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Filme wie „We feed the world“ und „Taste the Waste“ haben auf die Problematik aufmerksam gemacht: Zu viele der produzierten Lebensmittel landen im Müll. Bilder von riesigen Abfallbergen wurden sinnbildlich für die Konsumgesellschaft, die zwischen Supermarktregalen ihren Wohlstand zelebriert. Ein Leben im Überfluss. Mittlerweile erlaubt sich eine zunehmende Zahl an Verbrauchern den Luxus, zwei Ecken weiterzudenken. Bewegungen wie foodsharing sagen der Wegwerfgesellschaft den Kampf an – ohne laute umstürzlerische Parolen, nur mit einem Appell an das eigenen grüne Gewissen. Die Tugend des Teilens wurde wie schon zuvor beim Car-Sharing Maxime einer Konsumentenschaft, die Luxus nicht allein als materiellen Besitz versteht. So wird geteilt, was der eigene Kühlschrank hergibt, bevor es in der Tonne landet.
Die Angaben der Ernährungs-und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sprechen eine klare Sprache: Jährlich landen in der EU fast 90 Millionen Tonnen Nahrungsmittel auf dem Müll. Die beliebte Taktik, zuallererst den Großunternehmen die Schuld für Missstände zu geben, funktioniert beim Problem der Lebensmittelverschwendung nur bedingt: 61 Prozent der Lebensmittelabfälle kommen aus Privathaushalten. 179 Kilogramm wirft der durchschnittliche EU-Bürger jährlich in die Tonne, so das Informationszentrum „proplanta”.
Bei MPreis sieht man seit einiger Zeit in seinen Baguette-Filialen gegen Abend ein Schild an den Brotkörben, wo man für Verständnis dafür aufgefordert wird, dass gegen Abend, kurz vor Ladenschluss, nicht mehr alle Brotsorten vorhanden sind. Man verzichtet auf das ständige Nachbacken und traut dem Einkäufer ein Einkaufserlebnis zu, das nicht von prallgefüllten Regalen alleine lebt. „Wir versuchen so wenig Lebensmittel wie notwendig zu entsorgen und setzen gezielte Maßnahmen wie Preis-Reduktion bei Waren mit knappem Ablaufdatum“, sagt MPreis-Unternehmenssprecherin Ingrid Heinz.
SPAR bringt auf vergünstigte Waren, die bald das Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen, Aufkleber mit dem Logo „Lebensmittel sind kostbar“ an. Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann sagt dazu: „So machen wir Kunden darauf aufmerksam, dass sie mit dem Kauf des vergünstigten Produkts Geld sparen und gleichzeitig die Umwelt schonen können.“ Berkmann schätzt die in den Filialen weggeworfenen Lebensmittel auf ein Prozent des Gesamtsortiments. Das, was noch über bleibt, ginge an soziale Einrichtungen. In Wien holten beispielsweise „Caritas“ und die „Team Österreich Tafel“ Lebensmittel ab.
Wer noch einen Schritt weitergehen und sich der Industrie als Konsument komplett entziehen will, geht Containern. Dabei sammelt man die von Geschäften nach Ladenschluss entsorgten Lebensmittel ein. Eine rechtlich nicht einwandfreie Angelegenheit, da die Mülltonnen und ihr Inhalt immer noch fremdes Eigentum sind. Nicole Berkmann von SPAR äußert sich zum Containern wie folgt: „Normalerweise stehen die Mülltonnen auf dem Grund des Supermarktes, sie gehören also diesem. Darum hat man als Besitzer das Recht, jemandem zu erlauben – oder eben nicht – diese Mülltonnen zu durchsuchen.“ SPAR erlaube das Containern „so lange keine Verunreinigungen passieren und nichts kaputt gemacht wird“. Auch in den Südtiroler MPreis-Filialen wird containert, sagt Unternehmenssprecherin Ingrid Heinz. „Bislang kam es dabei nur in Ausnahmen zu Problemen, wie Lärmbelästigung der Anrainer in der Nacht. Was wir auf keinem Fall dulden können, ist, wenn durch Container Sachbeschädigungen entstehen wie das Aufbrechen von Absperrungen oder Schlössern.“ In Südtirol sei ihr diesbezüglich kein Vorfall bekannt.
Auf gesetzgeberischer Ebene wird die EU aktiv: Diese will das Mindesthaltbarkeitsdatum für bestimmte Produkte wie Reis, Nudeln und Kaffee abschaffen, um auch hier der Verschwendung entgegen zu wirken. In diesem sogenannten Trockensortiment bliebe, so die Statements der befragten Supermärkte, ohnehin bereits kaum etwas übrig. Die lange Haltbarkeitsfrist und automatischen Bestellsysteme erlaubten es, nur so viel nachzubestücken, wie nötig.
Jeder sei gefragt, wenn es um die Müllvermeidung geht, sagt Nicole Berkmann: „Wichtig ist, dass alle in der Kette etwas tun: Die Hersteller, die Händler und vor allem auch die Konsumenten."
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