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(PR-Beitrag)
BARFUSS: Philipp, du hast einen langen Weg der Schmerztherapie hinter dir. Wie kam es dazu?
Philipp Klotzner: Ich hatte 2015 einen Freizeitunfall beim Amateur-Eishockey. Dabei habe ich mir beim linken Sprunggelenk einen Drehbruch zugezogen, wo sämtliche Bänder gerissen sind und das Wadenbein gebrochen ist. Das ist eine sehr komplizierte Verletzung, weshalb ich über ein Jahr lang im öffentlichen Krankenhaus behandelt wurde. Nach den eineinhalb Jahren wurde ich mit dem Wissen, dass ich nicht schmerzfrei bin und den Worten, dass der maximal vorgesehene Behandlungszeitraum für solche Verletzungen ausgenutzt wurde, entlassen.
Wie ging es dann weiter?
Ich habe die weiterführende Schmerztherapie aus der eigenen Tasche bezahlt und verschiedene Privatärzt:innen aufgesucht. Einer hat zum Glück festgestellt, dass ich eine Beckenfehlstellung habe, die auf eine Beckenprellung vom Unfall zurückzuführen ist, woher die meisten Schmerzen rührten. Dieses Problem ist in eineinhalb Jahren Schmerztherapie im Krankenaus nicht entdeckt worden. Da die Schmerzursache endlich gefunden wurde, konnte ich mit der richtigen Behandlung beginnen und habe mir Einlagen besorgt, die meinen Haltungsfehler korrigieren sollten.
Und dann warst du schmerzfrei?
Nein, leider nicht. Da die Ursache meiner Schmerzen lange nicht gefunden wurde und ich gegen einige Schmerzmittel bereits eine Resistenz aufgebaut habe, blieben die Schmerzen lange bestehen. Durch einen Zufall bin ich auf einen Artikel über die Schmerztherapie von Cannabis in Südtirol gestoßen. Mir war klar, dass ich unter die Bedingungen für die Eintragung als Cannabispatient falle, weshalb ich meinen Mut zusammengenommen und eine Ärztin aufgesucht habe. Sie hat mich nach der Sichtung all meiner Behandlungsdokumente als Cannabispatient in Italien eingetragen und wir konnten mit der Therapie beginnen.
Wie sieht so eine Schmerztherapie mit medizinischem Cannabis aus?
Es war klar, dass ich eine Medikation mit hohem THC-Gehalt benötige, um meine Schmerzen zu lindern. Es gibt sehr viele Möglichkeiten THC (red. Anmerkung: Tetrahydrocannabinol ist ein psychoaktiver Wirkstoff, der aus der Cannabis Pflanze gewonnenen wird) anzuwenden: Tropfen, Salben, Inhalieren usw. Für mich als damaliger Raucher war naheliegend, dass ich das THC in Form von zerkleinerten Blüten mit einem Inhalationsgerät verdampfen würde. Da THC aber auch eine Psychoaktivität auslösen kann, wurde mir verschrieben, neben dem medizinischen Cannabis auch CBD (Anm. d. Red.: Wirkstoff aus der weiblichen Hanf-Pflanze) einzunehmen. Das isolierte CBD-Öl habe ich immer eine halbe Stunde vor dem medizinischen Cannabis eingenommen, da dieser Wirkstoff die Psychoaktivität von THC unterbindet. Überraschenderweise hat mir CBD später geholfen, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Einnahme beider „Medikamente“ hat mir somit ein einigermaßen schmerzfreies Leben ermöglicht, bei welchem ich aber im Kopf total fit bleibe und funktioniere.
Im Kopf fit bleiben: Skeptiker:innen befürchten bei der Einnahme von Cannabis das genaue Gegenteil, nämlich dass man „hängen“ bleibt…
Mit der richtigen und individuell abgestimmten Medikation ist genau das Gegenteil der Fall, es geht um eine kontrollierte Abgabe mit Begleitung der Therapie des Arztes. Die Unwissenheit der Gesellschaft, die natürlich aus der Prohibition der Substanz hervorgeht ist das Problem. Im Vergleich mit Alkohol nehme ich wahr, dass der Großteil der Gesellschaft, Cannabis ähnlich wie hochprozentigen Alkohol fürchtet. Cannabis hat aber über 140 Wirkstoffe, die aber bis auf THC alle nicht psychoaktiv wirken. Das heißt im Vergleich mit Alkohol bietet Cannabis eine vielseitigere Bandbreite. Wir müssen mehr auf die Chancen der Natur-Medizin bauen.
Wie zum Beispiel?
Aufgrund meiner positiven Erfahrung mit CBD habe ich meinen Opa zu meiner Ärztin gebracht, die uns nach der Sichtung all seiner Krankendokumente über natürliche Wirkstoffe aufgeklärt hat, die ihm helfen könnten. Er litt an Altheimer und wurde dermaßen mit Schmerzmittel und Psychopharmaka eingedeckt, dass er nicht mehr richtig reden konnte und geistig nicht vollkommen anwesend war. Mit der Ergänzung von einer naturbasierten Medizin, um genau zu sein; der Verabreichung von einem griechischen Bergtee, der als Vorstufe zum CBD gilt, konnten seine anderen Medikamente stark verringert werden. Dies führte dazu, dass er wieder fitter im Kopf und geistig wacher wurde. Plötzlich konnte ich wieder mit ihm richtige Gespräche führen. Ich bin davon überzeugt, dass wenn wir mit einer hohen Lebensqualität alt werden wollen, auf den Ausbau natürlicher Medikamente setzen müssen.
Ist Cannabis ein Wundermittel?
Ich warne immer davor, Cannabis als reines Wundermittel zu preisen. Natürlich braucht es noch die Allgemeinmedizin, weil keine Salbe der Welt einen gebrochen Arm heilen wird. Allerdings war die Therapieform für mich, meine Lebensqualität und meine physische wie auch psychische Gesundheit goldwert und wenn man es so nennen will, ja ein Wunder. Natürlich birgt die Therapie aber auch Risiken.
Welche?
Zum Einen kann es sein, dass das medizinische Cannabis bei einem nicht hilft und der Körper eine natürliche Resistenz gegen den THC-Wirkstoff hat. Man kann auch einen Ausschlag bekommen und gegen Hanf allergisch sein. Bei einer Überdosierung von THC kann einem schwindelig werden. Es ist mir aber wichtig zu erwähnen, dass das schlimmste was bei einer Überdosierung passieren kann, ist, dass man erbricht oder einschläft. Es gibt bis heute keinen einzigen Cannabis-Toten weltweit.
Wie würdest du heute rückblickend deine Schmerzensgeschichte beschreiben?
Durch und durch belastend, und zwar für alle. Die Zeit war eine enorme psychische Belastung für mich und mein Umfeld. Schmerzen schränken nicht nur die eigene Lebensqualität massiv ein, sondern betreffen auch unmittelbar das eigene Umfeld. Es ist für die Familie und Freunde sehr schwierig, richtig mit einem umgehen zu können. Heute kann ich aber sagen, dass aus der schlimmsten Erfahrung meines Lebens das Beste wurde, was mir hätte passieren können: Ich konnte mir, meinem Opa und mit meinem neuen Unternehmen Bio.Hemp auch vielen anderen helfen.
Was genau ist Bio.Hemp Südtirol?
Ich wollte mich zu Beginn 2021 an der Produktion von Hanf versuchen. Da ich einen landwirtschaftlichen Betrieb zu Hause habe, war es relativ einfach den Platz für den Anbau für ein paar Hanfpflanzen zu finden. Die Weiterverarbeitung von CBD war rechtlich etwas verzwickter, weshalb wir Bio.Hemp Südtirol gegründet haben, die vom Produzenten die Rohstoffe abkaufen und dann weiterverarbeiten. Da die Extraktion des Wirkstoffes in Italien einen Graubereich darstellt, arbeiten wir mit einem Partnerlabor in der Schweiz zusammen. Diese extrahieren aus unseren Rohstoffen den Wirkstoff und das fertige CBD-Isolat kommt dann wieder in Pulverform zu uns und zur Weiterverarbeitung in ein Südtiroler Kosmetik-Labor. Bio.Hemp Südtirol ist also auf CBD-Öle mit dem isolierten Wirkstoff (CBD), die frei vom psychoaktiven THC-Wirkstoff sind, spezialisiert.
Wie sensibilisiert ist Südtirols Gesellschaft für diese Formen von Schmerztherapien mit CBD und THC?
Quasi gar nicht. Kaum jemand weiß etwas, über die Existenz, die Funktion, geschweige denn die vielen Vorteile von THC und CBD. Eigentlich könnten alle Hausärzte in Italien medizinischen Cannabis verschreiben, aber kaum jemand macht das. Der Grund dahinter ist sicherlich das mangelnde Wissen. Ich stelle in meinem aktuellen Beruf immer wieder fest, dass viel zu wenig Informationen über die Therapie an sich aber auch über regionale Anlaufstellen an die Gesellschaft kursieren. Daher war es mir sehr wichtig neben den Verkauf von Produkten nun auch Fachgespräche/ Fachvorträge für Betroffene anzubieten.
Was möchtest du damit erreichen?
In den Vorträgen erkläre ich die Basics und erteile im Einzelgespräch im Videocall oder in Gruppenfachgesprächen Tipps, wo man sich wie in Südtirol, um die Eintragung als Cannabispatient informieren kann. Die Fachvorträge und Gespräche dienen quasi als Vorstufe zur ärztlichen Visite und werden im Rahmen von “von Patient zu Patient” angeboten. Eine solche Möglichkeit, an Informationen und Erfahrungsberichte zu kommen, hätte ich zu Beginn meiner Schmerztherapie durchaus gebraucht. Mir ist aber wichtig zu betonen, dass ich natürlich kein Mediziner noch Biologe bin. Ich gebe keine Tipps zur Verwendung mit anderen Medikamenten, der Dosierung oder Informationen, die andere medizinischen Fachkenntnisse verlangen. Ich will einzig und allein für die Menschen am Beginn dieser Riese da sein und ihnen durch Informationsvermittlung ein bisschen Angst nehmen sowie bei Bedarf die richtigen Adressen von Südtiroler Fachärzt:innen weiterleiten.
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