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Noch im April sah es düster aus. In Meran fehlten in Summe 300 Millimeter Niederschlag, in Schlanders fehlten 150 Millimeter und im Unterland 200 Millimeter. Auch anderswo verzeichneten Südtirols Messstationen über 18 Monate hinweg bedrohliche Niederschlagsdefizite.
Alle wussten: Sollte die Dürre anhalten, hätten wir ein Problem. Viele Speicherbecken der Bauern waren schon fast leer, wenige zusätzliche Monate Trockenheit hätten genügt, um ihnen den Garaus zu machen. Landeshauptmann Kompatscher unterzeichnete deshalb noch im März eine Verordnung, mit der er alle Wassernutzenden, vor allem die Landwirtschaft, zum Wassersparen aufrief.
Dann kam der Regen. Den ganzen Sommer hinweg hat es sogar überdurchschnittlich oft und in großen Mengen geregnet. Doch was eigentlich ein Grund zum Aufatmen sein sollte, könnte in Wirklichkeit noch fatale Folgen haben. Denn die Wasserknappheit ist nicht vorbei, die Grundwasserpegel sind weiterhin niedrig. Und mit der Klimaerwärmung werden die Dürren häufiger. So prognostiziert das Klimamodelle SPEI-12, dass es in Südtirol gegen Ende des Jahrhunderts nicht nur vorübergehend, sondern sogar anhaltend extrem trocken werden könnte. Zugleich sind die Gletscher, die wichtigsten Wasserreservoire in trockenen Sommern, beim Verschwinden.
Nichtsdestotrotz ist das Thema – eben, weil es viel geregnet hat – aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Und das mit einem denkbar schlechten Timing: kurz vor dem Wahlkampf.
Ein trockenes Thema
Wenn man sich die Wahlprogramme anschaut, dann ist das Thema zwar präsent, allerdings meistens nur als Nebensatz, weit unten auf der Prioritätenliste. So wie bei den Bauernvertretern der SVP, wo wieder einmal der Wolf dominiert.
Zugegeben, im Gegensatz zum Wolf ist Wasserknappheit ein „trockenes“ Thema, ungeeignet für griffige Wahlkampfsprüche. Die Ursachen für den Wassermangel sind vielfältig und genauso komplex gestaltet sich die Suche nach Lösungen. Wo haben wir die größten Einsparungspotenziale? In der Landwirtschaft, im Tourismus oder doch in der Infrastruktur (geht doch auch in Südtirol bis zu 30 Prozent des Trinkwassers aufgrund von lecken Rohren durch Versickerung verloren)? Woraus die leidige, aber wohl wichtigste Frage folgt: Wer soll in die Pflicht genommen werden?
Sieht man sich die Zahlen an, scheint die Antwort klar: Die Landwirtschaft verbraucht mit 150 Millionen Kubikmeter pro Jahr das meiste Wasser, es folgen Industrie und Trinkwasser mit je 50 Millionen Kubikmeter, allein die Schneeerzeugung verbraucht 10 Millionen Kubikmeter.
Doch diese Zahlen sind oberflächlich. Wir wissen noch wenig darüber, wer in Südtirol durch welche Aktivitäten wie viel Wasser genau verbraucht. Nicht einmal den Anteil der Tourismusbetriebe am Trinkwasserverbrauch spezifizieren diese Daten, die von der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz stammen. Genau solche Zahlen wären aber eine wichtige Grundlage, um effektive und gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Dabei geht es nicht zwangsläufig um Verzicht, sondern darum, etwa dank neuer technischer Ausrüstung, die an den richtigen Orten eingesetzt wird, zu einer effizienteren Wassernutzung zu finden.
Am Wasser will sich niemand die Finger verbrennen
Das erste, das Südtirol braucht, um sich für eine wasserarme Zukunft zu rüsten, sind also solide Daten. Dafür müssen entsprechende Erhebungen und Forschungsprojekte finanziert, koordiniert und systematisch durchgeführt werden. Ansonsten verläuft die Debatte darüber, wer Wasser sparen soll – wenn sie überhaupt stattfindet – so wie jetzt: voller unproduktiver Schuldzuweisungen, gefangen im Strudel voreingenommener Annahmen und gegenläufiger Interessen.
Man kann sich nur ausmalen, was passiert, wenn das Wasser einmal ernsthaft knapp wird. Dann beginnt der Streit erst richtig. Selbst das bisher so erfolgreiche Zweiergespann aus Tourismus und Landwirtschaft – zwei Branchen, die in der jüngeren Südtiroler Geschichte immer nur voneinander profitiert haben – könnte über der Frage, wer wieviel Wasser bekommt, zerbrechen.
Aber so weit muss man nicht denken. Im medialen Diskurs ist der Konflikt um die begrenzte Ressource schon längst entbrannt. Die Grünen sehen in den Touristiker:innen die größten Wassersünder, die Hoteliers wiederum verweisen auf Landwirte, die noch die Oberkronenbewässerung nutzen, und die Landwirte tun so, als sei mit dem Bau einiger neuer Speicherbecken das Problem gelöst. Jede Gruppe hat gute (kurzfristig gedachte) Gründe, um so wenig Wasser wie möglich zu sparen, und stattdessen auf jemand anderen zu zeigen.
Diese Differenzen verhindern, dass Südtirol beim Thema Wasser an einem Strang zieht. Genau deshalb wäre es so wichtig, dass die Landesregierung hier übernimmt, Interessenskonflikte ausgleicht und auf Grundlage der Daten entscheidet, wo die größten Einsparungspotenziale bestehen (denn eines ist sicher, dieses Potenzial ist da). Doch die Politik geht dem heiklen Thema lieber aus dem Weg. Und so fehlt uns, obwohl wir heuer nur sehr knapp einem katastrophalen Wassermangel entkommen sind, weiterhin eine Strategie, um die Trinkwasserversorgung trotz häufigerer Dürren zu sichern.
Man kann angesichts dieser Kurzsichtigkeit nur hoffen, dass es bis zum 22. Oktober wieder komplett trocken bleibt. Eine kleine Dürre in letzter Minute könnte kurz vor der Wahl noch ein paar Leute daran erinnern: Neben Wolf und Einwanderung war da noch was.
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