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Als ich an einem Samstagmorgen Ende Jänner durch den eigens eingerichteten Presse-Eingang in die Brixner Cusanus-Akademie eingelassen werde, überkommt mich eine Mischung aus Neugier und dem Gefühl, fehl am Platz zu sein. In wenigen Minuten findet hier eine von mehreren Sitzungen statt, an denen 259 Synodale das Visionspapier mit neuen Plänen und Vorhaben für die Kirche in Südtirol ausarbeiten. Bischof Ivo Muser ist anwesend, genauso wie zahlreiche Priester und Ordensleute, aber auch Laien, die sich durch ihr Engagement im kirchlichen Umfeld hervorgetan haben. Ich selbst stehe mit der Kirche nicht gerade auf gutem Fuß. Von Dogmen und vernunft-immunen Glaubenssätzen halte ich gerade mal so viel, wie von sehr schlechten Witzen: Man kann sie nicht nachvollziehen, eigentlich sollte man einfach nur darüber lachen können, aber letztlich wäre diese Welt doch besser dran, wenn es sie nicht gäbe. Und gerade ich soll über diese Synode berichten, einen wichtigen Meilenstein in der jüngeren Geschichte der Südtiroler Kirche?
Lisa Huber, die Vorsitzende der Katholischen Jungschar Südtirol, kommt mir entgegen und erlöst mich von diesem Fremdheitsgefühl. Sie ist im Präsidium der Synode dabei: Das Präsidium ist vor allem für das Organisatorische zuständig, unter anderem muss es bestimmen, welche Fragen wann behandelt werden.
Gleich zu Beginn sorgt eine solche Entscheidung des Präsidiums für große Aufregung. Nachdem die jüngeren Synodalen mit Musik und Vorlesen von biblischen Versen für Stimmung gesorgt haben, kippt die idyllische Atmosphäre gleich wieder, als Männer wie Herbert Denicolò oder Georg Oberrauch empört das Mikrofon ergreifen: Das Präsidium habe die wirklich wichtigen und umstrittenen Themen der Synode bewusst ans Ende der Tagung gesetzt, um ihnen die gebührliche Aufmerksamkeit vorzuenthalten. Dazu gehören das Zölibat, die Priesterweihe für Frauen und die Eucharistie für Geschiedene und Wiederverheiratete. Das Ganze stellt sich im Nachhinein als Missverständnis heraus. Wie mir Lisa Huber erklärt, hatte das Präsidium lediglich die Absicht, die heikleren Fragen, die nicht der Entscheidungsgewalt der Diözese unterliegen, dadurch abzugrenzen von den Themen, die tatsächlich unter dem Einfluss unserer Diözese liegen. „Am Ende hätte man sonst vielleicht noch den Eindruck gehabt, dass wir hier in Brixen plötzlich über Zölibat und Priesterweihe für Frauen entscheiden“, klärt Lisa.
„Für eine noch größere Meinungsvielfalt hätte man allerdings auch jemanden von außerhalb des kirchlichen Umfelds einladen sollen“, meint Lisa.
Das Missverständnis und seine Folgen haben gezeigt, wie demokratisch der Entscheidungsprozess in der Synode abläuft. Jeder der Synodalen darf ans Mikrofon, jeder darf seine Meinung kundtun und aktiv am Visionspapier mitarbeiten. Genauso demokratisch läuft der Rest des Treffens ab: Einzelne Kommissionen haben zuvor die verschiedenen Kapitel im Visionspapier verfasst. Dann wird in der großen Runde über Änderungs-, Streichungs- und Zusatzanträge abgestimmt. „Für eine noch größere Meinungsvielfalt hätte man allerdings auch jemanden von außerhalb des kirchlichen Umfelds einladen sollen“, meint Lisa. Das hätte wohl eine andere Perspektive in die synodale Diskussion gebracht, eine Perspektive, die vielleicht auch sehr fruchtbar für das entstehende Visionspapier hätte sein können. Schließlich will die Kirche endlich genauer auf die Fragen ihrer Zeit hören, nicht nur auf die Fragen ihrer Glaubensgemeinschaft. Spätestens jetzt fühle ich mich nicht mehr fehl am Platz.
Ich, der ich von außen komme, weiß kaum, wie es innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft in Südtirol zugeht. Wer hat die Meinungshoheit? Überwiegen die Konservativen oder die Liberalen? Und welche Haltung nehmen dabei eigentlich die jungen Leute ein? Lisa als Vorsitzende der Jungschar berichtet von viel Offenheit und einer fortschrittlichen Grundeinstellung: „Was wir zur Synode beisteuern wollen, ist die Vision einer gleichberechtigten und aufgeschlossenen Kirche, in der Frauen und Männer gleichermaßen Platz und Verantwortung haben!“ Angewandt auf die Thematik „Frauen und Priestertum“ ist das eine klare Ansage. Tatkräftige Unterstützung bekommt die junge Generation von einer breiten Gruppe von Leuten im mittleren Alter, die an diesem Samstag regelmäßig am Rednerpult steht und mit Statements für eine moderne Kirche und gegen unzeitgemäße Hierarchie-Strukturen überzeugt.
Das Ergebnis dieses Engagements kann sich sehen lassen. Eine Umfrage unter den Synodalen brachte ein bemerkenswertes Stimmungsbild der Südtiroler Glaubensgemeinschaft hervor, sowohl auf italienischer als auch auf deutscher Seite: 83 Prozent sprechen sich dafür aus, dass auch Geschiedene und Wiederverheiratete an der Eucharistie teilhaben dürfen. Und um die 70 Prozent sind für eine Abschaffung des Zölibats und für die Priesterweihe für Frauen. Das kann als Zwischenergebnis der Synode, die am 30. November 2013 begann und in diesem Jahr zu Ende gehen soll, so stehen bleiben und zufriedenstellen.
Dennoch drängt sich bei solch eindeutigen Ergebnissen die Frage auf, weshalb in der Realität der Kirche noch so wenig davon angekommen ist. Schließlich hat das synodale Treffen in Brixen gezeigt, wie sehr die wichtigen Beschlüsse unter Beteiligung der ganzen Gemeinschaft zustande kommen – zumindest an der Basis. Anscheinend bin ich mit diesen Bedenken nicht allein. Ein Teilnehmer der Synode fragt plötzlich, was aus dem Visionspapier, das aus diesem demokratischen Prozess hervorgeht, einmal werden soll: ob es gleich zum gültigen Dekret werde oder ob es zuerst noch an anderen Stellen abgesegnet werden müsse? Die Antwort kommt erst auf das Nachhaken anderer Synodalen hin: „Zum gültigen Beschluss werden die Texte des Visionspapiers erst, wenn der Bischof die einzelnen Passagen approbiert und unterschrieben hat.“
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