19-Pandemie sowie des russischen Ukraine-Krieges einen Trend, Nachhaltigkeit zurückzufahren zugunsten von Strategien der Resilienz. Resilienz heißt Widerstandsfähigkeit, aber auch Selbsterneuerungsfähigkeit in Krisen. Resilienz ist wichtig, kann aber Nachhaltigkeit nicht ersetzen. Im Gegenteil: Resilienz braucht Nachhaltigkeit, und Nachhaltigkeit braucht Resilienz. Wir sollten darauf hinwirken, dass Nachhaltigkeit ihre Bedeutung bewahrt und in den kommenden Jahren stärker mit (Multi-)Resilienz-Narrativen und Maßnahmen bereichert wird. Resilienz sollte aber nicht wichtiger werden als Nachhaltigkeit. Auch hier kann der Dachverband mit dem Verbreiten des Umweltgedanken auch in Zukunft dagegenwirken.
4. Ausbau der Reichweite. Einfluss des Dachverbandes und von Umweltfragen insgesamt solle ausgebaut werden; mehr konkrete Projekte veranstaltet werden, immer im Rahmen des Dachverbands, aber vor allem aus Eigeninitiative der Mitgliedsorganisationen; deren Anzahl noch nie so groß war wie jetzt – alle sollten daran mitwirken. Denn wird die Bekanntheit des Dachverbands und seine Reichweite ausgebaut, so hat dieser nicht nur mehr Einfluss auf die Politik, sondern es wird einmal mehr der Natur- und Umweltschutzgedanke hinausgetragen und die Menschen sensibilisiert.
Wir müssen den wiedereinsetzenden Tourismus nachhaltiger gestalten und Übertourismus zurückfahren.
5. An konkreten Herausforderungen für Maßnahmen für Südtirol mangelt es nicht: der neue Raumordnungsplan muss nachhaltiger angepasst werden, der Klimaplan durch z.B. die 12 Forderungen von Climate Action South Tyrol ergänzt werden. Wir müssen den wiedereinsetzenden Tourismus nachhaltiger gestalten und Übertourismus zurückfahren. Wir brauchen nach wie vor mehr Öffis, und wir sollten die Option und Chance von erneuerbaren Energien ausbauen. Und damit ist die Liste von konkreten Herausforderungen, die zugleich Chancen sind, noch lange nicht vollständig. Der Dachverband sollte auch in Zukunft hier gezielt Stellung beziehen und somit auf Missstände aufmerksam machen.
Wo liegt die Perspektive? Auch wenn die epochale Herausforderung des Klimawandels bleibt, uns noch viele Jahre beschäftigen wird und auch in Südtirol noch viel zu tun ist, sollten wir – gerade aus der Perspektive der Jugend – positiv in die Zukunft schauen.
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