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Silke Pernter
Veröffentlicht
am 19.04.2022
MeinungKleiderordnung in Schulen

Kampf um die Bauchfreiheit

Veröffentlicht
am 19.04.2022
Es gibt für jedes Umfeld einen passenden Kleidungsstil. Auch für die Schule. Doch ist es deshalb richtig, bauchfreie Tops zu verbieten? Ein Kommentar.
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Wer anstößige Kleidung trägt, hat mit Disziplinarmaßnahmen zu rechnen. Das kündigt ein Schreiben der Direktion des Sozialwissenschaftlichen Gymnasium und Kunstgymnasium Bruneck an. Unter die Kategorie „anstößige Kleidung“ fallen auch bauchfreie Oberteile.

Daraufhin brach eine Diskussion aus. Eigentlich vorhersehbar. Sogar auf Rai Südtirol wurde am 12. April ein „Pro und Contra“ über dieses Thema ausgestrahlt. Es wurden eine Oberschülerin und eine Oberschullehrerin zur Diskussion geladen.

Wirkliche Argumente gab es auf beiden Seiten nicht. Und das ist nicht nur auf Rai Südtirol der Fall, sondern auch sonst. Das Einzige, was es gibt, sind subjektive Meinungen. Jeder hat andere Grenzen und andere Einstellungen. Auch nicht alle Jugendlichen sind da einer Meinung. Im Gespräch mit anderen ergeben sich meist einige Punkte, bei denen man sich nicht einig ist.

Ein Argument des Lehrkörpers ist, dass die Schule aufs Leben vorbereitet und deshalb auch die Kleidung angemessen sein sollte. Man würde ja nicht im bauchfreien Oberteil zur Arbeit gehen, oder?

Die Schule ist der Ort, an dem man lernen sollte, womit man etwas erreicht und womit nicht. Das gilt nicht nur für Verhalten und Fleiß, sondern auch für Kleidung.

Aber genau deshalb sollte man keine bestimmte Kleidung verbieten. Die Schule ist der Ort, an dem man lernen sollte, womit man etwas erreicht und womit nicht. Das gilt nicht nur für Verhalten und Fleiß, sondern auch für Kleidung. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, ob er ein bestimmtes Kleidungsstück angemessen für die Schule findet. Ob es das tatsächlich ist, wird man schon an den Reaktionen der anderen Personen in der Schule merken.

Wenn ein Schüler schlechte Noten hat und seine Hausaufgaben nicht erledigt, wird auch nicht gleich ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Zuerst wird der Schüler darauf aufmerksam gemacht, dass es so nicht weitergehen kann, wenn er das Schuljahr bestehen will. Falls sich nichts ändert, werden in einem nächsten Schritt die Eltern verständigt. Diese sind nämlich damit beauftragt, dafür zu sorgen, dass ihr Kind die Schule ernst nimmt; nicht die Schule.

Genauso sollte es mit der Kleidung sein. Wie die Oberschullehrerin bei „Pro und Contra“ gesagt hat: Jeder kann das tragen, worin er sich wohlfühlt, muss dann aber damit klarkommen, wenn jemand etwas dazu sagt.

Dem stimme ich auch zu. Da die Grenzen bei der Kleidungswahl relativ sind, merkt man am besten, dass man sie überschritten hat, wenn jemand auf einen zukommt und einen zurechtweist. Das geschieht meistens erst, wenn etwas „radikal“ von der Norm abweicht (genauso wie bei vergessenen Hausaufgaben im Normalfall nur mit dem Schüler gesprochen wird, wenn dieser auffallend viele vergessen hat).

Schwer definierbare Grenzen

Fast jeder ist sich einig, dass bei der Kleidung, die man in der Schule trägt, gewisse Grenzen gibt. Diese Grenzen sind andere als beim Ausgehen. Auch die Oberschülerin bei “Pro und Contra” war der Meinung, dass jeder das tragen sollte, was er selbst will, aber dass es natürlich auch Grenzen gäbe.

Das Problem an diesen Grenzen ist, dass sie schwer definierbar sind. Für eine Person ist die Grenze eines bauchfreien Tops schon knapp über dem Hosenbund erreicht, für die andere erst knapp unter der Brust.

Was als Lösung dazu einfallen würde: Eine Angabe in Zentimetern darüber, wie viel Bauch zu sehen sein darf. Doch wenn man genauer darüber nachdenkt, hat auch das keinen Sinn. Soll jeden Tag bei allen Schülern abgemessen werden, wie viel Bauch man bei ihnen sieht, und ob nicht ein Zentimeter zu viel sichtbar ist? Auch ist der Körperbau eines jeden Schülers divers.

Da es eben keine klar definierbaren Grenzen gibt, ist die naheliegendste Lösung, die Sache einfach ganz zu verbieten. Man kann nicht genau festlegen, wie viel Bauch zu sehen sein darf, also verbietet man bauchfrei frisch komplett.

Doch wie die Oberschülerin bei „Pro und Contra“ gesagt hat: Mit Verboten erreicht man nichts. Erreichen tut man etwas, wenn man die Schüler selbst lernen lässt, ob ihre Kleidung angemessen ist oder nicht.

Wir finden diese Oberteile ästhetisch schön und ziehen sie deshalb an. Was soll daran Provokation sein?

Ein anderes Argument ist, dass die Konzentration männlicher Personen in der Schule (Lehrer und Schüler) nachlasse, wenn Schülerinnen freizügigere Kleidung tragen. Das mag in bestimmten Fällen zwar zutreffen, die Aussage ist aber höchst problematisch und löst noch größere Diskussionen aus. Positionen wie „Das ist doch das Problem der Männer“ und „Damit sucht man sich die Belästigungen selbst“ treffen dann aufeinander.

Dabei ist es meist nicht als Provokation gemeint, wenn Mädchen bauchfreie Tops tragen – und vor allem nicht in der Schule. Wir finden diese Oberteile ästhetisch schön (sie sind, wie man unschwer erkennen kann, in Mode) und ziehen sie deshalb an. Was soll daran Provokation sein?

Während der Diskussion auf Rai Südtirol warf auch der Moderator ein Argument ein, nämlich dass einige bauchfrei auch im Winter trügen und das ja schädlich für die Gesundheit sei. Das ist aber auch kein Grund, bauchfrei in der Schule zu verbieten. Die Schule geht es nichts an, ob das, was ich trage, meine Gesundheit schädigt. Wenn ich mich dazu entschließe, erfrieren zu wollen, ist das mein Problem. Sonst müsste man im Winter auch nackte Fußknöchel verbieten.

Disziplinarmaßnahmen bei anstößiger Kleidung sind weder angemessen noch wirksam. Die Schule hat nicht die Aufgabe, den Schülern zu sagen, was sie anzuziehen haben und was nicht. Das ist wenn, dann Aufgabe der Eltern. Bei besonders eklatanten Fällen, wo die Kleidung für die Schule unangemessen ist, können die Eltern angesprochen werden. Doch was genau „eklatante Fälle“ sind, ist wieder relativ.

Mit Verboten ist nichts erreicht. Diese stärken nur den Rebellionswillen der Jugendlichen. Dafür ist diese ganze Polemik, die es bis ins “Pro und Contra” bei Rai Südtirol geschafft hat, das beste Beispiel.

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