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Am 12. August 1521 überrannten die spanischen Eroberer und ihre indigenen Verbündeten die aztekische Hauptstadt Tenochtitlan. Der Historiker Stefan Rinke beschreibt in „Conquistadoren und Azteken – Cortes und die Eroberung Mexikos“ die radikale Vorgangsweise der spanischen Warlords. Mit der restlosen Zerstörung begann eine 500 jährige Kolonialisierung, die heute noch die mexikanische Staats-Agenda bestimmt.
Das ist die Botschaft der indigenen Zapatistas, die 500 Jahren danach Europa besuchen. Mit jeder Menge bürokratischer Schwierigkeiten. Mit ihren europäischen Verbündeten „unten links“ wollen sie auf die anhaltende Kolonialisierung spanischer Machart hinweisen – heute ein Instrument der weißen und mestizischen Elite, die Erben der Eroberer.
Die zapatistische Delegation aus Chiapas will auf ein umstrittenes Großprojekt aufmerksam machen, auf den “Tren Maya”, den Maya-Zug. Für die Regierung ein Infrastrukturprojekt gegen Unterentwicklung und Armut, ein Projekt für Fortschritt und Entwicklung, heißt es aus Mexiko-Stadt. Dieses geplante Bahn- und Autobahnprojekt soll auf einer Länge von 1.500 Kilometern fünf Bundesstaaten erschließen. Vertreter des Staates und der Wirtschaft prophezeien den Bewohnern von Yucatan Arbeitsplätze, Tourismus und Modernisierung. Die Zapatistas sehen das völlig anders: „Tatsächlich bedeutet das Megaprojekt die Zerstörung der letzten Regenwälder Südmexikos, die Missachtung der Rechte der indigenen Bevölkerung, Landnahme- und Vertreibung sowie eine zusätzliche Militarisierung in einer der konfliktreichsten Regionen des Landes.“
Mexiko zählt zu den gefährlichsten Ländern für Aktivistinnen.
Trotz der Proteste in den fünf Bundesstaaten und betroffenen Regionen hält die Regierung am Vorhaben fest. Laut dem Ya Basta-Netzwerk sind auch deutsches Kapital und deutsche Unternehmen am Projekt beteiligt. „Der Bericht der ‘Recherche-AG Tren Maya’, zeigt die Beteiligung der DB Consulting & Engineering, das Interesse von SIEMENS und TÜV Rheinland sowie den Zusammenhang zu deutschen Rüstungskonzernen auf.“
Bei diesem millionenschweren Projekt, so kritisiert die „Recherche-AG-Tren Maya“, werden die Rechte der indigenen Völker völlig missachtet. Die AG weiß auch, dass Aktivisten und Aktivistinnen bedroht worden sind. Kritiker und Gegner des Tren Maya-Projekts erhielten Morddrohungen, berichtet die NGO “Front Line Defenders”. Allein im vergangenen Jahr wurden in Mexiko 23 von ihnen getötet. Mexiko zählt damit zweifelsohne zu den gefährlichsten Ländern für Aktivistinnen. „Der Konsultationsprozess der indigenen Bevölkerung zum Maya-Zug hat nicht alle internationalen Menschenrechtsstandards erfüllt“, so das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte. „Die Konsultationsprozesse werden oft in Kontexten von Bedrohungen, Kriminalisierung und Schikanen durch – geführt, was ihren freien Charakter untergräbt“, betont das UN-Komitee gegen Rassendiskriminierung.
Sergio P. Diaz hat das Tren Maya-Projekt als Forscher der Universität Campeche seit Jahren vor Ort untersucht. Er kommt zum Schluss: „Der größte Fehler besteht darin, den ‘Maya-Zug’ nur als Zug zu betrachten.“
Das Tren Maya-Projekt soll unter der Leitung und Kontrolle der Armee realisiert werden.
Dieser angebliche Maya-Zug soll die Bundesstaaten Chiapas, Tabasco, Campeche, Yucatan und Quintana Roo verbinden. Kosten: 150 Milliarden Pesos, das entspricht einer Summe von sechs Milliarden Euro. Gleichzeitig soll mit der Bahn auch das Autobahnnetz ausgebaut werden. Ein Modernisierungsprojekt, das der restlosen Eroberung indigenen Landes dient.
Greenpace Mexiko schreibt dazu: „Studien kommen zu dem Schluss, dass der Maya-Zug zur Degradierung, Fragmentierung und Abholzung von dreiundzwanzig Naturschutzgebieten führen wird, darunter UNESCO-Welterbe-Stätten.“ Bereits für den ersten Bauabschnitt sollen 11 Millionen Bäume gefällt werden. Unterwasser-Höhlensysteme sind durch den Bau gefährdet und damit zusammenhängende Ökosysteme. Letztendlich sind die größten Grundwasservorkommen des Landes bedroht. Die erstelle Umweltverträglichkeitsprüfung ist laut den Umweltschützern voller Mängel, die betrofffenen indigenen Völker wurde nicht befragt.
Das Tren Maya-Projekt soll nicht umsonst unter der Leitung und Kontrolle der Armee realisiert werden. Damit wird die Rolle des Militärs in diesen konfliktreichen Regionen aufgewertet, das Land wird militarisiert. Die Armee führt in Chiapas, dem südlichsten Bundesstaat, seit Jahren einen schmutzigen Krieg „niederer Intensität“ gegen die autonomen zapatistischen Gemeinden. Mit der Militarisierung des Südens will die Regierung die Migration aus den Nachbarstaaten unterbinden. Universitäts-Dozent Diaz spricht deshalb von einer Migrationssperre.
In den fünf betroffenen Bundesstaaten lebt die indigene Bevölkerung von der Landwirtschaft, die zwei wesentlichen Merkmale sind die Selbstversorgung und das Gemeindeeigentum an Grund und Boden. Das Tren Maya-Projekt bedroht diese indigene Lebenswelt.
Im Recherche-Bericht heißt es: „Als sogenannter Shadow Operator ist das Tochterunternehmen der DB u.a. in Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, China, Brasilien oder Kolumbien aktiv. In Mexiko hat sich die DB als Teil eines Konsortiums mit zwei weiteren staatlichen Unternehmen aus Spanien den Zuschlag für die Begleitung und Beratung des Projekts gesichert. „FONATUR, [die Behörde] des mexikanischen Ministeriums für Tourismus, [hat] die DB Engineering & Consulting GmbH mit der Beratung zu eisenbahnbetrieblichen Entscheidungen innerhalb des Projekts „Tren Maya“ beauftragt. […] Der Vertrag wurde zum 1. Dezember 2020 geschlossen und läuft bis Dezember 2023. Er umfasst eine Auftragssumme von 8,6 Millionen Euro.“, bestätigte der parlamentarische Staatssekretär Ferlemann.“
Die Recherche-Autoren werfen der Deutschen Bahn vor, Etikettenschwindel zu betreiben. Die Klima- und Umweltfreundlichkeit der DB sei eine glatte Lüge, kritisiert die Recherche-AG. Denn, „ein Viertel des Bahnstroms wird aus dem Kohlekraftwerk Datteln IV geliefert. Dort wird Kohle aus Kolumbien verbrannt, wo Menschen vertrieben und ermordet werden, um die „Blutkohle“ abbauen und exportieren zu können.“ Der angebliche Ökostrom wurde mit Zertifikaten erkauft, recherchierte die AG und spricht deshalb von Greenwashing.
Die Klima- und Umweltfreundlichkeit der DB sei eine glatte Lüge.
Bereits 2018 interessierte sich Siemens für das Tren Maya-Projekt, besonders für die Energieerzeugung und -übertragung, Elektrifizierung, Signaltechnik und Automatisierung und auch für die Züge. Siemens und andere Konzerne drängen inzwischen auf eine Verlängerung des Ausschreibungs-Prozesses.
Tüv Rheinland interessierte sich – wie Siemens auch – bereits 2018 für das ferne Bahnprojekt im südlichen Mexiko. Tüv Rheinland Rail Mexiko zeigte Interesse an der Vorkonzeption des Projekts, der Vormachbarkeit, der Durchführbarkeit, der Entwicklung von Materialien bis hin zur Prüfung und Ausführung der Arbeiten. Der Technische Überwachungsdienst Tüv überprüfte in Mexiko die Metrolinie 12 in Mexiko-Stadt, die laut dem Recherche-Team im Mai 2021 eingestürzt ist. Dabei kamen über 20 Menschen ums Leben. Bei einem Staudammbruch in Brasilien starben mehr als 250 Personen, nachdem der TÜV Süd den Damm für sicher erklärt hatte.
Der linke mexikanische Präsident Obrador beauftragte das Militär mit der Umsetzung des Tren Maya-Projekts. Die mexikanischen Streitkräfte zählen auch zu den Kunden europäischer und deutscher Rüstungskonzerne wie Heckler&Koch. Die Bahn-Rechercheure kritisieren die Waffengeschäfte als illegal, weil „ein Großteil der deutschen Waffen in besonders stark militarisierte Regionen gelangen, so nach Chiapas, wo das Militär in vielen Basen rund um die Autonomiegebiete der Zapatistas präsent ist.“
Die Konvention 169 der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) der UN ist das einzige internationale Rechtssystem zum Schutz indigener Rechte. Kern dieser ILO-Konvention 169 sind die Konsultations- und Partizipationsverfahren, um Beteiligung und Mitsprache indigener Völker an Projekten zu gewährleisten, die sie betreffen. Deutschland ratifizierte nach jahrelangem Gezerre am 15. April 2021 das Abkommen. Das Agieren der Deutschen Bahn, eines staatlichen Unternehmens, ist eine Verletzung dieser Konvention, schlussfolgern die Projekt-Rechercheure. Sie fordern die Umsetzung der Konvention und deshalb den Ausstieg der DB und ihrer Tochterfirmen aus dem Tren Maya-Projekt.
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