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USA 1952. In der Fernsehsendung American Band Stand sieht man einmal in der Woche Menschengruppen, die in Reihen und Linien neben- und hintereinander aufgestellt sind und synchron zu Countrymusik tanzen. Der Gruppentanz Line Dance war geboren. Heute, 63 Jahre später macht es der Verein Line-Dance-Vinschgau diesen ersten Tänzern in Laas und Rabland nach. Die Line Dancer sind leicht an den Cowboystiefeln, weißen Blusen und Jeanswesten zu erkennen. Zwei von ihnen, Daniela Cavagna und Helga Pichler, treffe ich heute Abend in der Goldhalle in Rabland. Hier findet zurzeit ein Anfängerkurs im Line Dance statt, um mehr Leute für den Countrytanz zu begeistern. Line Dance sei nun mal nur in der großen Gruppe schön, sagen die Tänzerinnen. „Zu acht sehen die Reihen armselig aus“, sagt Cavagna, 51 Jahre alt und seit eineinhalb Jahren beim Verein. Neben den 14 Kursteilnehmern aus dem Vinschgau, Algund, Naturns und Lana will auch ich will es heute mal versuchen. Kann doch nicht so schwierig sein, denke ich. Ich werde eines besseren belehrt werden.
Zuerst ist Zusehen angesagt. Die Tänzerinnen – unter ihnen auch zwei Männer – stellen sich in Reihen zu jeweils vier Leuten auf, die meisten tragen Stiefel, ihre Daumen hängen im Hosenbund. „Zum Line Dance braucht es eigentlich nur eines: Stiefel, die einem Halt geben damit man bei den Choreografien nicht rutscht“, so Cavagna. Mit meinen Chucks bin ich also gleich schon mal durchgefallen.
Als laute Countrymusik aus dem mitgebrachten Laptop ertönt, beginnt die Gruppe mit dem „Canadian Stomp“. Sie klatschen in die Hände, stampfen auf den Boden, dann folgen die Schritte vorwärts, rückwärts und seitwärts. Mit den Fußspitzen auf den Boden tippen, stampfen,mit der Ferse auf den Boden tippen und sich einmal um die eigene Achse drehen … So geht das Spektakel weiter, bis das Lied zu Ende ist und die Tänzer außer Puste. Schon das Zusehen lässt erahnen: So einfach wie es aussieht, ist es gar nicht. Das weiß auch die Meranerin Cavagna: „Es dauert lange, bis man Line Dance gelernt hat und man muss sich auch während dem Tanzen auf die Schritte konzentrieren.“ Pichler tanzt vor. Die ebenfalls 51-Jährige ist die Gruppenleiterin, hat vor Kurzem die Line-Dance-Lehrerausbildung abgeschlossen und kann jetzt offiziell die verschiedenen Tänze unterrichten. „Es ist ein Sport für Kopf und Körper“, sagt die Rablanderin. Was genau sie damit meint, merke ich erst später, als ich mich selbst an einem Tanz versuche.
„Am besten gefällt mir am Line Dance, dass man für sich tanzen kann. Man braucht keinen Partner“, sagt Pichler, die gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern unbedingt Line Dance lernen wollte. Nur per Zufall ist sie zum Vinschger Verein um den Präsidenten Francesco Ferrara gestoßen. Cavagna war seit einem Urlaub in Pullman City in Bayern – der Hochburg des Countrytanzens – Feuer und Flamme für den Tanz.
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Jetzt wird es ernst. Es folgt der „Irish Stew”, an dem auch ich mich versuche. Ein Tanz mit 32 counts. Zum Vergleich: Schwierigere Tänze haben bis zu 100 counts. „Die rechte Fußsspitze auftippen und dann den rechten Fuß neben dem linken absetzen“, gibt Pichler klare Anweisungen, während sie die Schritte vormacht. Es folgen weiteres Auftippen, Klatschen, Vorwärtsschritte, Rückwärtsschritte und Drehungen. Die Schritte wiederholen sich auf vier Seiten. Begriffe wie Shuffle und Wiege fallen, während ich konzentriert versuche allem zu folgen. Noch geht es ganz gut. Schwieriger wird es nachher mit Musik. Die Schritte werden schneller. So schnell, dass ich anfangs schon nach den ersten Takten raus bin. Und ist man erst mal raus, kommt man nur langsam wieder rein. Das bestätigt mir auch meine Tanznachbarin. „Wenn man denkt, dass man die Schritte kapiert hat und auch nur kurz der Musik zuhört, ist man raus. Es ist ein Tanz zum Denken“, sagt sie und lacht.
Das meinte Pichler also mit dem Kopf und Körper. Beim Line Dance ist höchste Konzentration angesagt, die meisten zählen während dem Tanzen im Kopf die Schritte mit. Das mache ich jetzt auch. Nach anfänglichen Schwierigkeiten klappt es bald immer besser und es macht vor allem richtig Spaß. Die Musik macht gute Stimmung, alle Tänzerinnen und Tänzer sind gut gelaunt und es wird viel gelacht, vor allem über sich selbst, wenn man einigen Schritten nicht folgen kann. Die Kursteilnehmer seien bereits sehr synchron, sagt Pichler. Und vor allem darauf werde bei Auftritten und Wettkämpfen besonders geachtet. Umso mehr wünscht sich Pichler, dass einige auch nach dem Kurs dem Verein treu bleiben und die Gruppe bei den rund drei offiziellen Auftritten im Jahr begleiten. In Südtirol gibt es dazu neben einigen kleinen Veranstaltungen nur das Countryfest in Prad. In Österreich ist der Tanz weiter verbreitet. Dort gebe es in fast jedem Dorf ein Countrylokal und weit mehr Line-Dance-Gruppen, sagt Cavagna.
„Es würde uns freuen, wenn es hier in der Nähe eine Bar gäbe, die immer mal wieder Countrymusik spielt und wo wir tanzen könnten”, sagt Pichler. Diesen Wunsch kann ich nachvollziehen. Nach diesem Abend hat auch mich das Countryfieber gepackt.
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