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In Südtirols Gasthäusern wird geblufft und geboten, getrumpft und geschlagen. Dabei geht es nicht um Wirtshaus-Rangeleien, sondern um das wohl beliebteste Kartenspiel des Landes: das Watten. Gewattet wird immer und überall, ob nach der Sonntagsmesse im Wirtshaus, beim Damen-Kaffeekränzchen oder online auf Südtirols erster und bislang einziger Internet-Watt-Seite. Zwischen Brenner und Salurn findet sich kaum jemand, der nicht schon mal gewattet oder es zumindest versucht hat.
Das italienische battere
Ob Volkssport oder Kulturgut, auf jeden Fall gehört das Watten zu Südtirol wie die Kastelruther Spatzen zur Volksmusik. Wen wundert's, schließlich soll das beliebte Kartenspiel hier erfunden worden sein. Nicht ganz richtig, sagt der ehemalige Direktor des Volkskundemuseums Dietenheim, Hans Grießmair. „Zumindest den Ausdruck haben die Italiener mitgebracht“, so der Volkskundler. Italienische Eisenbahnarbeiter hätten den Begriff watten – heute fest verankert in Südtirols Sprachenwelt und nicht mehr wegzudenken aus der alpenländischen Wirtshauskultur – geprägt, als sie um 1850 für den Bau der Bahnlinien hier waren. Denn watten komme vom italienischen battere, was so viel bedeutet wie schlagen oder klopfen. Diese Entstehungsgeschichte unterstützte auch der bereits verstorbene Tiroler Volkskundler, Hans Fink. Für ihn war der Beweis dafür, der noch heute bei Dolomitenladinern gebräuchliche Name battadu für watten.
Das Spiel selbst gebe es dagegen schon viel länger, sagt Grießmair. Die Entstehung der Kartenspiele gehe auf die Zeit des Buchdrucks zurück. Immer neue seien entstanden und hätten sich entwickelt, irgendwann auch das Watten, wie wir es heute kennen. „Und es ist immer noch im Wandel.“ Grießmair könne sich erinnern, dass früher beispielsweise nicht das heute so beliebte Blindwatten gespielt wurde. Die Regeln variieren ohnehin von Tal zu Tal und Dorf zu Dorf. Auf jeden Fall braucht es vier Spieler, es würde zwar auch mit mehr oder weniger funktionieren, am häufigsten ist aber das Spiel zu viert. Und dann geht’s ums Bluffen und Bieten, auch wenn man nicht weiß, was geht. Gespielt wird mit dem „Salzburger Blattl“, pro Spiel sind drei Stiche notwendig, um zu zu gewinnen. Auf die Frage „Wos isch gongen?“ am Ende des Spiels sollte, wenn möglich verzichtet werden, wenn man sich nicht als Watt-Neuling outen möchte.
Watten online
Ist das Trumpf-und-Schlag-Fieber ausgebrochen, kann ein Watter durchaus mehrere Stunden dauern. Und wer dann immer noch nicht genug von Stich und Sieg hat, kann seine Leidenschaft im Internet weiter ausleben. Vor vier Jahren gingen Stefan Peer und Lukas Weiss mit ihrer Seite watten.org online und wurden überrascht vom großen Ansturm. Bis zu 12.000 Spieler pro Tag tummelten sich auf der Seite, die Auslastung des Servers war bald erreicht, ein größerer wurde gekauft. Mittlerweile hat sich die Anzahl der Wattbegeisterten eingependelt, auf 6.000 bis 7.000 pro Tag. Manch ein Arbeitgeber wird sich jetzt überlegen, die Seite für seine Mitarbeiter zu sperren. Doch keine Angst, die meisten Spiele werden zwischen acht und neun Uhr abends registriert.
Wer glaubt, das digitale Watten sei eine leidenschaftslose Angelegenheit, der irrt: Über einen Chat können sich die Spieler live unterhalten, und da fällt – wie im realen Watt-Leben auch – durchaus das ein oder andere Schimpfwort. Es sei schon vorgekommen, dass ein allzu aufbrausender Spieler, von watten.org verbannt wurde, erzählen die Macher der Seite. Ja, das Watten weckt Emotionen und kehrt nicht selten das Innere nach Außen. Es sollen sich sogar schon Liebespaare nach einem digitalen Watter gefunden haben, verraten Peer und Weiss. Sie überlegen, ob sie künftig noch mehr Kartenspiele ins Internet verlegen, vielleicht Mau-Mau. Aber kein anderes Spiel, sind die beiden überzeugt, hätte in Südtirol so großen Erfolg wie das Watten.
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