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Früher, in der Grundschule, gab es so ein Büchlein. Das ließ man unter den Schulfreunden herumgehen (Streber gaben es auch den Lehrern) und jeder musste die Fragen, die darin standen, beantworten. Da standen Fragen wie: Was ist deine Lieblingsfarbe? Was möchtest du später werden? Was sind deine Hobbys? Bei Was sind deine Hobbys stand meistens so etwas wie Lesen, Fernsehen, Eis essen, Mit Freunden treffen.
Letztens hielt ich eines dieser Büchlein wieder in den Händen. Ich blätterte darin. Ich überlegte, was ich zu welcher Frage schreiben würde. Lieblingsfarbe? Egal. Später werden? Glücklicher, alter Mann. Hobbys? Mir fiel nichts ein. Klar, Lesen, Fernsehen, mit Freunden treffen. Das macht doch jeder, aber das sind keine echten Hobbys. Ich dachte nach. Ich hatte keins. Ich dachte weiter nach. Ich kenne hier in Berlin – das ist die Stadt, in der ich lebe – auch keine Freunde, die welche haben. Mir ließ das keine Ruhe mehr. Ich überlegte, warum das so ist. Haben wir zu wenig Zeit dafür? Morgens zur Arbeit, abends nach Hause, kaputt, keine Lust mehr auf irgendwas. Ein paar Seiten lesen, mit dem Buch auf der Brust einschlafen. Ein bisschen Blöd-Fernsehen-zappen. Und am nächsten Tag das Gleiche. Und am übernächsten Tag auch.
Aber das konnte natürlich nicht der Grund dafür sein, kein Hobby zu haben. Zeit hat man immer, wenn man sie sich nimmt. Es war etwas anderes. Wir definierten uns alle zu sehr über unsere Arbeit. Wir, meine Freunde und ich, die wir in Berlin leben, arbeiten alle mehr oder weniger in der gleichen Branche. Irgendwas mit Medien. Irgendwas mit Politik. Wir treffen Menschen, die auch irgendwas mit Medien oder Politik machen. Niemand geht einfach acht Stunden ins Büro, jeder arbeitet an irgendwelchen Projekten, versucht, sich über die Arbeit selbst zu verwirklichen, sucht Selbstbestätigung.
Das ist schön. Das ist gut. Aber das ist nicht alles. Das kann nicht alles sein. Es muss mehr geben im Leben als aufstehen, bei der Arbeit versuchen, sich selbst zu verwirklichen, Nahrung zu sich nehmen, schlafen. Der Mensch braucht Hobbys! Etwas, das er nur für sich tut. Das ihm, für sich ganz alleine, Freude bereitet. Es gibt so viele schöne Hobbys. Ich überlege: Briefmarkensammeln. Fischen. Rennradfahren. Autogramme jagen. Malen. Gärtnern. Aber das ist alles nix für mich. Ein Freund erzählt mir, er gehe boxen. Seit einem halben Jahr. Er sieht nicht aus wie ein Boxer. Er sieht ganz normal aus. Zufrieden. Probier es aus, sagte er. Er klang überzeugend. Ich mag Boxen. Ich beschließe, boxen zu gehen. Boxen soll mein neues Hobby werden. Schlafen, aufstehen, arbeiten gehen, sich ernähren, boxen, die Wunden lecken, schlafen gehen. Das ist doch ein Plan.
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