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Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 16.05.2019
LebenInterview mit Eurac-Forscherin

Das Dorf integriert

Veröffentlicht
am 16.05.2019
Sie sind jung, hier aufgewachsen und werden doch oft als anders wahrgenommen: die Südtiroler Kinder von eingewanderten Eltern. Martha Jiménez Rosano hat ihre Situation erforscht.
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Erst in den 1990ern bekam es Südtirol vermehrt mit Migranten zu tun, oft kamen sie aus dem ehemaligen Jugoslawien. Deren Kinder sind inzwischen junge Erwachsene, die sogenannte zweite Generation. Viele sind zwischen zwei verschiedenen Welten großgeworden. Schaffen sie es, in der Mitte der Gesellschaft anzukommen, oder driften sie ab? Wie die Situation in Südtirol aussieht, das hat Martha Jiménez-Rosano mit ihrer EURAC-Kollegin Johanna Mitterhofer untersucht. BARFUSS hat mit der aus Mexiko stammenden Informationsdesignerin gesprochen.

„Nur an Einheimische“ – so lautet eine Bedingung, die man in Anzeigen des Südtiroler Wohnungs- und Arbeitsmarktes oft findet. Ab wann erfüllt man überhaupt dieses Kriterium?
Häufig wird das allein vom Aussehen oder vom fremdklingenden Namen abhängig gemacht. Dabei haben wir es auch in Südtirol immer mehr mit einer zweiten Generation von Menschen mit Migrationshintergrund zu tun, die hier geboren sind und sich selbst als Südtiroler definieren. Wenn ihnen von anderen „Einheimischen“ diese Zugehörigkeit abgesprochen wird, ist das sehr problematisch. Aber auch Italiener sind damit konfrontiert. Sie mögen sich zwar als Südtiroler fühlen, aber in den Augen vieler deutschsprachiger Südtiroler bleiben sie weiterhin die Anderen, die Italiener.

Das ist doch Diskriminierung?
Ja, das geschieht aber sehr oft unbewusst und nicht einmal mit bösen Absichten. Es ist das angestammte Denken in „Wir“ und die „Anderen“.

„Im Dorf fällt es leichter als in der Großstadt, man sieht einander, grüßt sich, kommt irgendwann ins Gespräch. Daraus entsteht soziales Kapital.”

Martha Jiménez Rosano kommt aus Mexiko-Stadt. Jetzt forscht und lebt sie in Südtirol.

Mit Turban zum Bewerbungsgespräch zu erscheinen ist nicht nur in Südtirol unratsam. Ist die Diskriminierung hier stärker als anderswo?
Unsere Studien legen nahe, dass es in Südtirol nicht bedeutend schlimmer als in anderen Teilen Europas ist. Migration ist in unserer ländlich geprägten Region jedoch noch immer ein recht neues Phänomen. Deswegen merkt man, dass viele „Einheimische“ Schwierigkeiten haben, sich anzupassen. Zum Beispiel stellt man in Gesprächen ungern aufs Standarddeutsche um und erwartet vom Migranten, gleich den Dialekt zu beherrschen. Andere Faktoren wiederum erleichtern die Integration.

Welche Faktoren wären das?
Südtirol ist klein, es fehlt die Anonymität. Das fördert die Kontaktaufnahme zwischen Neuangekommenen und Einheimischen. Im Dorf fällt es leichter als in der Großstadt, man sieht einander, grüßt sich, kommt irgendwann ins Gespräch. Daraus entsteht soziales Kapital und das ist auch dann wichtig, wenn es darum geht, eine Arbeit zu finden.

Besonders am Arbeitsmarkt haben es junge Menschen mit Migrationshintergrund schwerer als Herkunfts-Südtiroler. Liegen die Gründe allein in der Diskriminierung?
Junge Menschen, die hochqualifizierte Stellen anstreben, müssen einige Hürden überwinden. Und das ist nicht nur die einheimische Gesellschaft, die sich eine Frau mit Kopftuch oft nur als Putzfrau vorstellen kann – es ist auch die eigene Familie. Dort fehlen in der Regel die Vorbilder und die richtigen Informationen, dafür gibt es Vorurteile: Ein junger Mensch hat so bald wie möglich zu arbeiten, nicht lange zu studieren. Darüber muss man sich erst mal hinwegzusetzen lernen.

Kann man gegen diese Hürden etwas tun?
Sehr viel sogar. Durch professionelle Mentoren-Programme können diese Menschen Teil eines sozialen Netzwerkes werden und wichtige Informationen gewinnen: Wie funktioniert der hiesige Arbeitsmarkt? Was ist möglich, was eher nicht? Welche ungeschriebenen Regeln gibt es? Auch bei Arbeitgebern sind sensibilisierende Informationskampagnen notwendig, es muss das Bewusstsein entstehen, dass Vielfalt eine Chance ist. Junge Menschen mit Migrationshintergrund sind in zwei Kulturen gleichzeitig großgeworden sind, in der einheimischen Kultur und in ihrer Herkunftskultur, und irgendwo dazwischen haben sie ihre eigene Identität konstruiert. Das fördert Kreativität, Anpassungsfähigkeit und Weitblick.

Du selbst bist, man kann es wohl so sagen, wegen der Liebe in Südtirol gelandet. Ist das auch eine Art von Migration?
Es kommt jedenfalls nicht selten vor (lacht). Ja, das war vor über 13 Jahren, ich studierte Informationsdesign und war für ein Auslandsjahr in Bielefeld in Deutschland, dort lernte ich einen Brixner kennen.

War es eine schwierige Entscheidung, nach Südtirol zu ziehen?
Nein, das war von Anfang an klar. Für eine Familie ist Südtirol einfach ein idealer Ort. Aber natürlich war Südtirol für mich eine große Herausforderung und ist es heute noch. Allein die zwei Sprachen zu lernen, Deutsch und Italienisch.

Wie waren deine Erfahrungen mit dem Südtiroler Arbeitsmarkt? Hattest du abgesehen von Sprachbarrieren Schwierigkeiten?
Schwierigkeiten entstanden wegen meiner Qualifikation, die es hier in dieser Form noch nicht gab. Ich musste am Anfang sehr flexibel sein, inzwischen werden Informationsdesigner aber auch in Südtirol gebraucht. Ansonsten fühle mich hier lange schon zuhause und verwurzelt. In gewisser Hinsicht mehr als in Mexiko.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Publikation zur EURAC-Studie ist hier online abrufbar.

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