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„Denn da ist ein Ziehen und ein feines, glühendes Simmern. Das ist die Wut, die bleibt.“
S. 263Helene. Mutter von drei Kindern. Sie steht vom Abendessen auf. Macht ein paar Schritte zum Balkon und stürzt sich wortlos in den Tod. Zurückbleiben die Teenager-Tochter Lola, ihre kleinen Brüder und deren Vater. Und Helenes beste Freundin Sarah. Durch Helenes Tod bleibt eine Leere in allen zurück. Was vorher so selbstverständlich war, ist nicht mehr da: die Liebe. Die Fürsorge. Die Sicherheit. Helene hinterlässt eine Lücke. Sarah fühlt sich in der Pflicht und Schuld der Familie zu helfen und versucht, die Leere und Trauer zu lindern. Lola hingegen sucht einen Weg, mit ihren Emotionen fertig zu werden und konzentriert sich dabei auf das stärkste Gefühl: Wut.
„Nie geht es um das, was da ist, stets geht es um das, was fehlt. Und das Schlimme ist, dieses neue Fehlen, das bleibt jetzt.“
S. 29Es geht um drei Frauen. Eine Mutter, die sich entzieht. Ihre beste Freundin, die sich in der Pflicht fühlt zu helfen. Die Tochter, die nicht genau weiß wohin mit all der Wut. Es geht ums Frausein in der Gesellschaft. Um die Last und die Verantwortung, die auf Frauen schultert. Um Pflichtgefühl und Schuldgefühle. Um Mutterschaft und Care-Arbeit. Um Emanzipation und Feminismus. Um Erschöpfung und Verzweiflung. Misogynie und Bodyshaming. Um Ungerechtigkeit und den Versuch, nicht länger zu schweigen. Es geht um die Pandemie und was sie Frauen und Müttern aufgeladen hat. Um Stärke und dem Durchbrechen von Mustern, das Ausbrechen aus Strukturen. Um Zusammenhalt und Freundschaft unter Frauen, um ihr Aufbegehren, um Solidarität und was das alles bewirken kann.
„Das Grundgefühl zwischen Frauen ist Schwesterlichkeit und Zusammenhalt, aber wir werden in dieses Klima der Konkurrenz gezwungen.“
S. 222Das Buch „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl macht sprachlos und lässt den Puls steigen. Es knallt. Explodiert. Schmerzt. Tut weh. Ist radikal und kraftvoll. Macht Mut, ist stark und wichtig. Dieses Buch ist aktuell, laut und vor allem wütend. „Es ist Fiktion, aber trotzdem wahr“, schreibt Mareike Fallwickl. Und das stimmt. Es soll wachrütteln und empowernd sein. Es ist extreme, literarische Radikalität.
Die Radikalität, die uns Mareike Fallwickl mit diesem Buch entgegen schleudert, ist wie ein Faustschlag ins Gesicht. Das Buch bietet dadurch viel Diskussions- und Zündstoff. Und das ist gut. So soll es sein. Es legt offen, was in unserer Gesellschaft immer noch schief läuft. Was passiert mit uns, wenn wir unsere eigenen Grenzen weiter und weiter ausdehnen? Wenn wir ständig versuchen, der patriarchalen Erwartungshaltung zu entsprechen? Wir müssen aus dem Muster des Schweigens ausbrechen und laut sein. Für uns einstehen. Gemeinsam. Nur so ebnen wir den Weg für Veränderung. Für uns. Für alle. Und nur so, vielleicht, bleibt am Ende nicht nur Wut, sondern wächst daraus etwas Neues. Besseres. Aber was bleibt, ist die Gewissheit. Wir dürfen wütend sein.
„Etwas Dichtes, Dunkles, nicht schwer zu erkennen für eine, die schon mal dasselbe empfunden hat. Da ist die Wut.“
S. 275Am Ende dieses Buches bleibt ganz viel Liebe für die Autorin und ihr Werk. Danke für dieses literarische und sehr radikale Lesehighlight.
„Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl ist im Rowohlt Verlag erschienen.
Mehr feministische Lesetipps unserer Buchbloggerin Carmen Waldthaler
gibt es auf ihrem Instagram-Channel c_booksblog! #frauenlesen
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