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Teseo La Marca
Veröffentlicht
am 11.12.2014
MeinungKommentar über Südtirol und Europa

Zwischen den Stühlen

Veröffentlicht
am 11.12.2014
Ein junger Rittner über den Vorteil, heute Südtiroler zu sein, und die Schwierigkeit, heute Europäer zu sein.
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In Reaktion auf unseren gestrigen Beitrag, in dem fünf Südtiroler ihre Schwierigkeit, heute Südtiroler zu sein, erläuterten, hat uns der Student Teseo La Marca folgenden Text geschickt, den wir sehr gerne veröffentlichen.

Südtiroler zu sein erfordert die Fertigkeiten eines Seiltänzers. Um zwischen den Kulturen und Sprachgruppen, die jahrzehntelang im Widerstreit standen, nicht die Balance zu verlieren und in den einen oder den anderen Nationalismus zu fallen, muss man über einen gewissen Gleichgewichtssinn verfügen. Aber nach einem Jahrhundert der Übung im Seiltanzen ist das für viele Südtiroler längst nicht mehr schwierig.

Die große Schwierigkeit unserer Zeit besteht eher darin, Europäer zu sein: Europas Wohlstand geht seit der Wirtschaftskrise vor die Hunde. Dazu kommen jährlich immer mehr Flüchtlinge nach Europa. Viele Einheimische haben das Gefühl, sie müssten ihren schwindenden Wohlstand nun auch noch mit anderen teilen (ungeachtet der vielen Studien, die das Gegenteil beweisen). Die Neuankömmlinge sprechen außerdem eine andere Sprache und haben andere Lebensvorstellungen; ein Zusammenleben kann nur funktionieren, wenn wir bereit sind, unser Lebensumfeld zu teilen.

Für Südtirol ist das nichts Neues. Wir leben in einem Gebiet, das seit jeher ein Grenzland war, in dem sich „Fremde“ angesiedelt haben. Der Faschismus hat zwar viele Italiener richtiggehend importiert, aber ich behaupte hier, dass Südtirols jüngere Geschichte eine Erfolgsgeschichte ist. Die meisten jungen Südtiroler dürften das am eigenen Leben, an ihrer Zweisprachigkeit und den vielfältigen Möglichkeiten ihrer Zukunft nachvollziehen können.
Es ist schwer, nicht subjektiv zu schreiben, wenn man als Südtiroler über Südtirol schreibt. Die Dichotomie Südtirols zwischen Deutsch und Italienisch, Berg und Tal, Tradition und Moderne ist mir allzu gut bekannt. Meine Mutter ist Südtirolerin, mein Vater ist Italiener. Aufgewachsen bin ich am Berg, in einem abgelegenen Dorf, das 200 Einwohner zählt. Zur Schule gegangen bin ich aber schon seit dem Kindergarten in Bozen, der Landeshauptstadt. Dazugehört hab ich nirgends, weder zu den Italienern, noch zu den Deutschen, weder zu den „Bauern“, noch zu den „Stadtlern“. Man sagt, wenn man nirgends (oder überall) dazugehört, verliert man seine Identität. Aber manch einer findet seine Identität gerade im Zwischen-den-Stühlen-sitzen.

„Wie will man den Einwanderern eine neue Heimat bieten, wenn man selbst keine Heimat mehr hat?”

Ich bin überzeugt, so ist es auch mit dem Land Südtirol. Ich glaube, seine Identität liegt schon lange nicht mehr bei Österreich oder im Deutschsein, sondern in seiner einzigartigen Vielfalt. Und darin liegt auch der Vorteil, heute Südtiroler zu sein. Dabei darf nicht vergessen werden, wie wichtig es ist, bei all der Vielfalt auch die regionalen Eigenarten beizubehalten. Denn wie will man den Einwanderern eine neue Heimat bieten, wenn man selbst keine Heimat mehr hat? Wenn die neuen Herausforderungen Europas also das Aufnehmen des Fremden und gleichzeitig das Bewahren des Heimischen sind, dann sind wir Südtiroler mit diesen Herausforderungen schon längst vertraut – es ist leichter für uns, Europäer zu sein.

Wenn es heute trotzdem noch eine große Schwierigkeit gibt, Südtiroler zu sein, dann liegt diese Schwierigkeit darin, auch dem restlichen Europa zu zeigen, wie der erfolgreiche Seiltanz der Vielfalt aussehen soll.

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