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Lisa Maria Kager
Veröffentlicht
am 02.04.2019
Leben40 Wochen

Alles läuft!

Veröffentlicht
am 02.04.2019
Wenn die Milch einschießt und die rosa Seifenblase zum Platzen bringt, gibt es nicht mehr nur Freudentränen.
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Die ersten Tage mit Herzmensch fühlen sich an wie in einer rosaroten Seifenblase. Ein Ort, an dem die Zeit einfach stehen bleibt und alles andere auf dieser Welt jegliche Wichtigkeit verliert. Ein Gefühl, das ich vorher nur nach dem Tod meines Bruders erlebt habe und das mich noch einmal daran erinnert, wie nahe diese beiden Ereignisse sich eigentlich stehen. Irgendwie kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass es nach dieser Geburt je wieder ein normales Leben, einen Alltag geben kann. Am liebsten möchte man schwer verliebt für immer im Duft und Anblick dieses kleinen, vollkommenen Geschöpfs versinken. Der Geburtsschmerz ist längst vergessen und die vergangenen Stunden scheinen in der eigenen Erinnerung völlig surreal. Zumindest bis zum Milcheinschuss. Spätestens dann holt einen die Realität nämlich in ihrer vollen Härte wieder ein.

Nicht nur Sonnenschein
Ich stehe leicht gebeugt über dem Küchentisch. Meine prallen Brüste hängen in einen Kochtopf, der mit lauwarmem Wasser gefüllt ist, und ich versuche aus Angst vor einem Milchstau und hohem Fieber dem Spannungschmerz in meinem rot gefärbten Busen mit streifenden Bewegungen Abhilfe zu verschaffen. Die Milch schießt förmlich aus mir heraus, und ich fühle mich wieder so wie in der fünften Klasse Grundschule, als ich bei einer Ferienwoche in Langtaufers zum ersten Mal echte Kühe melken durfte. Nach knappen drei Stunden Schlaf bereite ich mich so um halb drei Uhr morgens auf die nächste Stillrunde vor und frage mich, warum in aller Welt sich eigentlich alle Frauen nur Sorgen um die Geburt machen.

Warum spricht nie jemand über die Tage danach und darüber, wie das mit dem Stillen eigentlich wirklich anfängt? Darüber, was einen nach dem Milcheinschuss erwartet und wie prall ein Busen werden kann? Warum spricht nie jemand über schmerzende Brustwarzen, den Kampf gegen die Zeit und die Abhängigkeit, in die man durch das Stillen getrieben wird? Und vor allem: Warum lassen einen alle im Glauben, dass Stillen so unheimlich entspannend und easy sei? Schaut man sich die ganzen Parkbankmütter an, die ihr Kind gemütlich in der Sonne füttern, könnte man ja regelrecht meinen, dass es doch nichts Schöneres auf der Welt gäbe. „Genieß die Stillzeit“, sagen sie, „die kommt nie wieder!“ und „Stillen ist Liebe.”

„Was den Körper anbelangt, gibt es seit der Geburt ja sowieso keine Tabus mehr.”

Drei Tage nach der Geburt träume ich nur vom schmerzlosen Stillen auf sonnigen Parkbänken. Und vom schmerzlosen Sitzen auch. Geschwollen sind nämlich nicht nur meine Brüste. Trotzdem bin ich schwer beeindruckt von der Leistung meines Körpers. Ohne irgendetwas dafür tun zu müssen, bildet er gleichzeitig meine Gebärmutter zurück, heilt alle Wunden und produziert Energienahrung für mein Baby. Jedes Mal wenn Herzmensch an meiner Brustwarze andockt, reagiert diese auf seinen Speichel und mein Körper passt ganz automatisch die Muttermilch an seine Bedürfnisse an. Allein deshalb zahlt es sich aus, nach dem Milcheinschuss die Zähne zusammenzubeißen, offene Brustwarzen mit Rosenwasser zu behandeln und die Brüste auch mal in ein warmes Wasserbad hängen zu lassen. Was den Körper anbelangt, gibt es seit der Geburt ja sowieso keine Tabus mehr.

Tränen, Blut und Muttermilch
Ich bin heilfroh, dass mich meine Hebamme in den Tagen nach der Geburt zuhause begleitet und ich sie nicht nur bei ihren Besuchen, sondern auch übers Handy mit all meinen Fragen und Zweifeln belästigen darf. Ihre Erfahrung gibt Sicherheit, die man mit dem sinkenden Hormonspiegel gerne mal aus den Augen verliert. Stille ich oft genug? Produziert mein Körper genug Milch, um Herzmensch zu sättigen? Soll ich ihn nach mehreren Stunden Schlaf zum Stillen aufwecken oder doch lieber in Ruhe lassen? Wie lange läuft das Blut eigentlich noch aus mir heraus? Und was zur Hölle soll ich mit diesen Riesen-Brüsten anstellen?

Auf die neue Aufgabe, die unmittelbar nach der Geburt beginnt, bereitet einen niemand vor. Deshalb versuche ich, so gut es geht, meinen Instinkten zu vertrauen und darauf, alles irgendwie zu schaukeln, ohne es je gelernt zu haben. Trotzdem überrumpelt mich diese neue Situation manchmal. Schließlich bin ich nun 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche für dieses kleine, unschuldige Wesen verantwortlich, das – wenn man es von der natürlichen Seite betrachtet – alleine gelassen, ohne meine Milch und meine Nähe sehr wahrscheinlich einfach sterben würde. Das kann schon mal an den Nerven zehren und etwas Druck auf die hormonschwache Neo-Mami ausüben. Bunteste Gefühle, die in dicken Krokodilstränen über meine Wangen kullern. Schließlich war noch nie in meinem Leben jemand so unmittelbar abhängig von mir.

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