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Thomas Vonmetz
Veröffentlicht
am 30.01.2023
LebenInterview mit Psychologin

Der Nachbar macht’s ja auch nicht

Veröffentlicht
am 30.01.2023
Die Umweltpsychologin Isabella Uhl geht in einem Buch der Frage nach, warum wir trotz dem Wissen über den Klimawandel nicht ins Handeln kommen und was wir dagegen tun können.
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Isabella Uhl ist Umweltpsychologin an der Universität Salzburg. Sie forscht und lehrt zu den Themen Klimawandelkommunikation und Förderung von umweltfreundlichem Verhalten. Im Rahmen der Bücherwelten in Bozen stellte sie kürzlich ihr Buch „Warum machen wir es nicht einfach?“ vor.

Klimawandel und Psychologie, wie passt das zusammen?
Das passt sehr gut zusammen, da der Klimawandel zum größten Teil menschgemacht ist. Die Psychologie beschäftigt sich mit unserer Wahrnehmung und warum wir wie handeln. Diese Erkenntnisse sind existenziell, da sie untersucht, was Verhaltensweisen antreibt und wie man Menschen motiviert. Diese Dinge können dann in einem weiteren Schritt auf den Klimawandel angewandt werden.

Sie nähern sich psychologisch dem Thema. Wäre ein soziologischer Zugang nicht treffender?
Die Klimakrise ist so komplex und facettenreich, dass es jede Disziplin braucht. Das Know-how von allen ist notwendig, damit wir noch die richtigen Handlungen setzen können. Als Psychologin habe ich natürlich einen anderen Zugang als ein Soziologe, was nicht heißt, dass die Soziologie nicht genauso wichtig wäre.

Besteht ein Kontrast zwischen der Wahrnehmung des Problems Klimawandel und dem entsprechenden Handeln der Menschen?
Ich weiß wirklich nicht, ob es wegen der fehlenden Wahrnehmung ist. Es zeigt sich klar, dass die meisten Menschen den Klimawandel als existenzielles Problem wahrnehmen und die Pflicht sehen, entsprechende Handlungen umzusetzen. Es fehlt aber noch, dass aus diesem Bewusstsein Handlungen geschehen. Warum das so ist, thematisiert mein ganzes Buch. Kurz gesagt: Der Klimawandel ist schwer greifbar. Es müssen so viele Handlungen gesetzt werden und in fast jedem Bereich müssen neue folgen. Man muss Systeme verändern und selbst dann müssen alle an einem Strang ziehen und das global. Auf so vielen Ebenen werden Ohnmachtsgefühle ausgelöst und die Leute resignieren.

Eine never ending story?
Ja, vom Eindruck her. Im Vergleich zur Coronakrise gibt es auch keine einfachen Regeln, die es zu befolgen gibt. In der Klimakrise müsste man bei allen Verhaltensweisen umdenken. Unser Verhalten wird stark gestört durch die Konsequenzen und wenn ich jetzt mein Verhalten ändere, dann hat das erst in Jahrzehnten Einfluss auf das Klima. Daraus resultieren Abwehrmechanismen und Ausreden, um das schlechte Gewissen zu besänftigen.

Was sind die größten Hindernisse für ein entsprechendes Handeln?
Zentral sind sicherlich die sozialen Normen, also das Verhalten in unserem Umfeld. Wenn man sich gesellschaftlich umblickt, dann merkt man, dass die meisten Normen klimaschädlich sind. Das „normale“ Leben hat viele klimaschädliche Elemente wie der Besitz zweier Autos oder mehrmals im Jahr in den Urlaub zu fliegen. Auch der Konsum in rauen Mengen ist weitverbreitet. Unterbewusst orientieren wir uns an anderen. Wenn diese ihre Verhaltensweise nicht ändern, dann hat der Einzelne wenig Anreiz, selbst was zu ändern.

Wie kann man dem entgegenwirken?
Häufig besteht die Annahme, dass den Menschen das nötige Wissen fehlt. Eignen sie sich dieses an, dann kommen sie ins Handeln. Wissen führt jedoch nicht automatisch zu Handlungen. Das ist die große Herausforderung: Das Wissen und das Bewusstsein besteht, trotzdem fällt es so schwer ins Handeln zu kommen. Bei den Informationskampagnen setzt man am Wissen der Menschen an. Es bräuchte jedoch zusätzlich, dass man die Menschen bei der Hand nimmt und sozusagen Selbstwirksamkeit kreiert: einen Bezug zur Lebensrealität herstellt und nicht bloß wissenschaftliche Fakten vermittelt und konkret aufzeigt, was möglich ist. Und das dies den Unterschied macht. Auf keinen Fall abstrakt, sondern die Sensibilisierung so gestalten, dass sie greifbar ist. Nicht nur die Tonnen CO2 aufzeigen, die bei jener Maßnahme eingespart werden könnten.

Die Politik hat die unmittelbarste Möglichkeit zu wirken und wird in der Klimakrise nicht um Verbote herumkommen.

Wie sollte die Politik handeln, um Erfolge gegen den Klimawandel einzufahren?
Es sollten politische Handlungen gesetzt werden, die entsprechende Rahmenbedingungen vorgeben. Zentral sind die Akteure. Die wichtigsten sind sicher Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wenn die Faktenlage angeschaut wird, wie lange das Zeitfenster noch da ist, um entsprechende Handlungen zu setzen und die Konsequenzen zu reduzieren, dann hat jeder die Verantwortung. Die Politik hat die unmittelbarste Möglichkeit zu wirken und wird in der Klimakrise nicht um Verbote herumkommen.

Die sind natürlich unbeliebt, vor allem wenn man wiedergewählt werden will…
Die Forschung gibt aber durchaus Möglichkeiten vor, wie man trotz Verbote auf Akzeptanz in der Bevölkerung stößt. Transparenz, Verständlichkeit und Spürbarkeit sind da die Schlagworte. Am besten sind solchen Handlungen, wo die Spürbarkeit zum Ausdruck kommt. Ein Beispiel aus Schweden: Dort wurde eine City-Maut in einer Stadt eingeführt. Die betroffenen Personen waren total dagegen. Nach einem halben Jahr wurde ein zweites Referendum durchgeführt. Plötzlich war die Mehrheit dafür. Die Personen haben die Konsequenzen dieser Maßnahme erfahren und zwar: weniger Stau, verbesserte Luftqualität, mehr Parkplätze.

Wie könnten die Menschen sonst noch eventuelle politische Maßnahmen akzeptieren?
Idealerweise sollten politische Maßnahmen so gesetzt werden, dass klimafreundliches Verhalten leichter und günstiger wird, während klimaschädliches Verhalten schwerer und teurer wird. In Österreich wurde erst kürzlich die CO2-Steuer eingeführt. CO2-intensive Produkte wurden teurer aber gleichzeitig und das ist entscheidend, wurde dadurch ein Klimabonus eingeführt. Jeder Erwachsene hat 500 Euro bekommen, um diese Mehrkosten zu kompensieren und er steht vor der Wahl, ob er wirklich solche Produkte kaufen will oder in andere klimafreundlichere Produkte investiert. Dieser Anreiz ist unglaublich wichtig. Wenn Autofahren teurer wird, dann sollte gleichzeitig auch die Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel gesteigert werden.

Idealerweise sollten politische Maßnahmen so gesetzt werden, dass klimafreundliches Verhalten leichter und günstiger wird, während klimaschädliches Verhalten schwerer und teurer wird.

Wie sollte die Berichterstattung über dem Klimawandel ausschauen?
Es ist extrem schwierig, denn die Medien müssen objektiv berichten. Die Fakten sind häufig leider Horrornachrichten. Nichtsdestotrotz sollten auch positive Zukunftsszenarien Eingang in die Narrative finden. Wie schaut eine Welt aus, wo wir die Energiewende geschafft haben, in der wir energieautark sind und auch die Wertschöpfung hier im Land haben? Wo wir neue Arbeitsplätze sichern und nicht das Geld an Diktatoren abtreten. Wie schauen Städte aus, wo der Mensch im Zentrum steht und nicht das Auto. Wo Plätze neu gedacht und begrünt werden können, sodass der Sommer wieder erträglicher wird. Wie könnten neue Mobilitätssystem entstehen? Es sollte aufgezeigt werden, für was es wert ist jetzt sofort zu handeln. Diesen positiven Zukunftsbildern sollten noch, um diesem Ohnmachtsgefühl zu entkommen, Vorbilder folgen.

Warum machen wir es nicht einfach?
Aktuell ist einfach die Norm anders und vieles von unserem Verhalten basiert auf Gewohnheiten. Sie sind größtenteils unterbewusst, laufen automatisch ab und sind schwer zu ändern. Auf politischer Ebene ist dieses Verhalten leichter umzusetzen und zudem billiger. Dem klimafreundlichen Verhalten werden mehr Steine in den Weg gelegt. In naher Zukunft müssen mehr Handlungen auf allen Ebene passieren, politisch wie gesellschaftlich. Zukünftige Rahmenbedingungen, auch wenn sie unbequem sind, müssen von allen mitgetragen werden.

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