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Veröffentlicht
am 09.10.2024
MeinungDie Welt 2050

„In eine globalistische Richtung entwickeln“

Veröffentlicht
am 09.10.2024
In der neuen Mini-Serie von Roland Benedikter kommen junge Südtiroler:innen zu Wort: Wie stellen sie sich die Welt im Jahr 2050 vor? Julian Nikolaus Rensi glaubt an eine erneute Globalisierung – nach Jahren der Krise.
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Rensi

Was ich mir für die Zeit um 2050 vorstelle, ist zunächst, dass es da bereits so tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Umwälzungen gegeben haben wird, dass die Zeit kaum mit unserer jetzigen Gegenwart zu vergleichen ist. Sicher muss man immer etwas vorsichtig sein, an derzeit vielversprechende technologische Neuerungen zu große soziale und gesamtwirtschaftliche Konsequenzen zu knüpfen. Vor allem muss man aufpassen, hier nicht das Tempo zu überschätzen. Doch 25 Jahre sind eine lange Zeit, in der sich doch vieles – an derzeit vielleicht noch fern Klingendem – durchsetzen wird.

Die künftige globale Gemeinschaft dürfte weniger von europäischen Normen und Wertvorstellungen geprägt sein.

Außen- und geopolitisch wird sich die Welt 2050 wieder stärker in eine globalistische Richtung entwickeln, nachdem Neo-Nationalismus, Protektionismen usw. die globale Gemeinschaft in den 2030er und 2040er Jahren in zum Teil schwere Krisen (und wohl auch Konflikte) geführt haben werden. Es ist ja immer ein wenig eine Pendelbewegung und ich schätze, dass sich der derzeitige Trend zur Deglobalisierung (sofern er einer ist) irgendwann überholen wird. Sicher werden in einer neu globalisierten Welt Afrika und Südamerika eine neue Rolle spielen – eine andere Rolle jedenfalls als aktuell. Die künftige globale Gemeinschaft dürfte auch weniger von europäischen Normen und Wertvorstellungen geprägt sein, schon in den Begriffen, Strukturen und dem politisch-rechtlichen Rahmen – und nicht bloß, was jetzt dieses oder jenes Menschenrecht betrifft. Fraglich bleibt für mich, welche Rolle China spielen wird und wann für diese aktuell aufsteigende Macht die Phase der Sättigung eintrifft; vielleicht ist 2050 hier auch noch zu kurzfristig und die 2040er, 2050er Jahre werden (noch) unter chinesischer Dominanz stehen.

Innenpolitisch wird sich im Westen die demokratische Ordnung auf einem vielleicht – im Vergleich zu heute – „niedrigerem“ Niveau stabilisiert bis wiederhergestellt haben. Ich nehme an, dass sich Autoritarismen verbraucht haben werden. Es wird diese jedoch auf der Strecke bis 2050 in der „Freien Welt“ bestimmt geben. Mit niedrigem Niveau meine ich, dass die westlichen Staaten einen feudaleren Charakter als heute haben werden: Die Macht der Geld- und Konzern-Aristokratie wird noch zunehmen und der Umkehrprozess bis 2050 wohl noch nicht eingetreten sein.

Eine sozial-ökologische Wende wird es global noch nicht geben.

Was die Klimakrise betrifft, so denke ich derzeit nicht, dass sie abschließend überwunden sein wird. Es werden sicherlich angesichts immer krasserer Krisenerscheinungen und Katastrophen zum Teil drastische Maßnahmen beschlossen, die zunächst aber keine weitreichende sondern bloß „lindernde“ Wirkung haben werden. Die Durchsetzung einer echten sozial-ökologischen Wende wird noch viele Jahrzehnte beanspruchen! Global betrachtet, ist sie in den 2020er- und frühen 2030-Jahren wohl noch nicht zu erwarten. Es bleibt hier also weiter nötig, Druck auszuüben, auf der Straße und in der Politik.

Insgesamt habe ich desillusioniert bis vorsichtig optimistische Erwartungen. Von Pessimismus würde ich aber nicht sprechen. Große utopische Projekte sehe ich noch keine, aber es kann sein, dass diese in meiner und den kommenden Generationen sich erst unter dem Eindruck einer noch weiter radikalisierten Gegenwart entwickeln werden.

Was ich mir erhoffe, ist primär relativer Frieden. Konfliktfrei wird die Welt so lange nicht sein, wie der Mensch in antagonistischen Gesellschaftsstrukturen lebt und hier reden wir von evolutionären Stufen, der Dauer Jahrtausende umfasst und deren Wechsel zu erahnen fast schon reine Spekulation ist. Meine zweite Hoffnung ist die nach einer langfristigen Überwindung sozialer Ungerechtigkeit – Ungleichheit wird es immer geben, aber diese muss erträglich und vernünftig sein. Drittens hoffe ich auf so viel Vernunft in der politischen Klasse, dass die Klimaziele und allgemein ökologische Maßnahmen nun nicht allzu sehr unter dem Druck der neuen Rechten und internationaler Konzerninteressen über Bord geworfen werden. Viertens hofft mein konservatives Ich, dass die Kulturen und Menschen der Welt zwar enger zusammenrücken und religiöse Konflikte abnehmen, gleichzeitig aber die Vielfalt und Einzigartigkeit der nationalen, regionalen und lokalen Realitäten auf der Erde erhalten bleibt. Ganz besonders denke ich hier natürlich an das antike, humanistische und christliche Erbe Europas.

Autor: Julian Nikolaus Rensi, geboren 1997, Bozen.

Dieser Beitrag stammt aus der Serie „Was junge Menschen in Südtirol über die Welt im Jahr 2050 denken“, herausgegeben von Roland Benedikter (Eurac Research)

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