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Gesetze sind ja oft nur Empfehlungen. In Wien empfiehlt das Gesetz rauchfreie Lokale, viele Wirte sagen dazu lieber Nein. Ihnen baut der Staat Schlupflöcher ins Gesetz. Rauchen ist in Österreich schließlich ein Stück Kultur, und die soll erhalten bleiben. In staubigen Lokalen konservieren schwere Vorhänge streng riechende Erinnerungen an durchzechte Nächte und aschebefleckte Tische die Bedeutsamkeit tiefsinniger Gespräche. Auf verblichenen Polstergarnituren sitzen Stammgäste still wie Wachsfiguren vor Zeitung und Melange und bewegen sich nur, um einen Sargnagel auszudrücken und den nächsten anzuzünden. Das ist gelebte Kaffeehauskultur.
Zur Wahrung dieses Stücks Kultur also nimmt man die juristische Hintertür und renoviert und frisiert, denn das Gesetz steht nun einmal geschrieben und das einzige, was den kulturliebenden Wirten bleibt, ist, das Gesetz als Empfehlung zu verstehen und sich also nichts empfehlen zu lassen. Kultur sticht Gesetz und das gilt wohl auch für das vermeintliche Vorbild Italien: Italiens Radikalität beim Rauchergesetz ist vielleicht damit zu erklären, dass so von der eigenen Kultur der maßgeschneiderten Gesetze abgelenkt wird.
Gesetze sind Worthülsen, deren Sinn oder Unsinn sich erst in der Anwendung erschließen. Am offenen Bahnsteig in Innsbruck steigen Raucher deshalb brav ins aufgemalte Quadrat: Raucherzone. In geschlossenen Räumen in Wiener Bars und Kaffeehäusern aber wird fleißig gequalmt. Da verkleinern Wirte freiwillig Lokale, um sie als Raucherlokale zu deklarieren oder funktionieren kleine Kammern zu Nichtraucherzonen um – das ist gesetzlich in Ordnung und also alles gut.
Vielleicht hätte Thomas Bernhard im durchgelüfteten und rauchfreien Kaffeehaus eine wohlriechende Muse gefunden und statt grantelnder Zeilen sanfte Liebesgedichte verfasst. Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Rauchen regt keine grauen Zellen an und auch nicht die Kreativität, besser wäre da wohl Kaugummi, notfalls auch mit Nikotin. Überhaupt muss man heutzutage flexibel sein: Mit Elektrozigarette im Kaffeehaus, das ist meine Empfehlung. Der Ober würde wohl nicht genervter oder stirnrunzelnder reagieren, als er es sowieso immer tut. Das nämlich ist tatsächlich echte Wiener Kaffeehauskultur.
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