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Die Sonne scheint. Es ist warm. Nur ein laues Lüftchen weht durch die Gaulschlucht. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches, wäre heute nicht das Open Air Gaul, denn Regen hat da Tradition. Bisher hat es jedes Jahr an mindestens einem Tag geregnet. Dieses Jahr war der Wettergott gnädig. Vielleicht ein Geburtstagsgeschenk an die Festivalveranstalter? Bereits seit zwanzig Jahren organisiert das Jugendzentrum „Jux“ in Lana das Openair in der Gaulschlucht – dieses Jahr an insgesamt drei Tagen. Ein großes Jubiläum, das ordentlich gefeiert wird. Es herrscht Jahrmarktstimmung auf dem Gelände.
Geht man über den von der Sonne aufgewärmten Betonboden an den Ständen vorbei, strömt einem der Geruch von Popcorn entgegen. Auch Zuckerwatte gibt es hier und kleingeschnittenes Obst. Neben dem Calcetto steht das Zubehör für das kultige Gaul-Golf: eine Mülltonne, eine Dose und ein grüner Regenstiefel. In der Chill-out-Area werden analkoholische Cocktails serviert. Hier ist man etwas abseits vom Festivaltrubel und kann entspannen. Später am Abend gibt es eine Feuershow. Während die erste Band am zweiten Tag des Open Airs ihre Akkorde spielt, versuchen sich einige Festivalbesucher an der „Sumoringer-Anlage“. Hinein in den Anzug, der sie unzählige Kilos schwerer aussehen lässt und dann wird gekämpft: Lachkrampf inklusive.
Am Eingang steht wie bei jedem Festival ein „Taschengrabscher“. Er kontrolliert mit Handschuhen bekleidet akribisch alle Taschen und Rucksäcke der Gäste und findet dabei auch skurrile Dinge. „Das Verrückteste, was ich je gefunden habe, war ein Dildo“, erzählt er lachend. An ihm und den Securitys vorbei geht es aufs Festival. „Hier sind immer viele Leute, die man kennt“, sagt die 25-jährige Verena Hofer. Sie fällt auf, denn sie ist von oben bis unten mit Farbe übersät. Ebenso ihre Freundin, die 26-jährige Maria Laimer. Sie kommen gerade vom Holi Gaudy Festival in Bozen und haben die Farbexplosion mit in die Gaul gebracht. Nicht nur ihre Kleidung ist voll mit dem bunten Farbpulver, sondern auch ihre Haare und Gesichter. Jetzt wollen sie hier weiterfeiern. Sie öffnen die kleinen Säcke mit dem eingefärbten Puder und werfen sie in die Luft. Staub wirbelt auf. Spätestens jetzt locken sie neugierige Zuschauer an. Es ist erst früher Abend und die Stimmung schon ausgelassen. Gaul sei ein Pflichttermin, darüber sind sie sich einig. Auch die meisten anderen, die man hier trifft, waren schon oft bei dem Festival dabei.
Abseits des Geländes drehen einige Festivalbesucher kurze Videos. „Flyle“, der zur gleichen Zeit mit seiner Punkband „SkAnDaL“ auf der Bühne steht, wird die zehn Sekunden langen Selfies nach dem Open Air zum Film zusammenschneiden: „Aus dem Ich der Selfies entsteht im Schnitt ein Wir“, erklärt einer der Organisatoren die Idee hinter dem Projekt.
So langsam wird es dunkel und die mystische Gaul macht ihrem Namen alle Ehre. Die auf die Rückwand der Bühne projizierten Böcke leuchten ebenso wie die umliegenden Bäume. Das Festivalgelände wird immer voller, auf der Tanzfläche Gedränge. „Buster Shuffle“ stehen auf der Bühne. Die sieben Engländer ziehen die Menge mit, ihre Musik, die sie als „Piano Smashing Cockney Ska“ bezeichnen, ist mehr als tanzbar. Die Stimmung scheint um neun Uhr abends schon beinahe auf dem Höhepunkt angelangt. Nach einer Runde Hip-Hop folgt dann endlich der Hauptact: „Peter Pan Speedrock“. Jetzt ist hundert Prozent Speedrock aus den Niederlanden angesagt. Schnell und laut sorgen sie für ein begeistertes Publikum. Während es in den ersten Reihen ordentlich abgeht, feiern einige Fans etwas abseits der Bühne. Hier treffen wir auf Annamaria. Sie ist eine Couchsurferin aus Dänemark und zurzeit in Lana einquartiert. „It's really nice here“, sagt die 25-Jährige und strahlt für das Foto. Kaum blitzt irgendwo in der Menge unsere Kamera hervor, zieht sie die Festvalbesucher an wie die Motten das Licht. Jeder will ein Foto, einen Moment der Feier festhalten. Dass dabei eine Gruppe mit den bizarrsten Grimassen einige Schnappschüsse crasht, scheint hier niemanden zu interessieren. Spaß steht an oberster Stelle und den haben hier alle.
Wer beim Open Air Gaul nicht fehlen darf, ist der berühmt-berüchtigte „norrete Hons“, der sich am ersten Festivaltag schon früh den Platz in der ersten Reihe sicherte. Das Gaul hat bei ihm Tradition. „Gaul isch Gaul“, sagt auch Martin, der sich am Samstag unter die Menge gemischt hat, denn da seien auch ältere Leute hier, sagt er. Erwartet wurden heute etwa 1.500 Besucher und wenn man sich so umsieht, schaut es ganz danach aus, als seien die Erwartungen übertroffen worden. Gabriel und Alan feiern gleich an zwei Tage. Sie fallen durch ihre Lederhosen selbst zwischen all den bunten Vögeln hier noch auf. „Es ist immer super, auch wenn es die letzten Jahre geregnet hat“, sagt der 19-jährige Gabriel.
Bereits eine Woche vor dem Festival läuft der Aufbau für das Event auf Hochtouren. Über hundert Freiwillige packen mit an, einige nehmen sich dafür sogar eine Woche frei. Sie helfen in ihrem Urlaub bei den Vorbereitungen. Einer von ihnen ist der 25-jährige Daniel Hofer. Seit knapp einem Jahr ist er selbstständiger Tätowierer. Er hilft natürlich auch deshalb, weil es schon beim Aufbau der Bühne lustig hergeht. Ist eine Aufgabe erledigt, wird Blödsinn gemacht, sonst wäre es nicht das Open Air Gaul-Team. Wie alle Helfer feiert auch er nach getaner Arbeit mit den Gästen mit.
Wer beim Festival dabei war, weiß: Gaul zählt wohl zu den lustigsten Festivals des Landes. „Jedes Jahr wird es besser, trotz der härteren Gesetze“, sagt Matthias Gruber, einer der Veranstalter. Das Geheimnis des Open Air Gaul sei die Leidenschaft der Organisatoren, die Feierfreude der Besucher und die vielen unterstützenden Hände der Helfer, die alle Spaß an ihrer Arbeit haben: „Und weil die Gaul die Gaul ist und die muss gerockt werden.“
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