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Die französische Regierung verschickt ungewohnte Vorschläge an die Adresse der korsischen Regionalregierung. Die Insel soll autonom werden, sie soll ein Autonomiestatut erhalten. Der Innenminister zitierte Polynesien als Modell. Bisher galt eine Autonomie als ein Anschlag auf die Einheit des Staates, rechte, liberale und linke Parteien lehnten gleichermaßen einen autonomen Status für Korsika ab. Doch der Reihe nach.
Seit zwei Wochen protestieren korsische Jugendliche gegen die französische Justiz. Ihr werfen die Demonstranten vor, für den Mordversuch am inhaftierten korsischen Nationalisten Yvan Colonna verantwortlich zu sein.
Colonna sitzt wegen des Mordes am ehemaligen Präfekten Claude Erignac 1998 in Ajaccio lebenslänglich in einem Gefängnis in Arles auf dem Festland ein. Nachdem Colonna einen Mithäftling wegen seiner islamischen Religionszugehörigkeit beleidigt haben soll, schlug dieser den 61-Jährigen bewusstlos. Colonna schwebt in Lebensgefahr.
Der Zorn der Demonstranten richtet sich weniger gegen die islamischen Zuwanderer auf der Insel, sondern gegen den französischen Staat.
Auf den versuchten Mord des verurteilten Islamisten folgten Kundgebungen in vielen größeren Zentren der Insel. Mehrere tausend Teilnehmer wiederholten die Forderung der korsischen Regionaleregierung aus Autonomisten und Separatisten, Colonna in ein korsisches Gefängnis zu verlegen. Bei Straßenschlachten wurden Polizisten und Demonstranten schwer verletzt. Aufgrund der heftigen Proteste schickte das französische Innenministerium weitere Polizeieinheiten, die aber nicht an Land gehen konnten. Hafenarbeiter blockierten die Fährhäfen.
Der Zorn der Demonstranten richtet sich weniger gegen die islamischen Zuwanderer auf der Insel, sondern gegen den französischen Staat. Dieser trägt wegen seiner jahrelangen Weigerung, Colonna in ein korsisches Gefängnis zu überführen, eine erdrückende Verantwortung an der Tat, kritisiert Gilles Simeoni von der Autonomisten-Partei Femu a Corsica die französische Justiz. Erst nach dem Mordversuch und der heftigen Proteste reagierte Premierminister Jean Castex auf die korsischen Forderungen. Zwei Mittäter des Erignac-Mordes sollen in ein korsisches Gefängnis überstellt werden.
Wegen des anlaufenden Wahlkampfes um die französische Präsidentschaft im April geht Innenminister Gérald Darmanin einige Schritte weiter. Laut dem Minister ist die Staatsführung bereit, Korsika die Autonomie zu gewähren. Er strebt deshalb einen entsprechenden „institutionellen Dialog“ mit Simeoni an, Präsident der korsischen Regionalverwaltung. Darmanin verwies auf das Sonderstatut von Französisch-Polynesien im Südpazifik. „Das eröffnet Möglichkeiten,“ prophezeit der Innenminister. Wahlkampf-Taktik? Möglich.
Die korsische Szene bleibt deshalb skeptisch, auch deshalb, weil der Innenminister als Modell für Korsika nur Polynesien anführte, nicht aber Neukaledonien.
Darmanin stellte die Autonomie-Gespräche nämlich für die zweite Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron in Aussicht. Eine doch deutliche Aufforderung an die korsischen Autonomisten und Separatisten, bei den Präsidentschaftswahlen für Marcon zu stimmen. Die Korsika-Allianz hält im Regionalrat eine satte Mehrheit.
Die korsischen Wählerinnen stimmten bei mehreren Inselwahlen für die Korsika-Koalition Allianz Pè a Corsica. Giugli (Gilles) Simeoni wurde als Chef der korsischen Verwaltung bestätigt, ebenso sein Koalitionspartner Ghjuvan Guidi (Jean-Guy) Talamoni als Präsident des regionalen Parlaments. Ein Votum für mehr Selbstverwaltung, für Autonomie, eine Absage an den französischen Zentralismus der Marke Präsident Macron, dieser lehnte bisher strikt eine korsische Autonomie ab.
Die korsische Szene bleibt deshalb skeptisch, auch deshalb, weil der Innenminister als Modell für Korsika nur Polynesien anführte, nicht aber Neukaledonien. Das sich östlich von Australien befindende Neukaledonien ist tatsächlich autonom, mit eigenem Parlament und Budget-Kompetenzen. Polynesien hingegen hängt finanziell am französischen Staatshaushalt, ist in letzter Konsequenz weisungsgebunden.
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