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Matthias Mayr
Veröffentlicht
am 20.05.2020
LebenInterview mit Filmemacher Lukas Pitscheider

Die letzten Österreicher

Veröffentlicht
am 20.05.2020
Der Grödner Lukas Pitscheider entdeckte zufällig eine fast vergessene österreichische Kolonie in der Ukraine. Daraus machte er einen preisgekrönten Film.
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Vitali Palinkasch, hier mit seiner Frau Slavka, ist Vater der kleinen Erika. Im Sägewerk verdiente er zu wenig, um seine Familie zu ernähren, er will …

Wie hast du die Österreicher in der Ukraine entdeckt?
Ich war per Autostopp nach Budapest unterwegs, der Fahrer sagte mir, er fahre weiter nach Mukatschewo und ich bin dann, ohne es zu planen, in der Ukraine gelandet. Das war im April 2016. Ich blieb ein paar Tage, denn es ist dort unglaublich schön, und es ist ein Grenzort mit bewegter Geschichte und Ähnlichkeit zu Südtirol. In der Gegend lebt auch eine deutsche Minderheit, die Donauschwaben, und die erzählten mir von einer deutschsprachigen Enklave ‘in den Wäldern, weit weg’. Es klang, als sprächen sie von einem Eingeborenenstamm im Amazonas. ‘Das sind Österreicher, so wie du’, sagten sie mir, also machte ich mich auf den Weg, eingequetscht in einem kleinen Bus, am Boden sitzend, die Straßen wurden immer schlechter. Irgendwann ging es nur mehr im Schritttempo weiter, zu Fuß wärst du schneller.

Aber irgendwann warst du da.
Es war wie eine Zeitreise. Kleine Häuschen aus Holz, sehr abgelegen, die Leute sprachen einen alten deutschen Dialekt. Es war gleich klar, darüber mache ich einen Film.

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Der Film handelt über die aussterbende deutschsprachige Minderheit im Theresiental in den ukrainischen Waldkarpaten. Die österreichischen Bewohner wurden im 18. Jahrhundert aus dem Salzkammergut als Waldarbeiter im damaligen Osten der Habsburgermonarchie angesiedelt.
Die Ortschaft Königsfeld (ukrainisch ‘Ust-Tschorna’) mit etwa 1.500 Bewohnern war Anfang der 1990er Jahre noch ein mehrheitlich österreichisches Dorf.

Man versteht die Menschen recht gut, wenn sie Deutsch sprechen. Einige sprechen einen recht kuriosen Dialekt, der mich etwas ans Fersentalerische erinnert, andere reden ein recht sauberes Hochdeutsch, wieder andere ukrainisch.
Die Mehrheit der Bevölkerung redet mittlerweile ukrainisch, beziehungsweise einen transkarpatischen Dialekt. Die Österreicher sprechen einen Salzkammerguter Dialekt, der sich musealisiert hat, nach zwei Jahrhunderten der Abschottung, mit einigen ukrainischen Einflüssen. Das Hochdeutsche ist eher uns geschuldet, die Kamera verändert das Verhalten der Menschen. Aber es gibt ein paar schönes Szenen, in denen die Menschen die Kamera vergessen und völlig natürlich sind.

Hat das meiste durchs Reisen gelernt: der Grödner Filmemacher Lukas Pitscheider.

Ist die Sprache geschützt?
Es gibt zwar Deutschunterricht in den Schulen, aber in gemischten Paaren setzt sich meist das Ukrainische durch. Die Sprache verschwindet.

Königsfeld liegt in einem langgezogenen, kleinen Tal. Pferdefuhrwerke fahren durchs Bild, das Sägewerk scheint der einzige Arbeitgeber zu sein.
In den 1990er Jahren stand die Industrie in Blüte, seitdem ist alles zerfallen. Die von einem Hochwasser zerstörte Bahnlinie hat das noch beschleunigt. Holz ist der einzige Rohstoff, früher wurde er zumindest verarbeitet, heute werden die Stämme meist im Ganzen abtransportiert.

Man sieht im Film, wie ganze Berghänge abgeholzt werden.
Das Sterben der Karpatenwälder ist dort ein Riesenthema. Diesen Kahlschlag kann man nicht wieder gutmachen. Aber keiner kontrolliert das. Wenn es mal ein paar Tage regnet, kommen wahre Sturzbäche die Hänge herunter. In den 1990er-Jahren war das Dorf zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten.

Wovon leben die Menschen?
Es gibt neben der Holzwirtschaft und einigen öffentlichen Stellen noch ein paar, die probieren es mit dem Tourismus, sonst gibt’s nichts.

Zwei Einheimische wollen den Tourismus aufbauen und suchen nach einem alten Skilift, den sie herbringen wollen.
Es gab schon früher etwas Tourismus, aber das brach alles zusammen. Josef hat eine Hütte für Touristen hergerichtet, ein Flickwerk aus Sperrmüll. Sie haben einen alten Generator, groß wie ein Wohnmobil, der beim Anlassen eine unglaubliche Rußwolke ausstößt. Weil ich aus einem Skigebiet komme, sollte ich ihm helfen, einen alten Skilift zu organisieren.

Viele ziehen weg, erfährt man, nach Österreich oder in die USA.
Manche gehen arbeiten und kommen dann wieder, manche gehen für immer.

Wie lange warst du in Königsfeld?
Mehrmals, mal kürzer, mal über ein Monat lang, über einen Zeitraum von drei Jahren.

Wie hast du das Projekt finanziert?
Über eine Koproduktion mit dem ORF. Trotzdem, der Film war Selbstausbeutung par excellence, ich will meinen Stundensatz gar nicht wissen. Aber manches muss man aus Leidenschaft machen.

Lukas Pitscheider, 33, wohnt in Gröden und Wien. Seit er 18 ist, reiste er immer wieder per Autostopp durch die Welt, er kam auch in Kriegsgebiete wie Irak und Syrien. „2011 bin ich in sechs Tagen von Wien nach Antakya getrampt, dann ging’s nach Aleppo, Idlib, Rakka und Damaskus, ich habe auch für verschiedene Medien aus Syrien berichtet.“
Er machte den Master in Journalismus und Neue Medien an der FH Wien, “aber Vernünftiges gelernt habe ich auf meinen Reisen.” Über den Journalismus kam er in die Dokumentarfilmecke, seit drei Jahren organisiert er das Filmfestival „Dolomitale“.

In einer Szene sieht man die Dorfbewohner beim Scheibenschlagen.
Das ist offenbar erhalten geblieben. Ich denke, die Leute wissen selbst kaum, warum sie das machen.

Der Film transportiert eine schöne Stimmung, sphärische Szenen, diese verregneten Wälder unterlegt von einer wunderbar melancholisch-erhabenen Musik
Die Musik ist von der Gruppe Folksmilch eigens für den Film komponiert worden. Die sind Weltklasse. Der Film wurde mit dem „Deutschen Dokumentarfilm-Musikpreis 2020“ ausgezeichnet.

… andererseits musste ich mir nach dem Film im Internet recherchieren, um mehr über dieses Königsfeld und seine Bewohner zu erfahren. Im Film gibt es keinen Erzähler, aber ich möchte viel mehr über diese Menschen wissen, wieviel Österreicher gibt es noch, was arbeiten sie, was hat es mit der Abwanderung auf sich, ist das Deutsche eine anerkannte Sprache, und so weiter.
Die Fragen sind berechtigt, aber es ist keine Fernsehberichterstattung, es ist ein Kinofilm. Es geht um das Vermitteln von Emotionen, nicht um Fachwissen. Ich wollte einen schönen, malerischen Film, keine schnelle Reportage.

Wo kann man den Film sehen?
Das ist coronabedingt schwierig. Die ganzen Filmfestivals sind abgesagt, die gesamte Branche ist etwas planlos. Aber wir werden ihn nicht im Internet zeigen, da würde viel verloren gehen. Die Premiere findet auf jeden fall in einem Kino statt.

Was hast du für Pläne?
Wir versuchen unser Filmfestival Dolomitale zu organisieren, in dieser schwierigen Zeit. Und ich habe einige andere Tätigkeiten, abseits vom Film. Aber in erster Linie versuche ich, den Film zu verwerten. In Trient soll er gezeigt werden, im Herbst in München, wo der Preis übergeben wird. Ich plane eine Vorführung in Königsfeld, wenn es der Virus wieder zulässt. Der Rest wird sich zeigen.

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